Das Aus für den Adel vor 100 Jahren

Foto: Wolfgang Sauber, CC BY-SA 3.0

Ein Jahrhundert ist es her, dass hierzulande der Adel abgeschafft wurde. Die neue Tschechoslowakische Republik wollte sich damit gesellschaftlich von der Monarchie loslösen. Zugleich war es auch ein Ausdruck der antideutschen Stimmung.

Foto: Wolfgang Sauber,  CC BY-SA 3.0
Das erste Gesetz zur Aufhebung des Adels tritt am 10. Dezember 1918 in Kraft. Dort heißt es wörtlich:

„Adel und Orden sowie alle damit verbundenen Rechte werden aufgehoben. Dasselbe trifft auf jene Titel zu, die als reine Auszeichnungen verliehen wurden.“

Anderthalb Jahre später wird die Nutzung von Adelstiteln sogar unter Strafe gestellt. Bis zu 15.000 Kronen, damals eine Riesensumme, oder bis zu 14 Tage Haft können bei einem Verstoß verhängt werden.

Die neue Tschechoslowakei ist eine Republik. Deswegen will man mit der früheren Gesellschaftsordnung brechen. Zu Habsburger Zeiten hat der Adel immer eine herausragende Stellung gehabt. Vor allem aber stehen seine Ideale den Vorstellungen von einem Nationalstaat entgegen. Der Historiker Zdeněk Bezecný lehrt an der Südböhmischen Universität in České Budějovice / Budweis:

Zdeněk Bezecný  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Das Bürgertum war im 19. Jahrhundert der Sieger der Geschichte. Es hat die Nation durch gemeinsame kulturelle Werte und die Sprache definiert. Für den Adel war aber das Prinzip des Bodens wichtiger, das Inkolat-Recht. Wenn man also Eigentum in den böhmischen Ländern hatte, gehörte man dazu und saß im Landtag.“

Auch unter Aristokraten kommt es zwar im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Wandel, doch dies geschieht nur langsam:

„Ich denke, auch noch im 20. Jahrhundert konnte man aus dem Mund vieler hiesiger Adliger ein ernst gemeintes Bekenntnis zu ihrem Tschechischsein hören – das aber auf Deutsch ausgesprochen wurde.“

Schmerzlicher als die Aufhebung der Titel ist für die Blaublüter allerdings die Bodenreform von 1919. Bei diesem längst überfälligen Schritt verlieren sie einen Gutteil ihrer Ländereien. Da hinein spielt auch die Stimmung der Zeit. So wird den „deutschen“ Aristokraten angelastet, nach der Schlacht am Weißen Berg im Jahr 1620 die Macht hierzulande an sich gerissen zu haben. Damals waren die Truppen der protestantischen böhmischen Stände besiegt worden. In der Folge kam es zur Rekatholisierung des Landes und zu einem Niedergang der tschechischen Sprache.

Konstantin Kinský  (Foto: Vít Pohanka)
„Die Bodenreform von 1919 stand unter dem Motto ‚Tschechischer Boden in tschechische Hände‘. Man sagte, dass die Folgen der Schlacht am Weißen Berg rückgängig gemacht werden müssten. Damit wurde behauptet, dass der Adelsbesitz hierzulande durch die Ausbeuter nach der Schlacht entstanden sei und man die Geschichte korrigieren müsse. Dieser Zusammenhang war zwar ahistorisch, doch man brauchte damals einen Geschichtsmythos, der einfach zu erklären war für große Teile der Gesellschaft“, so Historiker Bezecný.

Was sich jedoch nicht leugnen lässt: In Böhmen ist es der Adel gewesen, der in der frühen Neuzeit die Gesellschaft versklavt hat – Stichwort „Zweite Leibeigenschaft“. Das unterscheidet ihn etwa von seinen Standesgenossen in Großbritannien oder den Niederlanden.

Nichtsdestotrotz bedeutet die Bodenreform in der Tschechoslowakei nach dem Ersten Weltkrieg noch nicht das Ende. Das kommt erst mit den Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg und zu Beginn der kommunistischen Herrschaft. Viele Angehörige adliger Familien fliehen deswegen.

Und heute? Der Gebrauch von Adelstiteln ist offiziell weiterhin verboten. Konstantin Kinský wurde in Paris geboren. Er stammt aus einem der ältesten böhmischen Geschlechter. Mit dem früheren Standesdünkel will er nichts zu tun haben. „Ich bin ein Fan der heutigen Republik“, so der Adelsnachkomme. Und man solle ihn doch lieber Kosťa nennen als „Herr Fürst“…