Jeder sechste Staatsanwalt war in KPTsch
Tschechien feiert im Herbst 30 Jahre seit der Samtenen Revolution, also der politischen Wende. Aus diesem Anlass hat der Tschechische Rundfunk nachgeprüft, wie viele heutige Staatsanwälte früher Mitglieder der kommunistischen Partei waren.
„Man darf in diesem Bereich nicht hauptsächlich von der früheren Parteizugehörigkeit ausgehen. Man muss bei diesen Menschen vor allem ihre fachliche Eignung beurteilen und ihre moralischen Qualitäten. Konkret im Fall von Herrn Stříž hat der Oberste Staatsanwalt weder beim einen noch beim anderen Kriterium irgendwelche Zweifel.“
Tatsächlich wurden auch alle Staatsanwälte zu Beginn der 1990er Jahre auf ihre Vergangenheit hin überprüft. Die reine Parteimitgliedschaft war damals kein Ausschlusskriterium, um im öffentlichen Dienst weiterbeschäftigt zu werden.Auf der anderen Seite gab es offiziell früher keine Verpflichtung, dass Juristen der KPTsch beitreten musste. Dennoch taten das gerade auch viele Staatsanwälte. Jaroslav Pažout ist Historiker am Institut für das Studium totalitärer Regime und an der Technischen Universität in Liberec / Reichenberg:
„Wir wissen aus den Parteidokumenten und den Unterlagen der Generalstaatsanwaltschaft der ČSSR, dass 1974 rund die Hälfte der Staatsanwälte das Parteibuch hatte. Diese relativ niedrige Zahl lag an den Säuberungen in der Folge der Niederschlagung des Prager Frühlings. 1988 waren aber bereits 70 Prozent Mitglieder.“
Laut Pažout hofften wohl einige, dadurch bessere Karrieremöglichkeiten zu erhalten. Doch die Gründe lagen bei jedem anders. So sieht man das zumindest beim tschechischen Justizministerium.„Die frühere Mitgliedschaft von Staatsanwälten in der KPTsch lässt sich nicht pauschal bewerten. Auf einige wurde auch Druck ausgeübt, etwa indem man drohte, dass ihre Kinder andernfalls nicht studieren dürften. Die bloße frühere Mitgliedschaft bei den Kommunisten kann nicht an sich die moralischen Eigenschaften eines Staatsanwaltes beschädigen“, so Vladimír Řepka, Sprecher des Justizministeriums.
Tomáš Pecina glaubt jedoch, dass dies die Rechtsprechung in Tschechien beeinflusst hat. Der Politaktivist hatte sich durch die Instanzen geklagt, weil er wissen wollte, welche Richter und Staatsanwälte eine rote Vergangenheit gehabt haben. Letztlich entschied das Verfassungsgericht, dass diese Informationen nicht dem Datenschutz unterliegen. 2011 machte das Justizministerium daher die entsprechenden Angaben zugänglich. Tomáš Pecina:
„Es gibt einige bekannte Fälle, in denen kommunistische Verbrecher über lange Jahre von einem Gerichtsverfahren verschont wurden. Das wäre sicher nicht möglich gewesen, wenn es schon in den 1990er Jahren hierzulande eine Justizreform gegeben hätte. Dann wären die Leute durch solche ersetzt worden, die zumindest einen neutralen Blick gehabt hätten.“Gab es jedoch in der Nachwendezeit genügend völlig unbelastete Juristen? Diese Frage muss wohl offen bleiben. Heute sind von den gut 1250 Staatsanwälten noch über 200 frühere Parteimitglieder. Immerhin schwindet ihr Anteil. Denn nach und nach scheiden sie aus Altersgründen aus dem Dienst.