Religiosität und Bildung: die Piaristen in Mähren

Piaristenkloster in Mikulov (Foto: Palickap, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Vor 388 Jahren kamen Angehörige des Piaristenordens aus Italien nach Südmähren. In Nikolsburg / Mikulov gründeten sie das erste Kloster dieses katholischen Männerordens nördlich der Alpen. Bald folgten weitere. Ihr Engagement im Bereich Erziehung und Ausbildung hinterließ hierzulande eine bedeutende Spur.

Piaristenkloster in Mikulov  (Foto: Palickap,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)

Pavla Bittnerová  (Foto: Jitka Mládková)
Noch vor der Gründung des Piaristenklosters hatte Freiberg ab 1541 eine von der Pfarrei geleitete Schule. Wie es dazu kam, dass Piaristen auch diese Stadt zu ihrem Standort wählten, weiß Pavla Bittnerová. Sie ist im ehemaligen Kloster als Fremdenführerin tätig.

„1693 wandten sich die hiesigen Stadtväter an den Piaristenorden mit der Bitte, sich der Schulbildung von Kindern in der Stadt anzunehmen. Genauer gesagt ging es um die Jungs, denn bei den Mädchen war dies damals allgemein nicht üblich. Ein Jahr später kamen die ersten vier Ordensmönche nach Příbor / Freiberg. Anfangs gaben sie Hausunterricht für 68 Schüler. Noch im selben Jahr wurden sie aber von Olmützer Bischof, Karl II. von Liechtenstein beauftragt, mit dem Klosterbau zu beginnen. Sechs Jahre später war der südliche Gebäudeflügel fertig und auch ein Teil des westlichen. Zu der Zeit hatte das Piaristenkolleg bereits 368 Schüler. Vollendet wurde es 1712“, so Bittnerová.

Gymnasium im Kloster

Piaristenkloster in Příbor  (Foto: Chromečková,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)
Die Klosterschüler stammten aus ärmeren Bevölkerungsschichten, jedoch nicht aus der ärmsten.

„Es waren überwiegend Söhne aus Handwerker-Familien. In der Stadt lebten damals rund 1000 Einwohner. 250 von ihnen waren vor allem als Tuchweber tätig. Es waren Meister und ihre Gesellen. Freiberg galt schon damals als ein Zentrum der Textilproduktion, und dies blieb so bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Die einheimischen Jungs konnten jeden Tag nach dem Unterricht nach Hause gehen. Die anderen, die in der Umgebung lebten, waren im Kloster untergebracht. Die Klosterschule war ein Gymnasium. Das heißt, man wurde mit acht Jahren, meist aber mit zehn Jahren dort eingeschult. In der Regel lief die Gymnasialbildung bis zum 16. Lebensjahr. Ein Schwerpunkt des Kollegs waren Fremdsprachen. Auf dem Stundenplan standen aber auch Fächer wie Geschichte, Geographie, Gesellschaftswissenschaften oder Naturkunde. Bis zum 19. Jahrhundert wurde der Unterricht in Latein abgehalten. Danach gewann das Deutsche Oberhand. Auf Tschechisch wurde in dieser Klosterschule erst ab 1875 gelehrt. Die Lerninhalte beruhten selbstverständlich auf einem christlichen Weltbild.“

Gartenplan
Denn Religiosität und Bildung standen bei den Piaristen im Zentrum der Bildungsarbeit. Das bedeutete, dass die Zöglinge regelmäßig auch zum Gottesdienst gingen. Er wurde jeden Tag noch vor Unterrichtsbeginn in der Valentinskirche zelebriert.

Auf den ältesten Abbildungen des Kollegs aus dem 18. Jahrhundert ist im Hof auch eine großer, rechteckiger Garten zu sehen, aufgeteilt in kleinere Segmente. Pavla Bittnerová:

„Die Piaristen wollten den Schülern soweit wie möglich beibringen, wie sich die Theorie im praktischen Leben umsetzen lässt. Die Gartenarbeit galt daher als wichtiger Teil des Unterrichts. Dazu diente hier der Klostergarten mit Obstbäumen, Gemüse, Heilpflanzen und Kräutern. Zudem wurden Blumen angebaut für die Dekoration in der Klosterkirche. Der Garten enthielt auch mehrere Elemente, die im Barock typisch waren wie zum Beispiel ein Rebenspalier, geformte Hecken, niedrige Mauern oder ein Wasserbottich für die Fischzucht. Jeder Schüler sollte gewisse Kompetenzen in der Gartenarbeit erlangen.“

In den Beeten und auf den Feldern schufteten selbstverständlich auch die Klosterbrüder. Und ein kleiner Ziergarten diente ihnen zum Gebet und zur Besinnung.

Gartenarbeit für die Schüler

Refektorium  (Foto: ČT24)
Ein Barockbau im strengen und schmucklosen Stil. So charakterisiert die Fremdenführerin das Piaristenkloster in Příbor. Es gebe aber eine Ausnahme: das Refektorium im westlichen Gebäudeflügel. Dieses trage alle typischen Merkmale barocker Opulenz, meint Bittnerová:

„Erst bei der Restaurierung in den Jahren 1994 bis 2015 zeigte sich das wahre Gesicht des Refektoriums. Die Arbeiten verliefen in vier Etappen und waren in vieler Hinsicht aufwendig. So mussten die Restauratoren mehrere Schichten von der Decke und den Wänden entfernen, bis sie auf die ursprünglichen Malereien, also die ältesten stießen. Erst dann konnten diese restauriert werden. Dabei wurden Details entdeckt, die in den vergangenen 300 Jahren in Vergessenheit geraten waren. So gab es zum Beispiel einen Anstrich zwischen den Türen, der die Illusion einer plastischen Wandverkleidung schaffen sollte. Ebenso anspruchsvoll war die Restaurierung der Malereien zwischen den Fenstern, die fließend in die Lünetten darüber beziehungsweise in die Stuckverzierung der Decke übergehen. Durch die Renovierungsarbeiten hat das Refektorium nun wieder die Gestalt wie im Jahr 1710.“

Foto: ČT24
Dazu gehört auch ein eindrucksvolles Deckenfresko. Dies zeigt eine Galerie bedeutender Persönlichkeiten des Christentums und der Kirche:

„Im Mittelpunkt des Freskos steht die Offenbarung des hl. Johannes auf der Insel Patmos, die im Neuen Testament beschrieben ist. Ein anderer Teil der Deckenmalerei ist die Wandlung des Saulus zum Paulus. Zu dem Ensemble der Heiligen gehören des Weiteren die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Vier weitere Männer sind die sogenannten Kirchenlehrer. Als christliche Autoren des Frühmittelalters hatten sie einen entscheidenden Beitrag zur Lehre und zum Selbstverständnis des Christentums geleistet. Unter ihnen war selbstverständlich auch der hl. Hieronymus. Seine Bibelübersetzung aus dem Hebräischen und Altgriechischen ins Lateinische ermöglichte, die christliche Lehre auch in der westlichen Zivilisation zu verbreiten.“

Die Auswahl der acht Heiligen sei kein Zufall gewesen sein, meint die Fremdenführerin:

„Nach meiner Ansicht sollte diese malerische Ausschmückung des Refektoriums die Schüler dazu anregen, sich eben mit dem Werk der acht wichtigen Männer der Kirche zu beschäftigen. Dasselbe traf auf die Offenbarung zu, die in der Bibel als Apokalypse nachzulesen ist. Ihre Lektüre sollte das kreative Denken der Jugendlichen im Kolleg fördern. Deswegen denke ich, dass man hier gezielt symbolische Abbildungen gewählt hat.“

Josephinische Reformen

Freiberger Lehramtsinstitut  (Foto: Public Domain)
Die Blütezeit der Piaristenschulen hierzulande lag in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Von den Reformen, die Kaiser Josef II. ab den 1770er Jahren einführte, war dieser Orden im Unterschied zu den Jesuiten nicht so stark betroffen. Allerdings wollte der Staat die kirchlichen Bildungseinrichtungen zunehmend unter seine Aufsicht stellen.

„Auch die Piaristen in Příbor spürten zunehmend, wie die Kirche den Einfluss auf das Bildungswesen verlor. Dennoch leitete die Ordensverwaltung den Schulbetrieb zunächst weiter. Erst 1871 kündigten die Piaristen den gemeinsamen Vertrag und verließen die Gegend. Danach zog die städtische Hauptschule in das Klostergebäude, und an ihr wurde der Unterricht in tschechischer Sprache eingeführt. Doch die Stadtväter wünschten sich eine Bildungsinstitution mit Prestige. 1875 gelang es ihnen, hier ein Lehramtsinstitut zu eröffnen. Es war damals das zweite in Mähren nach Brünn. Und zum Studium wurden bereits auch Frauen zugelassen“, so Pavla Bittnerová.

Foto: Chromečková,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0
Die Stadt wurde damit zu einem Zentrum der Bildung im Nordosten Mährens. 1938 kam jedoch das Ende des Lehramtsinstituts. Die Region um Příbor wurde von Hitler besetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das ehemalige Kloster bis 1977 als Berufsschule des Automobilherstellers Tatra Kopřivnice. Nachfolgend fanden die Stadtbibliothek und die Volkskunstschule hier ihr Domizil. Beide Kulturinstitutionen sind bis heute hier angesiedelt, dazu kommen noch das Städtische Museum und das Sigmund-Freud-Museum.

Mit der Renovierung des Klosters wurde das Ziel der Stadtverwaltung erfüllt: Das Areal soll keinesfalls nur eine Attraktion für die Touristen sein. Jedes Quadratmeter des Hauses, hieß es im Auftrag, müsse einem allgemeinen Nutzen dienen. Unter dem Dach werden nun zum Beispiel Konferenzen, Vorträge, Stadtratssitzungen, Hochzeitsfeiern und nicht zuletzt auch Konzerte veranstaltet. Denn das einstige Refektorium hat eine ausgezeichnete Akustik.