Streit um Merkel-Aussagen zu Vertreibung
Eine Rede von Bundeskanzlerin Merkel zum Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung hat für scharfe Kritik aus Tschechien gesorgt. Praktisch alle Spitzenpolitiker äußerten sich am Mittwoch zu dem Thema.
„Die Heimatvertriebenen waren Opfer, die bitteres Unrecht erlitten haben. Aber wir verkennen auch nicht Ursache und Wirkung: Vertreibung und Flucht der Deutschen waren eine unmittelbare Folge des von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkriegs und der unsäglichen Verbrechen während der nationalsozialistischen Diktatur. Doch das ändert nichts daran, dass es für Vertreibung weder eine moralische noch eine politische Rechtfertigung gab.“
Für den letzten Satz der Passage äußerte der tschechische Staatspräsident Miloš Zeman „tiefste Missbilligung“, wie ein Sprecher mitteilte. Auch die Parteivorsitzenden von Sozialdemokraten, Bürgerdemokraten, Top 09 und weiteren Parteien verurteilten Merkels Äußerungen. Premier Andrej Babiš nannte diese „absolut inakzeptabel“. Gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte der Regierungschef:
„Vor allem ist es gerade die Zeit, in der wir an die Opfer des Nazi-Terrors nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich erinnern. An Lidice, Ležáky und die Widerstandskämpfer. Ich habe das Gefühl, dass in Deutschland ein innenpolitischer Machtkampf stattfindet, und es ist sehr unglücklich, dass alte Wunden aufgerissen werden.“ Der Präsidentensprecher wiederum verwies in einer Twitter-Nachricht auf die Potsdamer Konferenz vom Juli 1945. Damals hätten die Alliierten die Vertreibung der Deutschen legitimiert. Tatsächlich billigten sie in Artikel XIII. des Abschlussberichts „die Ausweisung Deutscher aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn“.
„In einem Teil der tschechischen Gesellschaft hält sich der Glauben, dass die Alliierten bei der Potsdamer Konferenz die Aussiedlung entschieden hätten. Das ist aber nicht wahr. Die tschechoslowakische Regierung war entschlossen, die Aussiedlung mit jeglichen Mitteln in größtmöglichem Umfang durchzuführen, und das auch ohne internationale Zustimmung.“
„Es handelt sich nicht um eine Polemik mit den deutschen Nachbarstaaten, und es wird auch nicht das Fundament der Deutsch-Tschechischen Erklärung angezweifelt.“
In ähnlichem Geist äußerte sich auch der Piraten-Abgeordnete Mikuláš Peksa:
„Die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997 räumt ein, dass beide Seiten unterschiedliche Ansichten auf die Vergangenheit haben mögen, aber damit nicht ihre künftigen Beziehungen belasten wollen. Das gilt weiter, und danach werden wir uns richten. Die Aussagen von Frau Merkel verstehe ich als Teil einer innerdeutschen Debatte, die für uns in Tschechien keine Bedeutung hat.“