Ústí nad Labem streicht Wohngelder

Alena Hušová mit ihren Töchtern (Foto: ČT24)

Das nordböhmische Ústí nad Labem / Aussig hat sich zur Wohngeld-freien Zone erklärt. Die Stadt will damit gegen das sogenannte Geschäft mit der Armut ankämpfen. Kritiker befürchten jedoch, dass gerade die Ärmsten der Armen die Leidtragenden der Maßnahme sind.

Alena Hušová mit ihren Töchtern  (Foto: ČT24)
Alena Hušová lebt mit ihren Töchtern derzeit noch in einer Obdachlosenunterkunft in Ústí nad Labem. Eigentlich wollte sie bald in eine normale Wohnung umziehen, was aber nur mit Hilfe vom Staat möglich gewesen wäre. Wie sie das nun schaffen will, weiß Alena Hušová nicht. Denn die Verwaltung hat das gesamte Stadtgebiet zur Wohngeld-freien Zone erklärt:

„Ich muss nun sparen, meine derzeitigen Bezüge reichen einfach nicht“, meint die zweifache Mutter.

Plattenbauten in Ústí nad Labem  (Foto: Zaerikk,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)
Seit 2017 haben tschechische Städte und Gemeinden die Möglichkeit, Neubürgern das Wohngeld zu verweigern. Bisher hat beispielsweise das mittelböhmische Kladno von der Maßnahme Gebrauch gemacht, andere Städte wenden sie wiederum nur auf bestimmte Viertel an. Ústí nad Labem will mit der Regel in erster Linie das florierende Geschäft mit der Armut eindämmen. Manche Vermieter beherbergen sogenannte „Problembürger“ zu horrenden Preisen in heruntergekommenen Plattenbauten. Es geht dabei um Menschen, die wegen ihrer Arbeitslosigkeit oder ethnischen Herkunft auf dem normalen Markt kaum Aussicht auf eine Unterkunft haben. Durch das Wohngeld erhalten die Vermieter den größten Teil der Miete jedoch vom Staat. Zudem will sich das nordböhmische Ústí gerade diese „Problembürger“ vom Hals halten. Tomáš Vlach ist stellvertretender Bürgermeister der Großstadt:

Tomáš Vlach  (Foto: ČT24)
„Oft geht es um Langzeitarbeitslose, die aus eigenen Stücken nichts dafür tun, um ihren Lebensstil zu ändern“, meint der Regionalpolitiker von der Regierungspartei Ano.

Kritiker sehen in der Maßnahme jedoch vor allem eine Schikane gegen soziale Randgruppen – und besonders gegen Roma. Martin Šimáček vom Institut für soziale Inklusion sieht darin sogar eine Kapitulation der Stadtverwaltung vor ihren eigentlichen Aufgaben:

„Die Stadt gibt ihre Funktion auf, Wohnraum für alle Bürger auf dem Stadtgebiet zu ermöglichen“, meint der Sozialarbeiter.

Lediglich ein Gesetz zum sozialen Wohnungsbau könnte helfen, fügt Šimáček noch hinzu. Darum ringt die derzeitige Regierung zwar, ein entsprechendes Vorhaben ist unter anderem eine Priorität der Sozialdemokraten. Noch ist aber keine Einigung in Sicht.

Weronika Lipšová  (Foto: ČT24)
Immerhin erhalten diejenigen weiter Wohngeld, die es bereits beziehen. Sie dürfen aber innerhalb der Stadt nicht mehr umziehen, denn damit würden ihre Ansprüche auf diese Sozialleistung verfallen. So wie bei Etel Farkášová, die schon vor längerer Zeit in eine Wohngeld-freie Zone geraten ist:

„Hätte ich meine Familie nicht, dann könnte ich mir nicht einmal mehr etwas zu Essen leisten“, so die Rentnerin. Auch Weronika Lipšová sieht die Ärmsten in der Gesellschaft durch die Maßnahme in ihrer Mobilität beschnitten:

„Die Menschen bleiben in den unhaltbaren Umständen wohnen und sind mehr als bisher den unlauteren Praktiken ihrer Vermieter ausgesetzt“, erklärt die Sozialarbeiterin von der NGO „Mensch in Not“.

Jaroslav Hrouda  (Foto: ČT24)
Bald dürfte ein Umzug so oder so schwer werden, denn die umliegenden Städte wollen bald nachziehen mit ähnlichen Maßnahmen. Unter anderem könnten die Städte den Druck auf die Vermieter erhöhen. Jaroslav Hrouda ist Oberbürgermeister des benachbarten Děčín / Tetschen:

„Feuerwehren und Gesundheits- sowie Bauämter müssen da mehr Druck machen. Unsere Erfahrung ist, dass viele Eigentümer sich nicht genug um ihre Immobilien kümmern“, erklärt der Ano-Politiker

Gerade deshalb wollen sich viele Wohnungseigner gegen die möglichen Neuankömmlinge sperren. So auch Jarmila Parohová, sie hat gemeinsam mit ihrem Mann ein weiteres Miethaus im Stadtzentrum von Děčín gekauft:

„Wir wollen hier Menschen einziehen lassen, vor denen niemand Angst haben muss“, sagt die Vermieterin.

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