Lange missachtet und wieder hoch geschätzt – Religiöse Kleindenkmäler in Ostmähren
Kapellen, Heiligen-Statuen, Kreuze oder Marterl – Objekte der sogenannten religiösen Kleinarchitektur gehören eigentlich zum Landschaftsbild in Böhmen und Mähren. Als besondere Punkte zur Danksagung, Bittstellung und Andacht spielten sie eine bedeutende Rolle im Leben vieler Generationen. Mit der Machtübernahme durch die Kommunisten 1948 kam es allerdings zu einem radikalen Bruch mit der Vergangenheit. Dieser hatte auch ernsthafte Konsequenzen für die Wahrnehmung des religiösen Kulturerbes. So auch in Südostmähren, wo die Frömmigkeit der Bevölkerung traditionsgemäß tief verwurzelt ist.
Deutlich wurde das neue Verhältnis zu den Kunstwerken auch gleich bei der sogenannten Kollektivierung der Landwirtschaft, die nach 1950 in die Wege geleitet wurde. Die zusammengelegten Ackerflächen nahmen oft ein kaum überschaubares Ausmaß an. Das bedeutete vor allem einen brutalen Eingriff in die Landschaft. Doch fatale Folgen hatte die Kollektivierung eben auch für viele Kleindenkmäler. Ein Großteil verlor seine ursprüngliche Bedeutung, nachdem sich ihr Standort nun in einem veränderten Umfeld befand. Aleš Naňák arbeitet in der Abteilung Denkmalpflege beim Bezirksamt Zlín:
„Früher wusste man sehr gut, wo das jeweilige Objekt platziert werden sollte. Auch als landschaftsbildendes Element. Das wurde aber auf einmal nicht mehr in Betracht gezogen. Und so kam es nicht selten vor, dass sich ein Kleindenkmal, das ursprünglich seinen Standort zum Beispiel an einem Kreuzweg zwischen Feldern hatte, plötzlich inmitten einer großen Ackerfläche befand. Bei Feldarbeiten standen diese Objekte den dort arbeitenden Maschinen natürlich im Weg und wurden oft beschädigt oder zerstört. Zur Verantwortung wurde dafür niemand gezogen. Viele der Objekte fielen auch dem Vandalismus zum Opfer.“Religion sollte aus dem öffentlichen Leben verschwinden
Hand in Hand mit dem Vorgehen der Staatsgewalt beim Umgang mit religiösen Denkmälern, ging die Vernachlässigung der sakralen Architektur als solcher. Ihre mangelhafte Instandhaltung führte in den nachfolgenden Jahrzehnten zum fortschreitenden Verfall der Bausubstanz sowie zur Verwüstung der Innenräume. Aleš Naňák macht in diesem Zusammenhang einen kurzen Abstecher in die Vergangenheit, als die Errichtung eines religiösen Denkmals an strikte Regeln gebunden war:„Ein religiöses Denkmal zu errichten war seinerzeit gar nicht so einfach. Erstens musste es finanziell abgesichert sein. Ebenso wichtig war, im Vorhinein eine Steinmetzwerkstatt in der Nähe zu finden. Wenn beides vorhanden war, brauchte man eine Weiherlaubnis der Kirche. Diese konnte aber nur das erzbischöfliche Konsistorium erteilen, das aufgrund einer Reihe von Angaben vorging. Als relevant galt, wer hinter dem Projekt stand und was sein Leitmotiv war. Am wichtigsten allerdings war, ob alle eigentumsrechtlichen Fragen im Zusammengang mit dem geplanten Vorhaben gelöst sind. Die vorhandenen Finanzmittel sollten eine Garantie dafür sein, dass zum Beispiel ein zu errichtendes Kreuzmonument über einen längeren Zeitraum und womöglich sogar für alle Zeiten ordentlich gepflegt werden konnte.“
In den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es eine andere Art von „Regeln“. Es war gang und gäbe, dass viele der Heiligen-Standbilder ihre traditionellen Standorte in den Städten und Dörfern räumen mussten. Und das für immer. Ein Beispiel: Die Statue des heiligen Johannes Nepomuk aus dem Jahr 1747 und Dominante des Hauptplatzes in Valašské Klobouky musste bis 1997 im Abseits stehen. Die von den offiziellen Stellen systematisch praktizierte Gehirnwäsche wirkte sich negativ aus auf die Denkweise eines Großteils der Bevölkerung. Eine der Folgen war die wachsende Entfremdung vom religiösen baukulturellen Erbe. Diese nahm im Laufe der Zeit verschiedene Formen an, absolute Respektlosigkeit mit eingeschlossen. Fälle von der gewaltsamen Beschädigung eines Objekts wurden 1967 zum Beispiel im wallachischen Brumov verzeichnet. Es ging um die Fenster und Türen der Kapelle der heiligen Anna. Es wurde sogar geschossen in ihrem Innenraum. Die Täter wurden nicht gefunden. Eine Rekordzahl von Schäden erlitt die Abbildung der Heiligen Familie, die bis 2014 an einem Gedenkbaum befestigt war. Die Daten von insgesamt 14 Vorfällen findet man auf der Rückseite des Bildes. Sie umfassen den Zeitraum zwischen den Jahren 1976 und 2006.Die Renaissance der religiösen Kleindenkmäler
In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob man heutzutage – 26 Jahre nach der politischen Wende von 1989 in der Tschechoslowakei – von einer positiveren Entwicklung sprechen kann, konkret in Südostmähren. Aleš Naňák:„In den vergangenen zehn oder fünfzehn Jahren hat sich das Verhältnis der kleinen mährischen Dörfer zu ihren Kulturgütern, darunter auch den religiösen, deutlich verbessert. Das Interesse der Bürgermeister sowie Bewohner, sie zu renovieren, ist gewachsen. Inwieweit ihr Engagement auch auf einem geistigen Fundament begründet steht, wage ich nicht zu sagen. Das Bewusstsein von historischen Traditionen und Kulturdenkmälern fehlt aber bestimmt nicht.“
Auf einen grundsätzlichen Wandel wird man aber noch warten müssen. Gerade auf der geistigen Ebene braucht es noch Zeit. Es wird noch dauern, bis sich die zuständigen regionalen Amtsträger und ihre Mitbürger mit einem einst geschätzten ortsgebundenen Denkmal identifizieren können. Auch in Südostmähren, das sich im Vergleich zur Mehrheit der anderen Regionen hierzulande durch eine höhere Religiosität auszeichnet. Man setze schon konkrete Vorhaben um, so Naňák, doch nicht immer sei der anfängliche Eifer von langer Dauer.
„Es passiert manchmal, dass sich ein paar Menschen, ein Verein oder eine Gemeinde für ein religiöses Denkmalprojekt begeistern. Für ein Kreuz zum Beispiel. Sei es seine Renovierung oder Wiedererrichtung. Nach einiger Zeit findet dann die feierliche Weihe statt. Aber schon nach einem Jahr zum Beispiel merkt man, dass sich das Monument nicht im besten Zustand befindet. Wenn man nach dem Grund fragt, sagt dann einer mit einem Achselzucken, ihm gehöre es doch nicht. Es möge die Sache vor allem derjenige lösen, der damit von Anfang an am meisten beschäftigt war. Und gleich ist ein Problem da. Vor allem aber ist so etwas unwürdig des betreffenden Bauwerks, das eine Botschaft vermitteln soll.“Aber wie ist es eigentlich um die Entstehung neuer Objekte religiöser Kleinarchitektur und das Engagement von Bürgerinitiativen im Kreis Zlín bestellt?
„Es gibt sie, allerdings nur sporadisch. Hierzu möchte ich stellvertretend ein positives Beispiel erwähnen. Im Zlíner Vorort Příluky wurde im Vorjahr eine nagelneue Statue des heiligen Antonius von Padua geweiht. Der Schutzpatron der Kinder, Familien, Senioren und armen Menschen stand hier schon in den 1930ern. Schon 30 Jahre später passte er aber nicht mehr in die Zeit des deklarierten Fortschritts und wurde zerstört. Zurück blieb nur der Sockel. Irgendwann nach dem Jahr 2000 entschied sich eine mutige Frau, alles in ihren Kräften liegende zu tun, um eine Statue des heiligen Antonius aus der Taufe zu heben. Durch ihre Entschlossenheit und Unnachgiebigkeit in der Angelegenheit gewann sie später noch andere Enthusiasten, die sie im Projekt unterstützt haben. Dank einer Spendensammlung konnte man letztlich die Antonius-Statue finanzieren und im Juni 2015 konnte sie geweiht werden. Wie gesagt allerdings: So etwas kommt nicht oft vor.“ Die Instandhaltung und Renovierung aller religiösen Denkmäler ist eine kostspielige Angelegenheit, auch wenn sich die öffentliche Hand – also das Bezirksamt wie auch das Kulturministerium – daran beteiligt. Mit ihren Mitteln konnten in den letzten Jahren mehrere Dutzend Objekte in den vier Bezirken im Kreis Zlín renoviert werden. Für alle, die es dringend bedürfen, reicht das Geld aber nicht. Als Sachkundiger im Bereich der Denkmalpflege im Kreis Zlín und obendrein gebürtiger mährischer Walache Naňák hat eine gute Übersicht, wie viele von den so genannten Kleindenkmälern auf seinem Gebiet zu finden sind:„Allein auf dem Gebiet des Dekanats Valašské Klobouky geht es um mehrere Dutzend. Auf dem ganzen Gebiet Südostmährens sind es im Schnitt mehrere hundert und in der ganzen Region über ein Tausend.“
Abschließend sollte eine Sache nicht unerwähnt bleiben. In der Landschaft Südostmährens ist eine ganze Reihe von religiösen Denkmälern noch bis 1958 aufgestellt worden. Dies trotz der herrschenden politischen Verhältnisse. Zum Beispiel die Steinkreuze in Slopný und Štítné nad Vláří-Pláňavy, das Marterl in Popov, die Kapelle von Hložec und etliche mehr. Dass dies damals möglich war, schreibt Aleš Naňák den Menschen zu, die dazu den Mut fanden.