Tenor Pavel Černoch: Ich habe noch viele Traumrollen
Der Prinz in Dvořáks Rusalka, Števa oder Laca in Janáčeks Jenufa, aber auch Alfredo in Verdis La Traviata oder Lenski in Tschaikowskis Eugen Onegin. Dies sind nur einige der Rollen, in denen sich der momentan meist gefragte tschechische Tenor Pavel Černoch bisher vorgestellt hat. Er tritt in renommierten Opernhäusern auf, darunter in der Bayerischen Staatsoper München, im Opernhaus Zürich oder in der Mailänder La Scala. Der aus Brünn stammende Künstler singt auch bei internationalen Festivals. Im Sommer stelte er sich bei den Bregenzer Festspielen in der Titelrolle der Oper „Hamlet“ von Franco Faccio vor. Die Prager Musikliebhaber konnten den Tenor beim diesjährigen Musikfestival „Dvořáks Prag“ erleben. Radio Prag hat mit Pavel Černoch über seine Opernanfänge sowie die Pläne für die Zukunft gesprochen.
„Zur ersten Frage: Der Weg war nicht einfach und ziemlich lang. Ich habe erst mit 30 Jahren richtig in der Oper debütiert. In diesem Alter haben die Sänger manchmal schon zehn Jahre hinter sich auf der Bühne. Der Weg war aus dem Grund nicht einfach, weil meine Stimme von Anfang an wahrscheinlich nicht ganz einfach zu beherrschen war. Zweitens stamme ich aus keiner Musikerfamilie, sodass mich niemand richtig beraten konnte. Einen guten Gesanglehrer zu finden, ist ein Meisterstück. Dies ist für niemanden einfach. Ich hatte nicht immer Glück dabei. Mit 25 Jahren habe ich erstmal aufgehört zu singen. Es war so schlecht war, dass ich überhaupt nicht weiter wollte. An der Janáček-Akademie habe ich Gesang nur ein Semester lang studiert, weil ich mit dem Unterricht dort nicht einverstanden war. Die Theoriestunden sahen ganz anders aus, als es mir meine Lehrerin gesagt hat. Wir haben gestritten, und es wurde mir empfohlen, die Akademie zu verlassen. Danach habe ich noch zwei Jahre lang in Bratislava studiert. Das war auch nichts für mich. Erst mit 25 Jahren habe ich meinen derzeitigen Gesanglehrer gefunden und er hat mir geholfen.“
Haben Sie ihn in Italien getroffen?„Ja, genau. Er stammt aus Florenz. Damals war er völlig unbekannt, aber heute ist er schon sehr etabliert in der ganzen Welt. Er hat meine Stimme befreit, ich habe keine Schmerzen mehr nach dem Singen und genug Ausdauer. Es ist so, wie ich es mir wünschte. Ich kann den Gesang genießen es ist kein ewiger Kampf mehr.“
Sie stammen zwar nicht aus einer Musikerfamilie, aber waren aber trotzdem im renommierten Kinderchor Kantiléna, wo beispielsweise auch Magdaléna Kožená gesungen hat. Haben Sie schon in der Kindheit mit dem Chor in der Oper mitgewirkt?
„Nach der Probe mit dem Kinderchor bin ich noch in der Oper geblieben.“
„Der Kinderchor war eine Sache des Talents. In der Grundschule habe ich beispielsweise auch Schwimmkurse und Judo gemacht. Als ich 7 oder 8 Jahre alt war, kam Professor Sedláček vom Kantiléna-Chor in unsere Klasse, um neue Talente zu finden. Meine Lehrerin forderte mich auf, ein Volkslied zu singen, weil ich ihrer Meinung nach eine schöne Stimme hatte. Mir ist aber nie vorher die Idee gekommen, irgendwo zu singen. Ich habe das Lied ‚Za starú Breclavú‘ gesungen und wurde in den Chor aufgenommen. Dort hat es mir sehr Spaß gemacht – nicht nur das Singen, sondern auch die ganze Atmosphäre und die Reisen, denn waren einige Mal im Jahr im Ausland. Das war für mich sensationell. Als Residenzkinderchor der Brünner Philharmonie und der Oper haben wir in der Oper mitgewirkt: in Dvořáks Jakobiner oder in Bizets Carmen. Ich war begeistert und fand es phantastisch. Nach der Probe bin ich immer in der Oper geblieben und mir die Vorstellung weiter angeschaut.“
„Ich war davon so tief beeindruckt und habe gedacht: Ich würde gerne auch einmal singen wie der junge Pavarotti.“
Wer hat Sie neben Ihrem Gesanglehrer während Ihrer Karriere am stärksten beeinflusst?
„Am stärksten selbstverständlich mein Lehrer. Er hat mir das Singen ermöglicht, denn ohne die Stimme richtig zu beherrschen, kann man nicht vorangehen. Sonst habe ich ein paar Traumaufnahmen. Eine davon, die ich immer sehr gemocht habe und die ich bis heute gern höre, ist die Aufnahme von Verdis Requiem mit Karajan, wo Price, Cossotto, Ghiaurov und der ganz junge Pavarotti singen. Es ist nun schon 25 oder 30 Jahre her, als ich es zum ersten Mal gehört habe. Ich war davon so tief beeindruckt und habe gedacht: Ich würde gerne auch einmal singen wie der junge Pavarotti – mit dieser frischen Stimme, Klang und Resonanz. Das ist bis heute mein Wunsch. Denn ich habe das Gefühl, das habe ich noch nicht erreicht. Das ist wirklich eine Meistersache. Zudem haben mich auch weitere Menschen beeinflusst. Als ich klein war, habe ich Frau Natalia Romanová in der Brünner Oper bewundert. Sie war für mich eine traumhafte Rusalka und Mimi. Ich habe immer geweint, wenn sie sang. Das war so herzlich. Natürlich auch Richard Novák aus Brünn hat mich beeinflusst und viele andere.“
Sie haben inzwischen in mehreren renommierten Opernhäusern der Welt gesungen. Wie war aber Ihr Debüt im Ausland? Erinnern Sie sich noch daran?
„Wenn ich mich jetzt daran erinnere, kommt mir alles so lustig und absurd vor. Meine erste Begegnung mit der ‚großen Oper‘ war in Cagliari. Das war 1998, danach trat ich dort 2000 und 2001 auf – immer in einer kleinen Rolle. Damals wurde die Oper stark von Sardinien unterstützt, sie hatten wirklich viel Geld und haben immer große Meister eingeladen. Ich habe damals Gennadi Roshdestwenskij, Pier Luigi Pizzi und Luca Ronconi kennen gelernt. Das war für mich unheimlich interessant. Zum ersten Mal sang ich dort in der kaum bekannten Tschaikowski-Oper ‚Pantöffelchen‘. Ich war Ersatz für drei kleine Tenorrollen. Einer der Tenöre wurde dann krank, das war die Rolle des Messagero – des Boten, der kommt, singt einen Satz und verschwindet wieder. Ich war bei der Premiere vor dem Auftritt dermaßen aufgeregt – man muss dazu sagen, dass Roshdestwenskij nicht mehr der jüngste Dirigent ist und keine Einsätze gibt, er ist da, alle spielen selbst. Das ist natürlich nichts für einen Anfänger. So kam es dazu, dass ich in der Aufregung den kleinen Satz verpasst habe. Ich ging auf die Bühne, wollte singen, dann habe ich bemerkt, es ist schon vorbei und ging wieder zurück. Es war aber so unbedeutend, dass es eigentlich niemand bemerkt hat. Das war mein Glück. Bei den Reprisen habe ich schon alles gesungen. Aber das richtige Debüt für mich und meine Karriere war ein Einspringen in München 2009. Ich sang Števa in Janáčeks Oper Jenufa. Ich kann mich daran erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Es war am Freitag, bei mir läutet eine deutsche Nummer: ‚Hallo, hier ist das künstlerische Betriebsbüro der Staatsoper München. Herr Černoch, wir haben Probleme, aber wir werden Genaueres erst morgen um 10 Uhr wissen. Herr Kaiser kann bis Samstag 10 Uhr warten, dann kann er absagen. Die Vorstellung findet dann am Samstagabend statt‘. Ich hatte Glück, weil ich Števa gerade in Riga gesungen habe. Ich habe zugesagt. Am Samstag um 10.05 Uhr hat man mich angerufen. Dann ging es sehr schnell: Um eins war ich in München. Zuerst gab es eine Kostümprobe. Der Vorteil der modernen Inszenierungen besteht darin, dass alle Jeans oder etwas Ähnliches tragen. In der Maximilian-Straße nahe der Oper hat man mir einen Burberry-Anzug und im nächsten Geschäft eine Boss-Jeans gekauft. Mit dem Regieassistenten schaute ich mir eine DVD an, dann die Maske und eine kurze Begegnung mit Dirigent Petrenko. Um 19 Uhr stand ich auf der Bühne und habe gesungen. Es hat phantastisch geklappt. Ich hatte kein Lampenfieber, weil alles so schnell ging. Ich war damals wirklich begeistert und war mir sicher mit der Rolle, weil es ein großer Vorteil ist, wenn man in einer tschechischen Oper auftritt und die Rolle gut kennt. Ich habe dann schon Verträge für nächste Vorstellungen bekommen. So hat das angefangen.“Haben Sie eine Traumrolle, die Sie noch nicht singen konnten?
„Ja schon, sogar viele! Ich habe das Gefühl, dass alles erst vor mir ist. Denn die Traumrollen gibt es in einem etwas schwereren Repertoire, als ich bisher hatte. Ich wollte aber auch warten, bis ich sicher bin, dass ich die Rollen gut singen kann. Zu meinen Traumrollen gehören viele in den Opern Puccinis – beispielsweise Cavaradossi in der Tosca. Sehr gerne würde ich mehr Verdi singen. Ich habe bisher in Simone Boccanegra, Don Carlos, La Traviata gesungen. Traumpartien gibt es für mich in Luisa Miller, im Maskenball oder in Il Trovatore. Die absolute Traumpartie wäre für mich Radames in Verdis Aida und Kalaf in Puccinis Turandot. Ich habe also noch viel zu tun.“In welchen Rollen stellen Sie sich in den nächsten Monaten in Deutschland vor?
„Deutschland ist in meinem Kalender sehr stark präsent. Im Frühjahr singe ich in Hamburg in Carmen. Im Sommer singe ich wieder in der Jenufa in München. Dann erwartet mich dort noch die Rolle des Lenski in Eugen Onegin. Worauf ich mich sehr freue, ist Parsifal. Er wird im Januar 2018 in Stuttgart aufgeführt.“