Südostmähren singt und tanzt: Kinder-Folklorefestival „Kunovské léto“
Der Sommer ist in vollem Gange und mit ihm auch die Saison der Festivals. Einen festen Platz hat dabei seit 23 Jahren auch das internationale Kinder-Folklorefestival „Kunovské léto“ / „Sommer von Kunovice“. Sein Motto lautet „Von Kindern für Kinder“, wobei traditionelle Volkskunst gezeigt wird. In diesem Jahr fand es von 15. bis 19. Juni in der südostmährischen Kleinstadt Kunovice statt.
Sie nahmen auch an einem Wettbewerb teil, der mehrere Disziplinen in Tanz und Gesang umfasste. Dabei waren alle erfolgreich, denn die Jury wusste bei jedem Ensemble etwas hervorzuheben, das mit einem Preis gekrönt wurde. Es gab auch ein Begleitprogramm mit Workshops, sportlichen Wettkämpfen und einem Symposium für Bildhauer, die diesmal auf traditionelle Weise Bienenhäuser anfertigten. Die Bilanz schließt aber auch die Information über ein verletztes Knie und zwei abgebrochene Vorderzähne ein.
Drei Familien gründen das Festival
Traditionelle Mitveranstalter sind die benachbarten Städte Staré Město / Altstadt und Uherské Hradiště / Ungarisch Hradisch. Zusammen mit Kunovice repräsentieren sie die historisch-ethnografische Region der sogenannten Mährischen Slowakei. Die Kulturveranstaltung wurde allerdings 1994 von der in Kunovice gegründeten Bürgerinitiative „Kunovjan“ aus der Taufe gehoben. An der Wiege stand auch Romana Habartová. Die studierte Ethnografin und Mutter von drei Töchtern leitet seit 23 Jahren das Festival. Wie kam es dazu?„Damals neigte sich meine Mitgliedschaft sowie die meines Mannes im Kunovicer Volkstanzensemble Kunovjan langsam ihrem Ende zu. Das war Anfang der 1990er Jahre, nachdem sich die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse hierzulande wesentlich verändert hatten. Im turbulenten Geschehen nach der Wende von 1989 ging das Interesse an traditioneller Volkskunst verloren. Und für die Aktivitäten neuer Vereine und Bürgerinitiativen gibt es eigentlich immer zu wenig Unterstützung. Anfangs hört man in der Regel, man solle erst einmal zeigen, was man könne. Erst dann werde sich entscheiden, ob das Projekt Unterstützung verdiene. So war es auch in unserem Fall. Vor 23 Jahren waren wir drei Ehepaare, die sich trotzdem als Festivalbegründer ans Werk gemacht haben. Unser Ziel war zu zeigen, dass es wichtig ist, Traditionen weiter zu pflegen und sie Kindern zu vermitteln. Der erste Festivaljahrgang dauerte nur zwei Tage. Doch waren schon damals nicht nur Ensembles aus unserer Region dabei, sondern auch aus anderen Teilen Tschechiens und der Slowakei. Unsere Ambitionen waren allerdings von Anfang an hoch.“
Seit dem Jahr 2000 gilt das Folklorefestival auch als international. Die Begeisterung von Romana Habartová ist eindeutig in ihrer Familie zu suchen:„Das Leben meiner Familie ist stark von den Folkloretraditionen geprägt. Dasselbe galt auch für unsere Eltern und Großeltern. Meine Großmutter war eine hervorragende Sängerin südmährischer Volksballaden. Mein Vater hat traditionelle Schmiedekunst betrieben. Meine Mutter war unter anderem lange Zeit als Designerin von Volkstrachten aller Regionen der ehemaligen Tschechoslowakei tätig. Bei uns zu Hause wurde auch viel gesungen. Das Festival zu organisieren haben wir nie als Arbeit angesehen, sondern als Hobby. Wir haben eine ganze Zeitlang eigenhändig die Volkstrachten genäht sowie Kulissen, Werbeposter und vieles Weitere angefertigt. Inzwischen ist die Lage in dem Sinne leichter, da wir über bestimmte finanzielle Mittel von staatlichen und privaten Institutionen verfügen. Im Lauf der Zeit hat sich unser Festival landesweit Anerkennung erworben und gehört nun zu den Top-Folkloreveranstaltungen in Tschechien.“
Fixpunkt auch im internationalen Festivalkalender
Vor elf Jahren kam auch die internationale Anerkennung für „Sommer von Kunovice“ von Seiten der CIOFF (International Council of Organizations of Folklore Festivals and Folk Arts): Die Internationale Vereinigung der Folklorefestival-Veranstalter hat es in seinen Kalender einbezogen.Heutzutage besteht das Vorbereitungsteam der Festspiele aus 35 freiwilligen Mitarbeitern. Neben der erwähnten Unterstützung von offiziellen Institutionen kann sich der „Kunovské léto“ auch immer auf die Leute in der Region stützen. Deren Interesse zeigt sich nicht zuletzt beim festlichen Umzug der teilnehmenden Ensembles durch Kunovice. Eine junge Frau, die diesmal mit ihrer dreijährigen in Volkstracht gekleideten Tochter dem Umzug zuschaute, sagte Radio Prag:
„Ich stamme nicht ursprünglich aus dieser Region. Mein Ehemann und ich sind aus jeweils einer anderen Ecke unseres Landes hierhergezogen und haben die Region lieb gewonnen. Das bezieht sich auch auf die hiesigen Traditionen. Es gibt hier immer noch Frauen, die Volkstrachten nähen können. Die Trachten für festliche Zwecke sind eine kostspielige Angelegenheit, aber die in einfacher Ausführung kann man sich leisten. Jedes meiner Kinder trägt Volkstracht.“Die älteren beiden Kinder marschierten an dem Tag mit ihren Ensembles im Umzug. Allein in Kunovice, wo 5500 Einwohner leben, bestehen fünf Kinder-Folkloreensembles, zwei von Erwachsenen und drei Chöre. Laut Romana Habartová bieten jedes Jahr etliche Stadtbewohner an, bei der Vorbereitung des neuen Festivaljahrgangs behilflich zu sein. Auch dafür ist sie dankbar.
Am Ende ließ die Festivalleiterin für Radio Prag den Jahrgang 2016 Revue passieren:„Wir hatten wieder Glück, gute Ensembles eingeladen zu haben. Jährlich melden sich bei uns 50 bis 60 Ensembles aus der ganzen Welt an. Unser Festival setzt allerdings nicht auf Quantität, sondern auf Qualität. Gleichzeitig denken wir bei der Programmplanung an die Zuschauer, um sie nicht zu überfordern. Sie sollen sich gut unterhalten fühlen. 16 ist die optimale Zahl für Ensembles in einer zweistündigen Schau. Im Rahmen des Wettbewerbs stehen jedem Ensemble sieben bis maximal zehn Minuten für seinen Auftritt zur Verfügung. Meine Eindrücke sind einzigartig. Außerdem freue mich jedes Mal, wenn alle Ensembles gut hier angekommen sind und im Lauf des Festivals nichts Fatales geschieht, was einem Ensemble in irgendeiner Weise Schaden zufügen könnte.“
Also Ende gut, alles gut?„Unsere Arbeit geht nie zu Ende. Noch heute Abend treffen wir uns bei einem gemeinsamen Essen und anschließenden Seminar. Besprochen werden dabei positive und negative Erfahrungen aus dem Festivalverlauf. Aus ihnen wollen wir wie die entsprechenden Schlüsse ziehen für 2017. Uns interessieren auch die Berichte von den Vertretern der Internationalen Vereinigung der Folklorefestival-Veranstalter, die bei uns zu Gast waren. In der kommenden Woche werden die finanziellen Verbindlichkeiten beglichen, und danach muss schon der neue Briefwechsel mit potentiellen Festivalteilnehmern für 2017 beginnen.“
Festivalleiterin Habartová sieht die Wirkung des Festivals in beide Richtungen. Zum einen würden die Kinder aus dem Ausland über die Schönheit und Gastfreundlichkeit Südmährens berichten. Zum anderen bereichere alle der Einblick in die Kultur und Traditionen anderer Völker.