Mit Stift und Kamera: Wolftraud de Concinis Eindrücke von der Kulturhauptstadt Pilsen
Das Jahr der Kulturhauptstadt in Plzeň / Pilsen ist noch nicht zu Ende – doch Stadtschreiberin Wolftraud de Concini hat sich bereits verabschiedet. Die Autorin lebt seit langem in Italien, war aber für mehrere Monate in Pilsen zu Gast. Dort hat sie über ihre Eindrücke gebloggt. Außerdem hat Wolftraud de Concini in und um Pilsen Fotos gemacht, die nun auch ausgestellt werden. Ein Gespräch mit Wolftraud de Concini.
„Absolut. Es ist eben nun wirklich meine Heimat, und ich bin sehr traurig weggegangen. Ich werde nach jeder Gelegenheit suchen, um dann und wann wieder einmal zurückzukommen.“
Mit welchen Erwartungen sind Sie im Frühjahr hierhergekommen? Der Heimatbegriff hat für Sie sicherlich eine spezielle Bedeutung als Böhmin, die mit fünf Jahren mit der Familie vertrieben wurde. Nun nähern Sie sich in den letzten Jahren mehr und mehr der alten Heimat an.
„Ja, ich habe schon vor zwei Jahren ein Buch geschrieben, in dem ich mich mit meiner Heimat und meiner Vorstellung von Heimat auseinandergesetzt habe, auch um zu hinterfragen, inwieweit ich das Land als meine Heimat empfinde und inwieweit ich die Tschechen als meine Landsleute sehe – und auch umgekehrt. Diese Suche habe ich nun fortgesetzt. Es war natürlich nicht der einzige Anlass, ich war Stadtschreiberin von Pilsen, doch ich hatte immer wieder Gelegenheit, darauf zurückzukommen.“Sie haben auch die großen Veranstaltungen und Aktionen in Pilsen besucht. Ich hatte den Eindruck, dass Ihnen die kleinen, eher vergessenen Geschichten und Personen mehr am Herzen lagen.
„Ich bin der Meinung, die großen Veranstaltungen wurden ohnehin genug propagiert. Darum dachte ich, dass ich mich mit diesen Events nicht so sehr beschäftigen muss. Ich gehe lieber auf Dinge oder Ereignisse der Vergangenheit ein, die der Normalbesucher, der im Internet nach Veranstaltungen sucht, vielleicht gar nicht findet.“Wie haben Sie diese Dinge gefunden? Zum Beispiel schreiben Sie über eine verlassene Synagoge in Bezdružice / Weseritz, die heute als Garage benutzt wird…
„Ich würde sagen, es war oft ein glücklicher Zufall dabei. In diesem Fall hat mich ein Bekannter, dessen Eltern und Großeltern aus dem Ort stammen, eingeladen. Bei der Gelegenheit habe ich im Internet gesucht und entdeckt, dass es eine alte Synagoge gibt. Sie ist nicht ganz leicht zu besichtigen, aber wir haben es geschafft hineinzukommen. Ich würde mir wirklich wünschen, dass sich jemand um die Synagoge kümmert. Die Besitzer bräuchten eine Menge Geld, um sie zu restaurieren. Sie haben es nicht, sondern müssen Sie als Lagerraum und Garage benutzen.“
Wer oder was hat Sie in dem Jahr am meisten beeindruckt?„Das ist schwer zu sagen, denn mich hat Vieles beeindruckt. Von außen betrachtet hat mich die Landschaft sehr beeindruckt, diese leicht gewellte, sanfte Landschaft. Das ist meine Landschaft. Abgesehen von den Menschen, die ich getroffen habe, hat mich an Pilsen die Vielfalt der Architektur stark beeindruckt. Ich hatte ja immer meinen Fotoapparat dabei und habe immer wieder Neues entdeckt, nicht nur die bekannten Bauwerke am Hauptplatz, sondern auch in den anderen Stadtteilen. Es gibt so viele interessante Bauwerke aus den verschiedensten Jahrhunderten. Ich denke, das ist ein Reichtum, auf den Pilsen auch in Zukunft setzen müsste.“
Und schon jetzt stellen Sie aber Fotos aus, die Sie in Pilsen gemacht haben?„Ja, im Augenblick ist im Centrum Bavaria Bohemia in Schönsee eine Auswahl meiner Fotos zu sehen. Sie heißt ‚Pilsener Momente‘. Da geht es von der Landschaft über die Architektur zu Menschen, zu jüdischen Friedhöfen, christlichen Friedhöfen – zu allem Möglichen, was mich besonders beeindruckt hat, und was mir fotographisch auch besonders gelungen ist. Eine Fotoausstellung soll meiner Meinung nicht unbedingt informieren, sondern einen besonderen ästhetischen Wert haben. Wenn sie darüber hinaus noch informiert – umso besser.“
Die Ausstellung „Pilsener Momente“ ist in Schönsee in der Oberpfalz noch bis zum 31. Oktober zu sehen. Im Dezember wandert die Ausstellung weiter ins Tschechische Zentrum nach München, im kommenden Jahr soll sie auch nach Pilsen kommen.