Bittengel: Pilsen ist homogenes Team – Dukla ist Ausbildungsverein

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Etwas im Schatten von Olympia ist am vergangenen Wochenende die erste tschechische Fußball-Liga in ihre Rückrunde gestartet. Zum Stand der Dinge, und speziell zum Verein Dukla Prag hat Radio Prag mit dem ehemaligen Bundesligaprofi Günter Bittengel gesprochen.

Günter Bittengel  (Foto: David Sedlecký,  CC BY-SA 3.0)
Günter Bittengel hat von 1991 bis 1996 für Bayer Uerdingen in der ersten Bundesliga gespielt. Heute ist der 51-Jährige Sportdirektor bei Dukla Prag.

Herr Bittengel, in der tschechischen HET-Liga herrschen zurzeit deutsche Verhältnisse. Wie der FC Bayern in der Bundesliga ist mit Plzeň / Pilsen eine Mannschaft der Konkurrenz weit enteilt. Hinter den Westböhmen kommt ein großes Loch, und erst dann folgt der Rest des Feldes. Ist das gut oder schlecht für die Liga?

„Das ist nichts Außergewöhnliches. Da brauchen wir neben der Bundesliga nur nach Spanien oder England zu schauen, wo mit dem FC Barcelona und Manchester City auch je ein Team einsam an der Spitze thront. Immer wieder kommen einzelne Top-Mannschaften in eine Phase, in der sie so stark sind, dass die Anderen nicht mithalten können. Für mich ist das eine ganz normale Erscheinung im Fußball.“

Warum marschiert aber gerade Pilsen in dieser Saison derart stramm vorneweg und gibt der Konkurrenz das klare Nachsehen?

„Das ist ganz einfach. Pilsen hat seinen vorherigen Erfolgstrainer Pavel Vrba zurückgeholt. Er hat schon vordem (2008 bis 2013, Anm. d. Red.) überragende Arbeit dort geleistet. Die anderen Top-Favoriten der Liga wie Slavia Prag und Sparta Prag haben auf eine andere Karte gesetzt: Sie haben viele ausländische Spieler verpflichtet. Darunter waren aber einige Spieler, die sich in der tschechischen Liga nicht zurechtfanden, und andere, die bisher weit unter ihren Möglichkeiten geblieben sind. Demgegenüber hat Pilsen eine gute, kompakte Mannschaft mit vielen tschechischen Nationalspielern. Trainer Vrba weiß deren Fähigkeiten genau einzuschätzen, daher hat er aus den Einzelkönnern ein homogenes Team geformt. So hat Pilsen nicht von ungefähr ein Spiel nach dem anderen gewonnen, während die Konkurrenz mehrfach patzte. Daraus ist dann der 14-Punkte-Vorsprung entstanden.“

Günter Bittengel: „Pilsen hat seinen vorherigen Erfolgstrainer Pavel Vrba zurückgeholt. Er weiß die Fähigkeiten seiner Spieler genau einzuschätzen, daher hat er aus den Einzelkönnern ein homogenes Team geformt.“

Noch ein Wort zu den vorherigen Mitfavoriten Slavia Prag und Sparta Prag. Beide sind mit zwei völlig anderen Modellen in die laufende Saison gestartet: Slavia hat dank chinesischen Kapitals auch einige Ausländer angeheuert. Sparta hingegen hat mit inländischem Privatkapital gleich eine ganze Reihe von ausländischen Spielern geholt – und dazu noch einen ausländischen Trainer. Was halten Sie von diesen Modellen? Sind sie gescheitert, oder war es das Experiment wert?

„Für mich ist es ziemlich schwer, aus der Ferne einzuschätzen, ob diese beiden Clubs ihre Arbeit gut oder weniger gut machen. Das ist auch nicht meine Aufgabe. Als Sportdirektor von Dukla Prag kümmere ich mich um den eigenen Verein. Meine persönliche Auffassung aber ist die, dass diese Modelle für die gesamte tschechische Liga nicht gerade der richtige Weg sind. Denn in Tschechien haben wir durchaus genügend Talente, sie müssen sich aber auch beweisen können und in der ersten Liga häufig spielen. Die meisten Talente haben ausgerechnet Slavia und Sparta Prag. Wenn man aber in diesen Vereinen vermehrt auf Ausländer setzt, dann wird auch die Entwicklung des eigenen Nachwuchses gestoppt. Es kann dann zwei, drei oder fünf Jahre dauern, bis sich in diesen Clubs ein paar junge Spieler durchsetzen. Das ist für meinen Geschmack viel zu wenig. Aus meiner Sicht wäre es besser, wenn diese Vereine ihr Geld in zwei, drei echte Top-Spieler investieren würden, von denen unsere jungen Spieler dann viel lernen können.“

Dass die Zusammensetzung der Kader in vielen tschechischen Clubs nicht stimmt, hat man ebenso in den internationalen Wettbewerben gesehen. Sowohl in der Champions-League-Qualifikation als auch in der Europa League sind die tschechischen Mannschaften ziemlich untergegangen. Nur Pilsen hält jetzt noch die Fahne hoch. Ist es deshalb wichtig, dass Pilsen in der Europa League noch kräftig punktet und damit den tschechischen Punkte-Koeffizient für die nächste Saison weiter verbessert?

„Ganz klar: Unsere Top-Mannschaften wie Sparta, Slavia und Pilsen müssen die Punkte holen, denn sie haben auch die besten Voraussetzungen dafür. Sie haben das meiste Geld und die besten Spieler. Gott sei Dank hat wenigstens die Arbeit des Trainers und der Mannschaft aus Pilsen Hand und Fuß, denn dort wird nicht so viel herumexperimentiert. Nur das Geld allein bringt noch keinen Erfolg, dazu muss jede Menge gute Arbeit geleistet werden. Und das machen die in Pilsen sehr gut.“

Fußballspieler des FC Pilsen  (Foto: ČTK)
Zur Liga bitte abschließend noch Ihr Tipp: Also der Meistertitel sollte vergeben sein, doch wer kommt nach Pilsen in der Tabelle ein?

„Natürlich die beiden anderen starken Mannschaften, also Slavia und Sparta. Meiner Meinung nach stehen deren Chancen 50:50, was den zweiten Platz angeht. Es wäre für mich eine große Überraschung, wenn noch eine dritte Mannschaft ins Spiel kommen sollte.“

Wenn also Olomouc / Olmütz weiter auf dem dritten Platz bleiben würde, wäre dies eine kleine Sensation…

„Auf jeden Fall. Olmütz hat eine sehr junge Mannschaft, doch die Rückrunde wird für sie nicht so euphorisch und locker-leicht verlaufen wie die Hinrunde.“

Dukla Prag  (Foto: ČTK)
Kommen wir nun aber zu Ihrer Mannschaft. Dukla Prag hat sich nach der Herbstserie auf dem zehnten Platz einrangiert. Wie sind Sie mit dem Abschneiden der Mannschaft bisher zufrieden?

„Wir schauen nicht auf unsere Platzierung, sondern vielmehr auf unsere Punkte. Und wir schauen darauf, welche Leistung die Mannschaft im zurückliegenden halben Jahr gezeigt hat – und damit sind wir insgesamt zufrieden. Die Mannschaft ist völlig neu zusammengestellt, nach der vergangenen Saison hatten uns elf Stammspieler verlassen. Im vergangenen Sommer haben wir daher viele junge Spieler in den Kader aufgenommen. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten, die man erwarten konnte, hat sich die Truppe ziemlich schnell gefangen. Trainer und Mannschaft arbeiten gut zusammen, ständig kann man kleinere Verbesserungen beobachten. Von daher hoffe ich, dass wir auch in der Rückrunde noch viele Punkte sammeln werden. Dazu wäre ein guter Start wünschenswert.“

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Was lief gut, und was lief weniger gut? Nimmt man die Spiele etwas genauer unter die Lupe, dann kann man erkennen: Zuhause war die Mannschaft oft erfolgreich und trat entsprechend selbstbewusst auf. Dagegen haperte es auswärts noch gewaltig…

„Wie ich schon sagte: Wir haben sehr viele neue Spieler im Team. Das bedeutet auch, dass die Taktik und die Spielweise, die wir zeigen wollen, von jedem Akteur nicht im Handumdrehen zu lernen ist. Leichter ist es für unsere Nachwuchsspieler, die von den Junioren oder der A-Jugend zum Männerteam gestoßen sind. Sie kennen unsere Spielweise, haben andererseits aber wenig Erfahrung und machen Fehler. Die Spieler, die von anderen Vereinen zu uns gekommen sind, haben ein gutes technisches Rüstzeug. Aber sie müssen sich erst an unser Spielsystem gewöhnen, und das dauert. Manche schaffen dies in drei Monaten, manche in sechs, andere brauchen dazu ein ganzes Jahr. Und diejenigen, die es nicht kapieren, von denen trennen wir uns. Das heißt, wir sind nicht in Panik. Wir wollen in aller Ruhe arbeiten und hoffen, dass unser Weg der richtige ist. Das sehen wir dann, wenn die Spieler ruhiger agieren werden und unser System verinnerlicht haben. Dann gehen sie besser und konzentrierter auf dem Spielfeld zu Werke.“

Welche Rolle will Dukla Prag in der ersten tschechischen Liga spielen? Ist Dukla ein Ausbildungsverein?

Petr Paukner  (Foto: David Sedlecký,  CC BY-SA 4.0)
„Exakt, so ist es. Wir wollen ein Ausbildungsverein sein, in dem viele junge Spieler zum ersten Male in Kontakt mit der Top-Liga kommen. Wir wollen ihnen Spielpraxis geben mit der Vorgabe, dass wir uns möglichst oft im Mittelfeld aufhalten, und dass wir unseren Zuschauern guten Fußball bieten.“

Gibt es aber vielleicht nicht auch ein kleineres Ziel, eine bestimmte Motivation? In dieser Saison zum Beispiel, dass Dukla möglichst nicht die schlechteste der Prager Mannschaften ist, sondern einen Konkurrenten wie Bohemians 1905 noch als dritte Kraft in der Hauptstadt verdrängt?

„Für die Fans ist das womöglich wichtig, für uns weniger. Für uns als Vereinsvorstand ist es wichtiger zu sehen, wie sich die Mannschaft entwickelt, wie sie Stück für Stück besser wird. Und sollte wider Erwarten ein bisschen mehr Geld in die Vereinskasse fließen, gäbe uns dies eventuell die Möglichkeit, noch zwei, drei gute Spieler zu holen. Das wiederum sollte den Level der Mannschaft weiter nach oben schrauben. Mit dem, was uns gegenwärtig zur Verfügung steht, arbeiten wir meiner Meinung nach optimal.“

Apropos Geld. Wie finanziert sich der Verein eigentlich?

„Der Clubbesitzer ist der Unternehmer Petr Paukner, Eigner des Energiekonzerns Carbounion (der Millionär hat Dukla 2013 gekauft, Anm. d. Red.). Er steckt das meiste Geld in den Verein. Hinzu kommen TV- und Werbegelder, doch den Löwenanteil zahlt der Clubbesitzer.“

Bittengel: „Dukla will ein Ausbildungsverein sein, in dem viele junge Spieler zum ersten Male in Kontakt mit der Top-Liga kommen. Wir wollen ihnen Spielpraxis geben mit der Vorgabe, dass wir uns möglichst oft im Mittelfeld aufhalten, und dass wir unseren Zuschauern guten Fußball bieten.“

Mir ist aufgefallen: In der Vorbereitung auf die Rückrunde hat Dukla sehr oft gegen deutsche Mannschaften gespielt. Ist das ein Zufall, oder stecken da Ihre guten Kontakte dahinter?

„Nein, das ist kein Zufall. Der erste Grund ist der, dass Deutschland unser Nachbar ist. In Deutschland gibt es viele gute Mannschaften, angefangen von der ersten bis runter zur vierten Liga, Wir haben zum Beispiel gegen den Viertligisten Energie Cottbus verloren. Klar habe ich noch ein paar Kontakte nach Deutschland, und es macht sich auch bezahlt, wenn man gegen bessere Mannschaften antritt. Gerade diese internationalen Begegnungen sind wichtig für unsere jungen Spieler, die regelmäßig auf dem Platz stehen.“

Weil sie dann auch sehen können: Es gibt noch andere Arten, Fußball zu spielen…

„Sowohl eine andere Art des Fußballs als auch ein anderes Niveau. Wenn man wie wir zum Beispiel gegen RB Leipzig spielt, dann sieht man auch, wo die Akteure des Gegners bereits stehen und wo unsere Spieler. Doch gerade unsere Jüngsten können sich davon vieles abschauen und müssen weiter fleißig lernen.“

Autor: Lothar Martin
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