Immer im Felde – General Laudon und die böhmischen Länder
Kaum ein General ist auch im tschechischen Volksmund so bekannt wie Gideon Ernst von Laudon – ein österreichischer Feldmarschall, der sich vor allem in den Kriegen gegen Preußen und das Osmanische Reich hervorgetan hat. Mehrere erfolgreiche Schlachten schlug er dabei auch in den böhmischen Ländern. Ein Porträt anlässlich des 300. Geburtstags von General Laudon.
„Preußen-König Friedrich II. belagerte damals Olmütz. Als seine Versorgungskompanie an unserer Gemeinde vorbeiritt, wurde sie von den Österreichern unter der Führung von General Laudon angegriffen und vernichtend geschlagen. Dies hatte für die Preußen fatale Folgen, denn Friedrich hatte sich entschieden, mehrere Versorgungstruppen zu einer großen zusammenzuführen. Sein Gedanke war gewesen, dass diese sich besser verteidigen ließen als mehrere kleine Geleitzüge. Diese Strategie erwies sich aber als falsch. Für die Preußen bedeutete diese Niederlage den Verlust aller zur Verfügung stehenden Vorräte an Proviant und Munition. Friedrich musste die Belagerung von Olmütz abbrechen und zog sich nach Böhmen zurück. Das war allerdings dramatisch für die Bewohner dieses Landesteils: Zahlreiche Dörfer wurden niedergebrannt, die damalige Lage kann man sich heute gar nicht vorstellen.“
Ein Gut in Mittelböhmen
Ernst Gideon Laudon wird für diesen Sieg zum Feldmarschall ernannt. Es folgt ein weiterer Erfolg, der Sieg über die preußischen Truppen beim sächsischen Hochkirch. Als Belohnung erhält er das Großkreuz des Militär-Maria-Theresia-Ordens, die höchste österreichische Auszeichnung überhaupt. Dazu wird Laudon in den Adelsstand erhoben und erhält die Herrschaft Bečvárky in Mittelböhmen. An das ruhige Leben eines Adeligen kann und will er wohl auch nicht denken. Noch im selben Jahr 1759 wird er nach Trutnov / Trautenau in Nordostböhmen abkommandiert, wo erneut die Preußen angreifen. Laudon besiegt sie und zieht weiter nach Schlesien. Seine Truppen bestehen laut den zeitgenössischen Quellen aus mehr als 18.000 Soldaten.Die Karriere des Feldherrn war unter den damaligen Umständen sehr ungewöhnlich. Er stammte aus einer armen Familie in Livland, einer historischen Landschaft im Baltikum. Weil das Geld fehlte, besuchte er nicht einmal die Schule. Das heißt, lesen und schreiben konnte er nur schlecht, und Französisch – die damalige Sprache des Adels – konnte er nur bruchstückhaft. Eine Anstellung in der Armee schien der Ausweg aus der schwierigen Lage. Laudon diente zunächst in den Truppen der russischen Zarin Katharina der Großen. Als er nach Hause zurückkehrte, drohte seinen Eltern die Pfändung des Hauses. Er wollte ihnen helfen, die Schulden zu tilgen und bewarb sich als Söldner bei der schwedischen und dann der preußischen Armee. Doch erfolglos. Laudon bat sogar um eine Audienz beim preußischen König. Nach vier Monaten bangen Wartens ging er nach Wien. Dort durfte er einrücken und konnte in Folge seine militärischen Fertigkeiten unter Beweis stellen. Die Preußen dürften dies schwer bedauert haben, sagt Pavel Bělina, Historiker an der Prager Karlsuniversität.
„Selbst der preußische König soll gesagt haben, es sei schwer, einen Soldaten ins Feuer von zweihundert Kanonen bringen, die alles in kleine Stücke schießen. Dies gehe nur, wen man ihm seine Vorgesetzten noch größere Angst machen als seine Feinde. Dem entsprach auch die damalige militärische Taktik. Die Truppen marschierten hintereinander in langen, schmalen Reihen auf, was zwei oder drei Stunden dauern konnte. Jeder Soldat wurde dabei beobachtet, tanzte er aus der Reihe, wurde er sofort bestraft. Laudons Soldaten waren aber weniger diszipliniert, daher musste er improvisieren. Er stellte dem Feind häufig Fallen. In dem Sinn kann man ihn sogar als Erfinder des Partisanenkriegs bezeichnen. Auf diese Taktik waren aber die Preußen nicht eingestimmt. Mit jenen, die nicht nach bestimmten Regeln kämpfen, könne man nicht mithalten, hieß es.“Rücktritt im Siebenjährigen Krieg
1761 kehrt Laudon auf seine Herrschaft in Bečvárky zurück und bittet Maria Theresia um die Entlassung aus dem Militärdienst. Er ist enttäuscht von den Russen, den Verbündeten der Habsburger im Siebenjährigen Krieg. Die Kaiserin willigt ein, der General zieht sich daher für fast zwei Jahre zurück. Die Historiker vermuten, dies sei der entscheidende Moment gewesen, der zur Niederlage der Habsburger im Siebenjährigen Krieg führte. Die Böhmischen Länder verlieren definitiv den größten Teil Schlesiens. Doch die früheren Erfolge von General Laudon dürften wichtig gewesen sein, glaubt Pavel Bělina. Denn andernfalls wäre die Habsburger Monarchie unter dem preußischen Druck vielleicht sogar auseinandergefallen, so der Historiker:„Damals stand sogar die Teilung der Erbschaft von Maria Theresia zur Debatte, was auch die Böhmischen Länder betroffen hätte. Diese wären dann auseinandergerissen worden – also nicht nur Schlesien, aber auch Böhmen und Mähren. Und das hätte fatale Folgen gehabt für die spätere Formierung des modernen tschechischen Volkes. Die Schlesier wurden unter der preußischen Herrschaft relativ schnell germanisiert. Wenn Böhmen zu einem Teil des Bayerischen Königreiches geworden wäre, hätte es wahrscheinlich das gleiche Schicksal erwartet.“
Mit dem Siebenjährigen Krieg hat General Laudon aber noch nicht sein letztes Wort gesprochen. Er beteiligt sich an mehreren kleinen Auseinandersetzungen, bis eine wirklich bedeutende kommt: 1788 beginnt der Krieg mit dem Osmanischen Reich. Laudon bietet Kaiser Josef II. sofort seine Dienste an, dieser lehnt aber zunächst ab. Als dann die Lage immer bedenklicher wird, kann sich Laudon doch in Szene setzen. Unter Führung des 72-jährigen Militärs besiegt Österreich 1789 nach harten Kämpfen endgültig die Osmanen. Gideon Ernst von Laudons Rückkehr nach Wien gerät danach zum Triumphzug.„Himmel, Laudon!“
Und noch einmal – und zum letzten Mal – kehrt der berühmte General in die böhmischen Länder zurück. Im Juni 1790 quartiert er sich in Nový Jičín / Neutitschein ein, um die militärische Absicherung der schlesischen Grenze zu kontrollieren. Am 8. Juli fühlt er sich schlecht und legt sich ins Bett. Doch von dort steht er nie wieder auf. Laudon schafft es noch, vor dem Tod sein Testament zu diktieren. Dieses enthält einen interessanten Absatz. Es geht um die finanzielle Absicherung eines kleinen Mädchens, das er aus dem Feldzug gegen die Osmanen nach Österreich gebracht hat und taufen ließ. Wahrscheinlich war das Mädchen eine Kriegswaise.
Nach dem Tod von Laudon wird Nový Jičín zum Wallfahrtsort. Eine Reihe von Feldherrn und Herrschern kommt, um Laudons Todesstatt zu besuchen. Die Menschen sowohl in Österreich als auch in Böhmen ehren aber den genialen Feldherrn bis heute. Wenn etwas schiefgeht, heißt es auch hierzulande: „Himmel, Laudon!“