Mit Neuer Musik zurück zu den Wurzeln - Dirigent Hrůša und die Bamberger Symphoniker
So bald hatte man in Bamberg nicht erwartet, fündig zu werden. Von einer Entscheidung bis Ende des Jahres war die Rede, nun wurde schon im Spätsommer Jakub Hrůša als designierter Dirigent der Bamberger Symphoniker bekannt gegeben. In welche Richtung soll es gehen unter dem Dirigat des Tschechen?
„Bei den Bamberger Symphonikern gibt es eine Tradition der Aufführung zeitgenössischer Musik. Mein Vorgänger, Jonathan Nott, hat sich in dieser Hinsicht sehr bemüht. Mein Respekt für zeitgenössische Kompositionen ist riesig, und es macht mir sehr viel Freude, diese Werke zu dirigieren. Es wäre also verrückt von mir, diese Tradition aufzulösen. Ich möchte sehr gerne in der Aufführung der zeitgenössischen Musik fortfahren.“
Jakub Hrůša gehört bislang nicht zu den ganz Bekannten, bringt aber gleichzeitig alles mit, was sich die Bamberger für ihren Nachfolger gewünscht haben: Man suche jetzt jemanden, der sich „mit Haut und Haar dem Klangkörper verschreibt und am böhmischen Traditionsklang des Orchesters arbeitet“, hieß es von Seite des Intendanten. Gleichzeitig sollte der Nachfolger sich für zeitgenössische Kompositionen begeistern und mit dem Orchester weiterhin das Repertoire in dieser Richtung erweitern können. All das scheinen die Bamberger nun mit Jakub Hrůša gefunden zu haben.Von der Moldau an die Regnitz geflohen
Seine Ursprünge hat das Orchester in Prag. Nach dem Zweiten Weltkrieg flohen die Musiker des Deutschen Philharmonischen Orchesters aus der Stadt an der Moldau in Richtung Westen und fanden als Bamberger Symphoniker zusammen. Seitdem sind die böhmischen Wurzeln das Markenzeichen des Orchesters, das gerade in den letzten Jahren viel Positives von sich hat hören lassen. Jakub Hrůša:„Die Bamberger Symphoniker sind für mich an erster Stelle aufgrund ihrer musikalischen Qualität interessant. Und selbstverständlich auch aufgrund ihres einzigartigen Klangs. Daneben ist auch ihre besondere Geschichte gerade für uns Tschechen von Bedeutung. Trotzdem muss ich betonen, dass auf jeden Fall die Qualität der Hauptgrund für mein Interesse an der Arbeit mit diesem Orchester ist.“
Mit Jakub Hrůša werden die Bamberger also an ihre böhmischen Wurzeln erinnert. Und das nicht nur weil er Tscheche ist. Hrůša möchte in Bamberg auch zeitgenössische tschechische Komponisten ins Repertoire aufnehmen. Damit spiegelt sich die Geschichte des Orchesters wider:
„Ich werde oft gefragt, wie die Hauptlinie meines Repertoires in Bamberg aussehen wird. Darauf antworte ich, dass wir uns keinesfalls dem verwehren wollen, mehr tschechische Musik aufzuführen. Ich sage aber auch, dass es vor allem unbekanntere tschechische Werke sind, die ich mit dem Orchester zur Aufführung bringen möchte. Ich will nicht Dvořáks Symphonien ständig wiederholen, sondern eher Komponisten aufführen, die besonders in Deutschland weniger bekannt sind - zum Beispiel Josef Suk, Bohuslav Martinů, Leoš Janáček oder einige jüngere Komponisten. Ich nenne oft Miroslav Kabeláč als Beispiel für einen der größten Symphoniker der tschechischen Musik nach Martinů.“
Als Leiter des International Martinů Circle und ehemaliger Chefdirigent der Bohuslav Martinů Philharmonie bringt Jakus Hrůša eine große Begeisterung für jüngere tschechische Kompositionen mit. Er ist ständiger Gastdirigent der Tschechischen Philharmonie und verbindet die zwei Orchester nicht nur in Hinblick auf seine böhmische Herkunft, sondern auch in seiner Funktion als Dirigent beider Klangkörper.Als Dirigenten ist für Hrůša das Klavier zunächst einmal das wichtigste Instrument. Denn beim Einüben kann das Klavier am besten ein Orchester imitieren. Neben dem Klavier hat Jakub Hrůša in seiner Jugend aber auch Posaune gelernt. Und aus dieser Erfahrung kann er heute als Dirigent schöpfen.
„Wie für wohl jeden Dirigenten war für mich eher das Klavier von großer Bedeutung. Andererseits durfte ich mit der Posaune– wenn auch nur kurz und nicht professionell – die Erfahrung des Spiels im Orchester machen. Ich habe also erlebt, wie es ist, in einem Orchester zu spielen, nicht nur es zu leiten. Und außerdem ist die Posaune eines der wenigen Blasinstrumente, auf denen man die Intonation und die Tonqualität selbst erzielen muss. Dass ich in manchen Kammerensembles Posaune gespielt habe, hat mich gelehrt, meine Aufmerksamkeit dem Intonierungsdetail zu widmen, ich musste mich in der Stimmung an die anderen Instrumente anpassen. Es klingt zwar banal, so etwas kann man aber nur in der Praxis üben. Und die Posaune hat mir diese Praxis beschert.“Sicherlich hat auch die besonders gute Kommunikation Hrůšas mit dem Orchester eine Rolle gespielt bei der Entscheidung für die Nominierung. In Bamberg ist Hrůša kein Unbekannter: Fünfmal war er dort bereits als Gastdirigent zu Besuch.
Auf Wellenlänge mit den Musikern
Zwar sind die Proben zurzeit noch – wie bei vielen internationalen Dirigenten – auf Englisch, aber das sei nicht entscheidend. Wichtig sei vielmehr, dass man musikalisch dieselbe Sprache spreche, so Martin Timphus. Als Orchestervorstand war er Mitglied in der Kommission zur Findung eines neuen Chefdirigenten.„Die gleiche Sprache im Sinne von die gleiche musikalische Sprache. Das bezieht sich auf Phrasierung, auf Dynamik, auf die Art, wie man ein Stück versteht, und auf die musikalische Aussage. Da haben wir die gleichen Zielsetzungen.“
Die Kommission aus dem Orchester beriet Intendant Marcus Rudolf Axt bei der Entscheidung. Die Entscheidung und die Verantwortung jedoch lagen beim Intendanten.
Den 1946 geborenen tschechischen Dirigenten Jiří Bělohlávek nennt Jakub Hrůša häufig als Mentor. Bělohlávek war sein Lehrer an der Akademie der musischen Künste in Prag. Mit Josef Suks Asrael-Sinfonie schloss Hrůša 2004 sein Studium ab, er dirigierte die Prager Radiosinfoniker im Rudolfinum. Mit seinem ehemaligen Lehrer steht Hrůša seitdem in freundschaftlichem Kontakt, aber auch in einem kollegialen Verhältnis: Der 34-Jährige ist ständiger Gastdirigent der Tschechischen Philharmonie, die Bělohlávek als Chefdirigent leitet.„Seine Herangehensweise an das Dirigieren lässt sich schwer in Worte fassen. Aber besonders die Aufmerksamkeit, die er jedem Detail widmet, ist weltweit einzigartig. Ich habe seine Detailarbeit und die Struktur, aber auch den Klang und die Organisation des Orchesters immer sehr geschätzt. Er ist ein Mensch, der sich für jedes Einzelstück des Ausdrucks eines Musikwerkes interessiert.“
Hrůša wird der fünfte Chefdirigent der Bamberger Symphoniker sein. Bei den Konzerten als Gastdirigent im November stehen im Übrigen Suk, Schostakowitsch und Berlioz auf dem Programm. Ob er das Programm ab Herbst kommenden Jahres ähnlich auswählen wird, bleibt abzuwarten.