Tschechische Handballerinnen starten mit zwei Siegen in EM-Qualifikation

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Im tschechischen Handballsport liegen die großen internationalen Erfolge schon eine geraume Zeit zurück. Die Frauen holten nur bei der Auftakt-WM 1957 den Titel, die Männer wurden zehn Jahre später das erste und einzige Mal Weltmeister. Beide Goldteams siegten also noch zu Zeiten der ehemaligen Tschechoslowakei. Seit vergangenem Mittwoch unternehmen nun die Frauen den erneuten Anlauf, sich für die nächste EM zu qualifizieren.

Jan Bašný  (Foto: YouTube)
Als der heute 52-jährige Jan Bašný 2010 das Ruder als neuer Cheftrainer der tschechischen Frauenhandball-Nationalmannschaft übernahm, trat er ein schweres Erbe an. Unter seinen Vorgängern war das Team sechsmal in Folge in der Qualifikation zu einer EM oder WM gescheitert. 2011 zahlten er und sein Assistent Dušan Poloz noch Lehrgeld, danach aber nahmen sie mit ihren Spielerinnen zweimal in Folge an einem Endturnier teil. Im Jahr 2012 belegte Tschechien den 12. Platz bei der EM, 2013 wurde man 15. der WM. Auf diese Zeit blicke er gern zurück, sagt Bašný. Und das, obwohl er auch die Schattenseite des Erfolgs kennengelernt hat:

Jan Bašný: „Es ist wahr, dass wir ein neues Team gebildet haben, das drei Jahre zusammengeblieben ist und an zwei Titelkämpfen teilgenommen hat. Diese Erfolge zogen indes auch den Abgang verdienstvoller Spielerinnen nach sich.“

„Es ist wahr, dass wir ein neues Team gebildet haben, das drei Jahre zusammengeblieben ist und an zwei Titelkämpfen teilgenommen hat. Diese Erfolge zogen indes auch den Abgang verdienstvoller Spielerinnen nach sich. Ich will nicht sagen, dass sie die Motivation verloren hätten, doch einige sagten sich: Ich habe gezeigt, was ich kann, mehr geht echt nicht. Jetzt will ich aber etwas anderes tun.“

Diese Frauen verließen das Team, um zu studieren, zu arbeiten oder aber eine Familie zu gründen, ergänzt Bašný. Zudem nahm auch noch Co-Trainer Poloz seinen Hut – er wechselte in die Slowakei und ist seitdem Chefcoach der dortigen Frauen-Nationalmannschaft.

Dieser Aderlass war zu spüren. Für die EM 2014 und die WM 2015 konnten sich die tschechischen Handballerinnen nicht qualifizieren. Dennoch wurde bereits wieder ein leichter Aufwärtstrend sichtbar. In der Qualifikation für das diesjährige WM-Turnier in Dänemark unterlagen sie den Niederländerinnen in der Summe beider Spiele mit 48:56. Phasenweise wurde jedoch deutlich, dass die inzwischen etwas umformierte Mannschaft durchaus Potenzial hat. Deshalb machte Trainer Bašný vor dem Start in die EM-Qualifikation allen Spielerinnen klar, dass man dieses Potenzial nun auch ausschöpfen müsse:

Tschechische Handballerinnen  (Foto: ČTK)
„Wenn wir uns wieder etwas aufbauen wollen, dann müssen wir so schnell als möglich damit beginnen, dafür den Grundstein zu legen. Das heißt, noch in diesem Jahr. Denn in der Mannschaft sind noch ein, zwei Spielerinnen, die jetzt noch mitanpacken, aber nur, um den Staffelstab an Jüngere zu übergeben. Und ich denke, danach wird es nicht mehr lange dauern, bis das Team völlig umformiert wird.“

Eine dieser Spielerinnen, von denen Bašný sprach, ist Helena Štěrbová. Die 27-Jährige, die mit ihrem Partner, dem Handballer Miroslav Jurka in Frankreich lebt, hatte sich nach der missglückten WM-Qualifikation im Juni eigentlich schon aus der Nationalmannschaft verabschiedet. Der Trainer aber überzeugte sie schließlich davon, noch die ersten zwei Spiele der EM-Qualifikation zu bestreiten, um dem verjüngten Team mit ihrer Erfahrung zu helfen. Das hat die auf die Defensive spezialisierte Štěrbová dann auch mit Bravour getan.

Iveta Luzumová  (Foto: ČTK)
Eine weitere Spielerin, auf die Bašný in seiner neuen Mannschaft besonders baut, ist Iveta Luzumová. Die 26-Jährige spielt seit vier Jahren für den Thüringer HC. Die in Deutschland gewonnene Spielpraxis sei einfach unbezahlbar für ihr heutiges Können, sagt die Rückraumspielerin:

„Natürlich ist das Niveau in der Bundesliga ein völlig anderes. Ich würde sogar sagen, auch die Qualität des Trainings ist besser. Ich denke aber, auch die Mädchen, die in der vereinten tschechoslowakischen Liga spielen, zeigen auf internationalem Parkett, dass sie gut mithalten können.“

Iveta Luzumová: „Ich weiß, dass ich meine im Ausland gesammelten Erfahrungen im Team einbringen und die Mitspielerinnen in gewisser Weise führen sollte. Man erwartet von mir, dass ich den Takt angebe in den Spielen der EM-Qualifikation.“

Auf der anderen Seite weiß Iveta Luzumová ebenso gut, dass Trainer Bašný von ihr verlangt, eine Führungsrolle im Team einzunehmen. Und das trotz ihrer vorangegangenen Verletzungspause wegen der Schmerzen im Hüftgelenk:

„Ich bin noch nicht zu 100 Prozent fit, doch ich weiß auch, dass ich meine im Ausland gesammelten Erfahrungen im Team einbringen und die Mitspielerinnen in gewisser Weise führen sollte. Man erwartet von mir, dass ich den Takt angebe in den Spielen gegen Italien und die Ukraine. Ich hoffe, dass wir diese Begegnungen meistern werden.“

Diese beiden Spiele hat das tschechische Frauenteam gewonnen. Die Italienerinnen, denen nur die Außenseiterrolle zugebilligt wird, haben Luzumová und Co. in Prag klar und deutlich mit 33:15 bezwungen. Gegen die Ukraine traten die Tschechinnen am Sonntag auswärts in Uschhorod an. Nach einer schwächeren ersten Halbzeit, nach der sie mit 8:12 zurücklagen, drehten sie die Partie noch zu ihren Gunsten und siegten am Ende mit 24:20. Die Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit kam nicht von ungefähr, sagte Kamila Kordovská:

Kamila Kordovská  (Foto: Archiv des Tschechischen Handballverbandes)
„Wir haben uns in der Halbzeit in der Kabine gegenseitig angefeuert und gesagt, dass wir jetzt besser verteidigen werden. Das haben wir getan, und dadurch lief es dann auch besser im Angriff, wo wir unsere Chancen nun gut verwertet haben. Der Start in die zweite Halbzeit ist uns wirklich prima gelungen.“

Mit sieben Toren war Kordovská zudem die beste Werferin im tschechischen Team. Das erst 17-jährige Talent vom DHC Slavia Prag bildete neben Iveta Luzumová, die sechs Treffer erzielte, die zweite starke Säule im Rückraum. Gegen Italien steuerte sie vier Tore zum Sieg bei. Kein Wunder, dass sie nach beiden Spielen dann auch ein optimistisches Fazit zog:

Auswärtssieg in der Ukraine  (Foto: ČTK)
„Das war ein sehr wichtiger Auswärtssieg in der Ukraine. Hier ist es nicht leicht zu gewinnen, und die erste Halbzeit war letztlich auch das Paradebeispiel dafür, wie man hier nicht spielen sollte. Die zweite Halbzeit war dann aber deutlich besser. Wir haben ein Vier-Tore-Plus für das Rückspiel geschaffen und sind froh, dass wir beide Auftaktspiele gewonnen haben.“

Aus der Vierergruppe, zu der noch die favorisierten Serbinnen gehören, qualifizieren sich die beiden besten Mannschaften für die Endrunde im kommenden Jahr in Schweden. Kamila Kordovská hat daher die Ausgangslage ziemlich realistisch eingeschätzt. Gegen die Italienerinnen ist auch im Rückspiel ein Sieg Pflicht, gegen die Ukraine sollte der Kampf um den zweiten Platz in der Gruppe entschieden werden. Iveta Luzumová hofft indes, dass man selbst gegen die starken Serbinnen punkten kann:

Foto: Armin Kuebelbeck,  CC BY-SA 3.0
„In Serbien läuft es zurzeit nicht gerade optimal. Die Spielerinnen haben ein Problem mit ihrem Trainer, einige von ihnen wollen unter seiner Leitung nicht in der Nationalmannschaft spielen. Das könnte ihr Team durchaus schwächen. Gegen Serbien spielen wir aber erst im März. Bis dahin ist also eine lange Zeit, in der auch noch viel passieren kann.“

Zudem gibt es noch einen Aspekt, durch den die Vorfreude auf eine mögliche EM-Teilnahme derzeit noch gedämpft wird – die Qualifikation erstreckt sich über neun Monate bis zum Juni nächsten Jahres. Dazu sagt Luzumová:

Tschechien - Italien  (Foto: ČTK)
„Das ist sicher nicht leicht, doch wir sind diesen Modus auch gewohnt. Die Qualifikation wird schon seit Jahren in diesem Rahmen ausgetragen. Unangenehm wird diese Zeitspanne allerdings, wenn es zu einer Reihe von Verletzungen kommen sollte. Dann kann es passieren, dass man die ersten drei, vier Spiele gut dabei ist und punktet, dann aber die zwei abschließenden Partien infolge von Verletzungspech verliert. Das kann einen die erfolgreiche Qualifikation noch verderben.“

Soweit wollen die tschechischen Handballerinnen aber momentan nicht denken. Nach einem Drittel der Qualifikation, in dem jede Mannschaft zwei Spiele absolviert hat, haben sie wie die Serbinnen vier Punkte auf dem Konto – also vier Zähler Vorsprung auf die noch punktlosen Teams aus der Ukraine und Italien.

Autor: Lothar Martin
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