Wieder mehr Menschen in Not: Lebensmittelbanken in Tschechien stocken auf

Immer mehr Menschen in Tschechien sind von Lebensmittelspenden abhängig. Grund dafür sind etwa die Corona-Pandemie oder die steigenden Energiepreise. Die Nachfrage kommt inzwischen auch aus Bevölkerungsschichten, die bisher noch keine Klienten von Lebensmittelbanken waren.

Josef Vlček | Foto: Tomáš Mařas,  Tschechischer Rundfunk

Josef Vlček lädt zusammen mit einem Kollegen leere Bananenkisten aus dem Auto aus.

„Wir benutzen sie für Lebensmittelspenden. Solche Kisten sind ideal für die Auslieferung. Jeder Haushalt, den wir anfahren, bekommt eine oder zwei solcher Kisten – je nach Größe der Familie“, so Vlček.

Er ist Leiter der Lebensmittelbank in Liberec / Reichenberg. Momentan lagern dort etwa fünf Tonnen Nahrungsmittel. Damit seien sie auf eine steigende Nachfrage vorbereitet, sagt Vlček:

Foto: Daniela Brychtová,  Tschechischer Rundfunk

„Wir erwarten, dass es im Dezember, spätestens im Januar zu einem Anstieg kommt. Denn meistens wenden sich die Leute an uns, wenn das Problem schon akut ist. Also nicht im Voraus, sondern erst, wenn die Rechnungen bezahlt werden müssen und die Betroffenen dann feststellen, dass kein Geld mehr für Lebensmittel übrig bleibt.“

Im Moment seien es zwei Kostenfaktoren, die den Menschen zu schaffen machten, berichtet Vlček. Der erste betrifft die erhöhten Energiepreise, und der zweite entsteht durch die wieder zunehmenden Corona-Zahlen. Wann wie viele Haushalte bei der Lebensmittelbank Bedarf anmelden, sei aber nie vorhersehbar:

Illustrationsfoto: Lucie Fürstová,  Tschechischer Rundfunk

„Das lässt sich wirklich nicht voraussagen. Der Anstieg während der letzten Corona-Welle war viel rasanter, als wir es erwartet hatten. Trotzdem haben wir ihn bewältigt und alle Leute versorgt. Jetzt sind wir vorbereitet auf 200 bis 300 Prozent mehr Nachfrage.“

Und dies sei kein übertriebenes Szenario, fährt der Einrichtungsleiter fort:

„Das ist durchaus realistisch. Denn vor der Corona-Krise haben wir etwa fünf Lebensmittelkisten pro Woche ausgefahren. Während der Pandemie waren es schon mal 50 Kisten pro Woche.“

Inzwischen komme die Nachfrage nach Lebensmittelspenden auch aus Bevölkerungsgruppen, die noch vor einem Jahr nicht zur klassischen Zielgruppe gehörten, so Vlček weiter:

Foto: Lucie Fürstová,  Tschechischer Rundfunk

„Unsere Lieferungen gehen nun auch an vereinsamte Senioren. Oftmals bleiben die Menschen nach dem Tod des Partners allein in einer Wohnung, für die die finanziellen Mittel dann nicht mehr ausreichen. Diesen Personen ist es oft peinlich, uns um Hilfe zu bitten.“

Und eine weitere Gruppe, die seit Neuestem beliefert wird, seien vollständige Familien. Wenn die Frau etwa im Mutterschaftsurlaub ist und der Mann wegen der Corona-Krise seine Arbeit verloren hat, seien sie auf einmal auf Sozialhilfe und Kindergeld angewiesen, berichtet Vlček. Er schätzt, dass Senioren und junge Familien mit Kindern derzeit etwa 60 Prozent der Klienten der Lebensmittelbank in Liberec ausmachen.

Autoren: Daniela Honigmann , Tomáš Mařas
schlüsselwort:
abspielen