Antonín Panenka – der Elfmeter-Held von Belgrad wurde 70

Antonín Panenka (Foto: Martin Čuřík, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Wenn Sportler große Titel gewinnen, werden sie gefeiert. Wenn sie dabei noch etwas Außergewöhnliches vollbringen, werden sie zu Legenden. Solch eine Legende ist zweifellos der ehemalige Fußballer Antonín Panenka. Mit der Tschechoslowakei wurde er 1976 Europameister. Das entscheidende Tor schoss er im Elfmeterschießen im Finale gegen Deutschland. Am Sonntag feierte Panenka seinen 70. Geburtstag.

Antonín Panenka  (Foto: Martin Čuřík,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Ein Moment für die Ewigkeit! Am 20. Juni 1976 stehen sich beim Finale der Fußball-Europameisterschaft die Mannschaften aus Deutschland und der Tschechoslowakei gegenüber. Der entscheidende Treffer im Endspiel von Belgrad soll im Elfmeterschießen fallen. Es steht 4:3 für den Außenseiter, bevor – wie eben im legendären TV-Kommentar des Slowaken Karol Polák gehört – der 28-jährige Antonín Panenka vom Elfmeterpunkt schießt und trifft. Und das auf eine ganz besondere und bis dahin nicht gekannte Weise: Panenka stoppt kurz ab, schiebt die Stiefelspitze unter den Ball und lupft ihn ganz sanft in die Mitte des Tores. Dort hatte kurz zuvor noch Sepp Maier gestanden. Nun lag er machtlos in der Ecke, und die Tschechoslowaken feierten ihren ersten Titel. Zu seinem späteren Verhältnis zum ehemaligen deutschen Auswahltorwart erzählte Panenka einmal:

Sepp Maier  (links). Foto: Suyk,  Koen / Anefo,  Wikimedia Commons,  CC0 1.0
„Ja, wenn ich ehrlich bin: Ich weiß, dass Sepp Maier noch ein wenig böse auf mich ist. Aber ich weiß nicht warum. Damals habe ich in jenem Moment genau gewusst, dass ein Schuss in die Mitte die leichteste Weise ist, um ein Tor zu schießen. Nach diesem Treffer haben einige Zeitungen Maier damals als Clown verhöhnt, aber das war ungerecht. Ich wiederum wollte einfach nur ein Tor schießen.“

Im Juni 2011 begegneten sich Panenka und Maier in Prag erneut. Der Anlass war eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung initiierte Talkshow zu dem Endspiel von Belgrad, das damals 35 Jahre zurücklag. Die Niederlage selbst war für Sepp Maier kein Thema mehr. Doch vor Panenka, seinem Bezwinger im Elfmeterschießen, zog der Bayer bei dieser Gelegenheit seinen Hut:

Antonín Panenka: „Damals habe ich in jenem Moment genau gewusst, dass ein Schuss in die Mitte die leichteste Weise ist, um ein Tor zu schießen. Nach diesem Treffer haben einige Zeitungen Maier damals als Clown verhöhnt, aber das war ungerecht.“

„Ich habe nur bewundert, wie man in einem solch wichtigen Spiel so kaltschnäuzig sein kann und einen Elfmeter so schießt. Ich glaube, er hat ganz schön mit seiner sportlichen Karriere gespielt. Denn wäre ich stehen geblieben und hätte den Ball gefangen, dann hätten alle in der damaligen Tschechoslowakei gesagt, dass Panenka doch blöd ist, einen so wichtigen Elfmeter so lasch zu schießen. Da hätte er wahrscheinlich sportlich Schwierigkeiten bekommen. Aber ich habe ihm ja den Gefallen getan und den Elfmeter reingelassen.“

Panenka entgegenete damals, es sei für ihn kein Risiko gewesen, den Elfer mittig ins Tor zu lupfen. Er hatte seinen Kunststoß schließlich schon mehrfach im Training und der nationalen Liga gezeigt, was Maier jedoch nicht wusste. Zudem hatte sich die tschechoslowakische Mannschaft gut auf die EM-Endrunde vorbereitet, sagte Panenka:

Tschechoslowakei - Holland  (Foto: YouTube)
„Vor der Europameisterschaft haben wir in der tschechoslowakischen Nationalmannschaft nicht gedacht, dass wir so stark sind, um uns gegen Holland fürs Finale zu qualifizieren. Wir glaubten, dass – wenn Gott gibt – in unserer Kraft liegt, unentschieden zu spielen. Falls es auch nach der Verlängerung unentschieden gestanden hätte, wäre das Elfmeterschießen drangekommen. Und ich war überzeugt, dass ich auch gegen Holland dann den Elfmeter auf diese Art schießen würde. Wir haben aber in der Verlängerung 3:1 gegen Holland gewonnen, und es kam das Finale. Ich war aber schon zwei Monate vor der Europameisterschaft überzeugt, dass ich in einem möglichen Elfmeterschießen auf diese Art schießen werde.“

Antonín Panenka erfreute sich als schlitzohriger und technisch versierter Mittelfeldspieler sehr großer Beliebtheit in der Tschechoslowakei, aber auch in Österreich. Für seinen Stammverein Bohemians Prag, dessen Ehrenpräsident er bis heute ist, spielte Panenka seit frühester Jugend 23 Jahre lang. Nach seinem 32. Geburtstag wechselte er 1981 zu Rapid Wien, wo er bis 1985 spielte und dabei 77 Tore schoss.

Sepp Maier: „Ich habe nur bewundert, wie man in einem solch wichtigen Spiel so kaltschnäuzig sein kann und einen Elfmeter so schießt. Ich glaube, er hat ganz schön mit seiner sportlichen Karriere gespielt.“

Was die Fans von Bohemians Prag und seinen anderen Ex-Vereinen jedoch an „Tonda“ am meisten schätzen, ist seine offene und ehrliche Art. Trotz des Ruhms, den ihm der Elfer von Belgrad einbrachte, hat er sich nie wie ein Superstar gegeben. Seine Bodenständigkeit wurde ihm anerzogen:

„Ich will hier nicht nur sagen, dass ich noch die ´alte Schule´ habe. Aber was mir meine Eltern immer wieder gesagt und mit auf den Weg gegeben haben, war: Man soll im Leben immer ehrlich sein. Das würde ich mir auch für den Fußball wünschen – bei der Fifa, der Uefa und auch in den tschechischen Ligen. Und diese Ehrlichkeit muss für alle gelten, sowohl für die oberen als auch unteren Etagen unseres Sports.“

Für seinen Prager Stammverein war Panenka immer da, wenn er gebraucht wurde – als Spieler, als Präsident oder auch als Spender. Ausgerechnet im 100. Jahr nach der Vereinsgründung drohte Bohemians die Insolvenz. Die Fans haben sie jedoch durch eine beispiellose Spendensammlung abgewendet. Acht Jahre später musste der Club eine Rasenheizung installieren, um weiter im Oberhaus mitspielen zu können. Auch hierfür trugen die Fans und solvente Freunde des Vereins das dazu benötigte Geld zusammen. 8888 Kronen spendete der damalige Vereinspräsident Antonín Panenka:

„Ich habe sehr, sehr viele Jahre in dem Verein verbracht. Wir, die Kängurus, wären natürlich froh, wenn sich das Herz und der Fußball gegen die kommerziellen Interessen durchsetzen würden. Wir hoffen, dass alles gut geht, wir ein eigenes Dach über dem Kopf haben und hier weitermachen können.“

Für seine sportlichen Verdienste wurde Panenka mehrfach geehrt. Darunter sind auch ein paar außergewöhnliche Danksagungen. So wurde Panenkas Fußsohle auf einem Gehweg der Uferpromenade in Monaco verewigt. Auf diesem Walk of Fame ist Panenka nun in illustrer Gesellschaft mit weiteren Prominenten zu finden. Im Dezember 2015 wiederum durfte Panenka in Paris auch Glücksfee spielen. In der französischen Hauptstadt fand die Auslosung der Endrundengruppen zur Fußball-EM 2016 statt. Im Sommer jenes Jahres, als sich der EM-Titelgewinn zum 40. Male jährte, hat die tschechische Münzpräge in Janlonec nad Nisou / Gablonz eigens eine Münze mit dem Porträt des Elfmeter-Helden von Belgrad herausgebracht. Bei dieser Gelegenheit hat sich Panenka auch den Fragen von Radio Prag gestellt.

Antonín Panenka  (Foto: Dáša Kubíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Herr Panenka, 40 Jahre sind vorbei seit dem legendären Endspiel von Belgrad. Vieles ist über Ihren Elfmeter schon geschrieben und gesprochen worden. Meine Frage ist: Wie haben eigentlich die deutschen Spieler auf diesen Elfmeter reagiert? Haben Ihnen ein Beckenbauer, ein Hoeness oder ein Maier dazu später Ihre Meinung gesagt?

„Zuerst muss ich sagen, dass viele deutsche Spieler sehr enttäuscht waren, denn sie haben nur damit gerechnet, dass Deutschland Europameister wird. Gott sei Dank aber haben wir, die tschechoslowakische Mannschaft, das Elfmeterschießen gewonnen. Das war aber kein Zufall. Denn 14 Tage vor der Europameisterschaft waren wir im Trainingslager in der Hohen Tatra. Dort haben wir das Elfmeterschießen jeden Tag geübt, indem wir es als eine Art Turnier durchgeführt haben. Wir waren also sehr gut vorbereitet auf die Entscheidung in Belgrad. Das war unser Vorteil.“

Haben Sie Ihren ganz speziellen Elfmeter in der Hohen Tag geprobt oder war das für Sie eine intuitive Entscheidung, ihn in Belgrad „auszupacken“?

„Die Idee zu dieser Form der Elfmeterausführung habe ich zwei Jahre vor der Europameisterschaft bekommen. Danach habe ich den Elfer drei- bis viermal die Woche trainiert, und ich habe die Variante auch in Freundschaftsspielen gegen kleine Vereine ausprobiert. Später auch in der ersten tschechoslowakischen Liga, doch die höchste Ebene war schließlich die Europameisterschaft.“

Panenka: „Der Elfmeter war 100-prozentig ein entscheidender Einschnitt in meiner Karriere. Denn immer dann, wenn jetzt der Name Panenka fällt, sagen alle gleich: Elfmeter!“

Das Finale von Belgrad wurde europaweit, wenn nicht gar weltweit ausgestrahlt, und dieser Elfmeter hat daraufhin Ihr Leben verändert. Aus heutiger Sicht gesehen: Was hat sich seitdem positiv verändert, und was hat Ihnen seitdem vielleicht weniger Freude bereitetet?

„Der Elfmeter war 100-prozentig ein entscheidender Einschnitt in meiner Karriere. Denn immer dann, wenn jetzt der Name Panenka fällt, sagen alle gleich: Elfmeter! Auf der einen Seite bin ich sehr stolz und glücklich, mir einen berühmten Namen mit diesem Elfmeterschießen gemacht zu haben. Auf der anderen Seite aber bin ich auch ein bisschen enttäuscht. Ganz einfach deshalb, weil mein Credo war immer: Ich spiele stets für die Zuschauer, schieße dabei schöne Tore oder gebe gute Vorlagen zur Torerzielung. Alle diese Momente aber werden seitdem durch den Elfmeter von Belgrad in den Schatten gestellt und geraten in Vergessenheit. Denn der Elfer ist weitaus bekannter als all die anderen Dinge, die ich in meiner aktiven Karriere gezeigt habe.“

Autor: Lothar Martin
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