Verfolgte Persönlichkeiten aus Kultur ausgezeichnet
Am Sonntagabend wurden in Prag die Titel Dame beziehungsweise Ritter der tschechischen Kultur verliehen. Ausgezeichnet wurden Kulturschaffende, die während der nationalsozialistischen Besatzung und später im Kommunismus aus ideologischen Gründen verfolgt wurden. Radio Prag war bei der Titelverleihung im Theater Divadlo Na Vinohradech dabei.
„Ich bin sehr froh, dass die tschechische, slowakische und auch polnische Gesellschaft meinen Bruder nicht vergessen hat und dass er in seinen Gedichten und Liedern weiterlebt.“
Die Titel überreichten Kulturminister Antonín Staněk (Sozialdemokraten) und der Direktor des Festivals gegen Totalitarismus „Mene Tekel“, Jan Řeřicha. Minister Staněk sagte unter anderem:„Jenes Volk, das sich seine Geschichte nicht merkt, muss sie wiederholt erleben. Darum erinnern wir uns heute an diejenigen, die sogar ihr Leben riskiert haben, um zu zeigen, dass es sinnvoll ist, sich gegen das Böse in seinen verschiedenen Formen zu stellen.“
Erika Bezdíčková hat den Holocaust überlebt. Die Schriftstellerin wurde zur „Dame der tschechischen Kultur“ erhoben. Sie sei als 14-jährige aus dem KZ zurückgekehrt und habe sich lange nicht getraut, über ihre Erlebnisse zu sprechen, erzählte die Autorin.
„Ich habe bis zu meinem Treffen mit Simon Wiesenthal geschwiegen. Er hat mir die Frage gestellt, ob ich mit jungen Menschen darüber spreche. Er sagte, dass diejenigen, die das Privileg haben, überlebt zu haben, für die sechs Millionen Ermordeten sprechen müssten. Das war der Anlass für mein Buch ,Mein langes Schweigen‘. Ich bin anschließend oft mit Schülern und Studenten nicht nur hierzulande, sondern auch in Deutschland und Österreich zusammengetroffen und habe mit ihnen diskutiert. Ich bin davon überzeugt, wir sollten hoch schätzen, dass wir in Frieden leben und hier keine Diktatur herrscht.“Ausgezeichnet wurde auch die Schriftstellerin und christliche Aktivistin Helena Havlíčková. Sie emigrierte 1969, also nach dem sowjetischen Einmarsch in der Tschechoslowakei, mit ihrer Familie nach Frankreich. Aus dem Exil unterstützte sie die Christen in ihrer Heimat, die während des Kommunismus verfolgt wurden. Helena Havlíčková konnte an der feierlichen Zeremonie in Prag persönlich nicht teilnehmen, den Titel nahm ihre Tochter Irena Havlicek entgegen. Sie erinnerte daran, dass mehrere der Ausgezeichneten genauso wie ihre Familie gezwungen waren, im Exil zu leben.
„Wären sie als Flüchtlinge im Exil nicht mit Respekt aufgenommen worden, hätten sie ihr Werk nicht verwirklichen können. Ich möchte hier denjenigen danken, die einst die Genfer Konvention unterzeichnet haben. Wir sind damals in Frankreich wunderbaren Menschen begegnet, die uns sehr gut aufgenommen haben. Sie interessierten sich zudem dafür, warum wir aus der Heimat flüchten mussten und was sich damals in der Tschechoslowakei abgespielt hat. Dazu muss ich sagen, dass das kleine Land in Mitteleuropa für die Franzosen Anfang der 1970er Jahre genauso exotisch und entfernt war wie für die Tschechen heute Syrien oder Afghanistan.“Zu „Damen der tschechischen Kultur“ sind posthum auch die bedeutendsten tschechischen Künstlerinnen der Nachkriegszeit, die Schwestern Květa Válová und Jitka Válová, geworden. Der Titel „Ritter der tschechischen Kultur“ wurde dem Schriftsteller und ehemaligen politischen Gefangenen František Šedivý, dem Schriftsteller und Prager Oberrabbiner Karol Sidon und dem Dirigenten Libor Pešek verliehen. Posthum wurden auch der Historiker Zdeněk Kalista und Bühnenbildner Bedřich Barták ausgezeichnet.
Die Titel Ritter und Dame der tschechischen Kultur wurden im Rahmen des internationalen Festivals gegen Totalitarismus „Mene Tekel“ verliehen. Die einwöchige Veranstaltungsreihe wird am Montag in Prag eröffnet.