Rilke, Faust und der Komponist Petr Eben
Petr Eben ist einer der meistgespielten tschechischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Ende Januar wäre er 90 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass spielen wir zwei seiner Kompositionen, die auf Werken der deutschen Literatur basieren. Sie hören diese zusammen mit den Einleitungsworten von Petr Eben selbst. Die Aufnahmen werden im Archiv des Tschechischen Rundfunks aufbewahrt.
1961 komponierte Petr Eben sechs Lieder nach Gedichten von Rainer Maria Rilke. Im Archiv des Tschechischen Rundfunks findet sich ein Kommentar des Komponisten zu einer Aufnahme seiner Stücke:
„Hätte jemand mit die Frage nach dem beliebtesten Künstler aller Völker und Zeiten gestellt, wäre ich in allen anderen Künsten, also der Malerei, Bildhauerei oder in der Musik, in Verlegenheit geraten. Da fallen mir nämlich gleich mehrere Namen ein. In der Poesie ist es anders: Dort würde ich ohne nachzudenken Rainer Maria Rilke nennen. Das ist meine alte Liebe. Ich habe seine Verse in der Quinta am Gymnasium kennengelernt und fand gleich Gefallen daran. In jener Zeit lasen wir seine früheren, romantischen Gedichte. Schon damals habe ich einige vertont. Selbstverständlich auf eine naive und unreife Weise. Einige Jahre später ließ ich mich von der Prosadichtung ‚Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke‘ bezaubern. Ich war schon dabei, eine Kantate darauf zu komponieren, hörte aber dann die Vertonung des Schweizer Komponisten Frank Martin und gab den Plan auf. Vor sechs Jahren habe ich nach sechs mir besonders lieben Gedichten gegriffen, um meine Lust zu stillen, Rilke in Musik auszudrücken. Der Dichter steht mir dank seiner tiefen Einsicht in das Leben und dank seinem konzentrierten Streben nach einem innerlichen Ausdruck besonders nah. Und vor allem dank seiner Lebensbetrachtung, die einen extremen Gegenpol zum Leichtsinn darstellt. Aus jedem Gedicht atmet die Trauer eines feinsinnigen Menschen, der vom Leben immer wieder verletzt wird, und trotzdem das Leben liebt und wie den höchsten Wert ehrt.“
Die Suite für die Orgel „Faust“ nach dem gleichnamigen Meisterwerk von Johann Wolfgang von Goethe ist eine der am häufigsten gespielten Kompositionen für die Orgel. Sie wurde 1976 im Auftrag des Wiener Burgtheaters verfasst.„Wir sehen Faust heute nicht als eine Marionette in der Wette zwischen Gott und dem Teufel. Wir betrachten das Faust-Problem als Kampf zwischen Gut und Böse im Inneren eines Menschen, der danach strebt, die menschlichen Grenzen zu überschreiten. Ich habe bei der Vertonung nach der Weise gesucht, wie diese Einheit des Positiven und des Negativen im Rahmen eines einzigen Musikinstruments in Ausdruck zu bringen. Deswegen habe ich das königliche Instrument gewählt, die Orgel, und zwar in zweierlei Funktion: Erstens in der klassischen, ernsten Lage der spirituellen Hochwürdigkeit, wie sie von Bach, Reger und César Frank repräsentiert wird. Aber zugleich auch in einer neuen Lage: Durch eine bestimmte Stilisierung und Wahl der Register verwandelt sich die Orgel in einen Widerspruch der Majestät, in ein triviales Orchestrion, das unter anderem im achten Teil, Walpurgis Nacht, angewandt wird.“