Für Ostereier von glücklichen Hühnern
Kurz und knapp: Unsere Ostereier kommen nicht immer von glücklichen Hühnern. In Tschechien gibt es seit einiger Zeit Initiativen, die Legehennen aus der Käfighaltung wenigstens eine schöne Rente ermöglichen wollen. Das Zauberwort dabei heißt Adoption.
„Sie müssen vieles neu lernen. Zum Beispiel das typische Baden im Sand, mit dem sie ihr Gefieder vor Parasiten schützen. Oder den Nestbau, denn Wildhühner schlafen eigentlich auf Ästen, um sicher zu sein vor Fressfeinden.“
Wenn man sie nicht dem Eier-Großbetrieb abgekauft hätte, wären die Hühner jetzt schon tot, erklärt Anna Havlová. Denn die Lebenserwartung des Federviehs in Käfighaltung ist bedeutend kürzer als die in Freiheit:„Ein Jahr lang lebt solch ein Huhn in den Großbetrieben. Danach haben die Tiere kein Recht mehr auf ein Weiterleben und werden zu Hundefutter verarbeitet.“
Normalerweise hat ein Huhn eine Lebensspanne von acht Jahren. Bei Broilern in der Fleischindustrie ist es sogar noch kürzer, die leben meist nur acht Wochen, bis sie fertiggemästet sind. Insgesamt ist die industrielle Haltung eine reine Strapaze für die Hühner:
„Meist findet man in den Legeställen Hühner vom Typ Isa Brown. Das ist ein patentierter Hybrid aus Frankreich mit einer extremen Legeleistung. Die liegt bei 300 Eiern im Jahr, da liefert das Huhn also fast täglich ein Ei. Für die Tiere ist das eigentlich eine Qual, denn rein physiologisch ist das fast nicht machbar. Deshalb werden die Vögel auch zusätzlich mit Kalzium gefüttert. Zum Vergleich: Wissenschaftler vermuten, dass ein Urhuhn nur zwölf Eier im Jahr gelegt hat.“
Vom Großbetrieb in die Freiheit
Für Anna Havlová ist es eine Herzensangelegenheit, Hühnern aus Käfighaltung nach Ende ihres „Arbeitslebens“ eine neue Heimat zu geben. Insgesamt sieht sie die industrielle Produktion von Eiern kritisch, vor allem wegen der Nachlässigkeit der Betriebe:„Das sogenannte ‚Factory farming‘ funktioniert so, dass die Hühner letztlich vernichtet werden, wenn ihre Eierproduktion nach dem ersten Lebensjahr nicht mehr gewährleistet ist. Danach werden die Vögel entweder getötet oder verkauft für eine symbolische Summe von 50 oder 60 Kronen. Wenn die Vögel dann zu uns kommen, sind sie in einem denkbar schlechten Zustand. Meist haben sie ein durchgerupftes Federkleid, Entzündungen oder Parasiten. Zwar sind die Betriebe dazu verpflichtet, vor allem gegen die rote Vogelmilbe vorzugehen. Oft spritzen sie ihre Legehennen aber nur großflächig mit einem Pestizid ab. Das bringt natürlich nichts, und die meisten Vögel sind einfach weiterhin befallen, wenn wir sie zu uns nehmen.“
Mittlerweile leben im Gemeinschaftsgarten Pastvina rund 80 Hühner, ein Großteil fristete davor in Käfighaltung sein Dasein. Wie kommt man aber an die Tiere?„Meist machen die Betriebe auf ihren Internetseiten öffentlich, wenn sie den Verkauf von Hühnern starten. Vereine wie ‚Slepice v nouzi‘ sammeln diese Informationen und machen das auf Kanälen wie Facebook publik. Als Interessierter kann man dann da hinfahren und sich die Hühner für den angegebenen Verkaufspreis abnehmen.“
Das machen vor allem kleinere Betriebe, die großen wie Agrofert hätten den Verkauf von ausgedienten Hühnern mittlerweile unterbunden, erklärt Havlová. Der Agrochemie-Konzern berief sich in einer Pressemitteilung auf Kampagnen in den Medien gegen den Konzern und seine Unternehmen, was man nicht weiter fördern wolle.Die Idee der Adoption von Hühnern kam ursprünglich von Hnuti Duha, der Umweltverband hat vor einigen Jahren das Projekt Slepice v nouzi, also Huhn in Not gestartet. Petr Dobrý leitet die Aktion:
„Ich kenne wirklich viele Ornithologen und Tierschützer. Die setzen sich für alle möglichen Wildarten ein, aber unsere Nutztiere vergessen sie dabei oft. Wahrscheinlich erscheinen ihnen Hühner einfach nicht so rettungswürdig. Legehennen sitzen aber zu Millionen in ihren Käfigen. Deshalb dachte ich mir irgendwann einfach: Wenn dies schon kein anderer macht, dann retten wir sie einfach mit unserem Verein.“
Denn Petr Dobrý ist fest vom Guten im Huhn überzeugt:„Wie jedes andere Tier auch haben Hühner natürlich Gefühle. Das wissen alle, die irgendwann etwas mit den Vögeln zu tun hatten. Unser Problem ist, dass wir Nutztiere oft als dumm und schmutzig abstempeln. Damit entschuldigen wir wahrscheinlich, dass wir sie in solchen Großbetrieben wegsperren. Dort leben sie dann unter fürchterlichen Umständen.“
Ein Herz für „Hühner in Not“
Der Umweltaktivist erklärt, wie die Adoption eines Huhnes bei Slepice v nouzi funktioniert:
„Auf unserer Webseite haben wir eine Liste mit Legefabriken. Die kann dann jeder anrufen und sich erkundigen, ob gerade Hühner verkauft werden und ob man sich eins oder mehrere abholen kann. Das ist nicht immer gewährleistet, denn oft verdienen die Betriebe daran, dass sie die Hühner für die Herstellung von Tiernahrung lukrativ weiterverkaufen. Man kann sich aber auch direkt an uns wenden. Wir fahren nämlich mehrmals im Jahr die entsprechenden Betriebe ab, kaufen Hühner auf und bieten sie dann zur Fern-Adoption.“
Auch bei der Pastvina in Prag-Vinoř läuft die Adoption ähnlich. Als Belohnung gibt es dann jeden Monat 20 frische Eier von den glücklichen Hühnern. Außerdem bekommt man für die Adoption eine Urkunde, diese weist einen aus als „Gerechten unter den Hühnern“. Was passiert aber mit den Tieren, wenn sie frisch in Freiheit angekommen sind? Man müsse sie erst einmal aufpäppeln, erklärt Anna Havlová:„Wenn die Vögel bei uns angeliefert werden, dann versorgen wir sie zunächst präventiv gegen Kokzidiose und andere Infektionskrankheiten. Die Hühner bleiben aber zunächst isoliert gemeinsam mit ihren bisherigen ‚Kolleginnen‘, denn die anderen Hennen hier würden sie angreifen. Da herrschen nämlich strikte Hierarchien. Das Wichtigste ist aber die Ernährung, die wir bei uns möglichst natürlich halten, sie bekommen Gemüse der Saison oder Treber aus dem Brauereibetrieb und manchmal noch nutzbare Essensreste aus der Dorfkneipe.“
Mit mehr Platz und Unterhaltung zu einem glücklicheren Leben
In Tschechien leben 90 Prozent aller Legehennen in Käfighaltung, Alternativen werden kaum genutzt. Laut Anna Havlová ist das ein massives Versäumnis:
„Käfighaltung gibt es in Norwegen beispielsweise überhaupt nicht mehr, da ist das komplett verboten. In Irland, wo ich schon Erfahrungen gesammelt habe, ist die Käfighaltung nur noch eine Randerscheinung für die billigste Eierproduktion. Mittlerweile dominiert aber dort die Freilandhaltung.“Man könne sich Inspirationen im Westen holen, dort sei man viel weiter bei der Zucht von Nutztieren und vor allem Hühnern, meint die studierte Sozialpädagogin. Und Änderungen seien sehr einfach durchzuführen:
„Auch in der Hallenhaltung macht man im Westen etwas, was man als ‚Enrichment‘ bezeichnet. Übersetzt bedeutet das Unterhaltung für die Tiere. Wir machen das in einem kleineren Maßstab und zwar mit Hunde-Trockenfutter, das die Hühner außerhalb der regulären Fütterungszeiten aufpicken können. Das motiviert sie zum umherstromern und zur Nahrungssuche abseits der festen Futterstellen. Damit bekommen sie ihr natürliches Pensum an Bewegung.“
Insgesamt begrüßt Anna Havlová den Vorstoß von Supermarktketten in Tschechien, diese wollen in den kommenden Jahren keine Eier aus Käfighaltung mehr aufkaufen. Jedoch hat die Hühnermama ein ganz großes „Aber“:„Zwar bin ich froh um ein Ende der Käfighaltung, aber die nun so hochgelobte Hallenhaltung ist auch nicht wirklich gut. Vor allem da die Hallen meist einfach überfüllt sind und die Hühner sich dann aus sozialem Stress gegenseitig angreifen. Auch werden viele Hühner totgetrampelt von ihren Kolleginnen. Die Kontrollen der Betriebe sind meist sporadisch, und die toten Tiere liegen dann relativ lange einfach so umher.“
Das haben unlängst auch zahlreiche Investigativ-Reportagen des Tschechischen Fernsehens gezeigt.