Streitpunkt Freizügigkeit: Tschechien erwartet einen neuen Vorschlag von Cameron

David Cameron (Foto: ČTK)

Großbritanniens Premier David Cameron ist zu Besuch in Prag. Im Fokus bei den Gesprächen mit tschechischen Politikern steht die Freizügigkeit innerhalb Europas, und da gibt es große Differenzen. Wegen der hohen Einwanderung wollen die Briten EU-Bürgern den Zugang zum Sozialsystem auf der Insel erschweren. Für Tschechien ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit jedoch ein Grundsatz, an dem Großbritannien nicht rütteln darf.

David Cameron  (Foto: ČTK)
Im November hatte Cameron konkrete Forderungen gestellt für eine EU-Reform, die den „Brexit“ beim bevorstehenden Referendum auf der Insel verhindern soll. Vor einem möglichen Deal tourt der britische Premier nun durch Europa, um für Unterstützung zu werben – auch für die umstrittenen Einschränkungen für Einwanderer aus der EU nach Großbritannien. Die tschechische Position dazu ist allerdings klar:

Diskriminierung bleibe Diskriminierung, mit diesen Worten kommentierte der tschechische Staatssekretär für EU-Angelegenheiten, Tomáš Prouza, die Streitfrage gegenüber Radio Prag. Dabei mache es keinen Unterschied, ob Einwanderer sechs Monate oder vier Jahre von Sozialleistungen ausgeschlossen würden. Die britischen Klagen über Sozialmissbrauch seien kein Tabu, so Prouza:

Tomáš Prouza  (Foto: TomasP01,  CC BY-SA 3.0)
„Wenn Menschen nur vom System profitieren und nie einzahlen, dann hat jedes Land das Recht, sich zu schützen. Doch wenn wir uns die Statistiken ansehen, ist es so, dass Menschen, die nach Großbritannien kommen, viel mehr einzahlen als herausbekommen.“

Schätzungen zufolge leben in Großbritannien derzeit etwa 45.000 tschechische Staatsbürger. Regierungschef Bohuslav Sobotka hatte im November Eingriffe in die Freizügigkeit als „sehr ernstes Problem“ für Tschechien bezeichnet und dabei auf die historischen Erfahrungen aus der Zeit vor 1989 verwiesen. Neben Sobotka und Prouza verhandeln am Freitag auch Sozialministerin Michaela Marksová (Sozialdemokraten) und Finanzminister Andrej Babiš (Ano-Partei) mit Cameron. Für Tschechien sei dabei die britische Seite am Zug, sagt Tomáš Prouza:



Foto: Europäische Kommission
„Ein Kompromiss hängt davon ab, wie der neue Vorschlag von Großbritannien aussieht, und das liegt in der Verantwortung der Briten. Ich denke, Premierminister Cameron hat von allen 27 Mitgliedsländern gehört, dass eine Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Nationalität nicht möglich ist – und das wird sich auch nicht ändern. Wenn es eine einfache Regel in der EU gibt, dann die, dass Menschen nicht aufgrund ihres Passes diskriminiert werden dürfen.“

Prouza sieht die vier Visegrád-Länder Tschechien, Polen, Ungarn und Slowakei weiterhin auf einer Linie, auch wenn etwa Ungarns Premier Orban den Briten bereits verbal entgegengekommen ist. Weniger Konfliktpotential bergen die weiteren Punkte aus Camerons Forderungskatalog, wie die Stärkung der nationalen Parlamente und der Abbau von Bürokratie. Verständnis äußerte Prouza auch für das Ansinnen, dass Nicht-Euro-Länder bei Entscheidungen nicht übergangen werden dürften:

„Wir müssen in diesem Fall den Text vor uns sehen. Unserer Meinung nach aber sollten so viele Entscheidungen wie möglich von allen 28 Mitgliedsstaaten getroffen werden. Die einzige Ausnahme sollten Dinge sein, die wirklich zu 150 Prozent die Eurozone betreffen.“

Große Übereinstimmung zwischen Großbritannien und Tschechien gibt es in der Flüchtlingskrise, wo beide Länder einen eher restriktiven Kurs befürworten. Bei seinem Besuch in Prag wird Cameron auch mit Staatspräsident Miloš Zeman zusammentreffen.