„Ackermann-Gemeinde ist aus katholischen Verbänden hervorgegangen“ – Historiker Horst Glassl
Während des Kommunismus wurde die tschechoslowakische Kirche von ihr unterstützt. Seit der Wende engagiert sie sich bei der Pflege und Vertiefung der tschechisch-deutschen Nachbarschaft. Die Rede ist von der Ackermann-Gemeinde, die vor 70 Jahren in München von sudetendeutschen Katholiken gegründet wurde. Die neu entstandene christliche Gemeinschaft wurde damals nach der neuhochdeutschen Dichtung „Ackermann aus Böhmen“ von Johannes von Saaz benannt. Ihr 70-jähriges Jubiläum feierte die Ackermann-Gemeinde am 13. Januar dieses Jahres mit einer Wallfahrt im nordböhmischen Filipov / Philippsdorf. Unter den Teilnehmern war auch der Historiker Horst Glassl.
„Der Auslöser war Ankunft der Vertriebenen aus der Tschechoslowakei, die nicht wussten wo sie unterkommen sollten. Es haben sich damals einige Freunde getroffen, die in katholischen Vereinigungen während und vor dem Krieg aktiv gewesen waren. Darunter die studierende Jugend und die Arbeiterjugend, die in dem katholischen Jugendverband zusammengeschlossen waren. Sie versuchten die Not zu lindern in Bezug auf Unterkunft, Verpflegung, aber sie haben auch versprengte Familien wieder zusammen geführt. Die Männer waren größtenteils im Krieg und wussten nun nicht, wo ihre Frauen und Kinder sind. Bei dieser ersten Aktion versuchte man vor allem einander wieder zu finden und ein Auskommen zu schaffen. Daraus entstand dann auch die religiöse Vereinigung, in der auf religiöser Basis miteinander verkehrt und zusammen Gottesdienste gefeiert wurden. Die leitenden Persönlichkeiten, die schon vor der nationalsozialistischen Herrschaft aktiv waren, versuchten die Leute zu sammeln und ihnen Trost zu spenden, aber auch praktische Hilfe zukommen zu lassen.“
Waren es also eher jüngere Leute die sich damals zusammenschlossen?„Es waren Menschen zwischen 20 und 50 Jahren, wahrscheinlich vor allem die mittlere Generation, die schon in den katholischen Verbänden tätig war. Sie hatten auch Verbindungen nach Süddeutschland, nach München. Von dort aus ist die Ackermann-Gemeinde auch gegründet worden. Einer der führenden Geistlichen war der Pater Paulus Sladek von den Augustinern, der schon an der Prager Universität Jugendseelsorger war. Außerdem gehörte zu den Begründern Hans Schütz, der schon im Prager Parlament für die Deutsche Christlich-Soziale Volkspartei gewesen war, und jetzt wieder in die Politik einstieg und nach Verbindungen suchte. In Deutschland gab es in der amerikanischen Besatzungszone nur die Militärregierung, zu der man Kontakt suchen musste, weil sie eine Koalition der Vertriebenen verboten hatten, aus Angst vor Volksaufständen. Die Gründer der Ackermann-Gemeinde hatten so etwas natürlich nicht im Sinn, sie wollten die Leute nur sammeln und ihnen Hilfe leisten.
Seit wann knüpfen die Ackermänner engere Kontakte nach Tschechien?„Im Jahr 1946 konnten noch keine engeren Kontakte geschlossen werden. Die stellten sich aber schon im Jahr 1948 ein, als tschechische Journalisten vor dem Kommunisten flohen und bei Radio Free Europe tätig waren. Mit diesen wurde der Kontakt hergestellt. Es entstand dadurch eine tschechische katholische Gemeinde in München mit einem tschechischen Geistlichen. Der Kontakt war schnell hergestellt, sodass auch damals schon gemeinsam Dinge unternommen wurden. Auch wurde der Kontakt mit den Bistümern in der Tschechoslowakei aufgenommen, um Literatur hinzubringen und andere Hilfe zu leisten. Als die Klöster dort aufgelöst wurden, kamen einige Mönche nach Deutschland, wodurch wieder neue Kontakte entstanden.“
Stellte das Jahr 1968 eine Wende bzw. eine Entspannung da? Zumindest vorübergehend?„Ja, das war eine unglaubliche Sache damals. Es kamen Studenten zu uns an die Universitäten, die halb geflohen, halb frei gereist waren, die schon vermuteten, dass die Grenzen nicht mehr lange offen sein werden. Bei uns an der Münchner Universität hatten wir eine ganze Reihe tschechische Studenten, die auch mit der Ackermann-Gemeinde Kontakt hatten. Der Ackermann-Hochschulring war besonders darauf bedacht, diese Kontakte herzustellen und zu pflegen.“
Wie waren die Reaktionen der Gesellschaft auf die Ackermann-Gemeinde? War es besonders schwer sich zu profilieren?„Besonders schwierig war es nicht. Es gab natürlich Animositäten. Es gab ja die große Sudetendeutsche Landsmannschaft, die mehr politische Ziele verfolgte und außerdem die sogenannten ´Gesinnungsgemeinschaften´: die Ackermann-Gemeinde für die Katholiken, die Seliger-Gemeinschaft für die Sozialdemokraten und für die Nationalen den Witikobund. Letztere gehörten eher in die rechts-radikale Ecke. Natürlich gab es immer heftig Diskussionen deswegen.“
Und Sie waren in der Ackermann-Gemeinde schon vor Jahren dabei?
„Ja, ich war schon ziemlich am Anfang dabei, soweit es mir als Student möglich war. Ich musste mein Studium selber finanzieren und hatte deswegen auch nicht viel Freizeit.“