Mahler auf dem Messegelände und Bamberger Symphoniker unter Hrůša: Festival „Dvořáks Prag“ beginnt

Musikfestival „Dvořákova Praha“

Mit einem Konzert der Bamberger Symphoniker unter der Leitung von Jakub Hrůša wird am Freitag in der tschechischen Hauptstadt das Musikfestival „Dvořákova Praha“ („Dvořáks Prag“) eröffnet. Martina Schneibergová hat mit dem Festivaldirektor Jan Simon gesprochen.

Herr Simon, wie gelang es Ihnen, einen derzeit sehr gefragten Dirigenten wie Jakub Hrůša für gleich mehrere Konzerte zu gewinnen?

Jakub Hrůša | Foto: Petra Hajská,  Tschechische Philharmonie

„Er ist der Residenzkünstler unseres Festivals. Ich kenne Jakub seit mehr als 30 Jahren. Unsere Beziehung besteht nicht nur im Beruflichen, auch menschlich sind wir uns sehr nah. Und das, was uns verbindet, sind die Ideen. Wenn ich aber nur sagen würde, Jakub, wir möchten mit dir ein Konzert haben, dann würde es kaum gelingen, dass er die Einladung einfach akzeptiert. Ich muss mit einer Idee kommen oder er kommt mit einer Idee, die ihn begeistert. Und dann ist die Absprache etwas einfacher, obwohl sein Kalender absolut voll ist. Und man muss im Voraus alles absprechen, denn ansonsten gibt es keine Chance. Und es wird wohl noch schwieriger, wenn er im September 2025 erst einmal seine neue Position als Musikdirektor des Royal Opera House in London antritt. Dann muss man noch drei, vier Jahre früher vorausplanen. Wir haben schon gemeinsame Pläne, aber das wird noch ein langer Weg sein, bis wir sie verwirklichen können.“

Ein besonderes Projekt stellt das große Open-Air-Konzert mit dem Titel „Durch Mahler verbunden“ dar. Die Orchester spielen auch unter der Leitung von Jakub Hrůša. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

„Erstens haben wir überlegt, wie man das Jahr der tschechischen Musik feiern soll. Dieses ist mit der magischen Zahl Vier in den Lebensdaten vieler Komponisten verbunden. Aber es handelt sich nicht nur um die Lebensdaten, sondern auch um das Geschehen in diesem Land. Und zum Beispiel Mahler fing 1904 an, seine 7. Sinfonie zu komponieren. Zweitens, Mahler wurde in Kaliště (Kalischt, Anm. d. Red.) geboren, das in der Nähe von Jihlava (Iglau) liegt. Zudem hat Mahler seine jungen Jahre in den böhmischen Ländern verbracht, und sein allererstes öffentliches Konzert fand in Jihlava statt. Wir betrachten Mahler teilweise als einen Tschechen, obwohl er ein Österreicher ist. Im Jahr 1908 fand die Premiere von Mahlers 7. Sinfonie auf dem Prager Messegelände statt. Die Premiere wurde von Mahler selbst dirigiert, es spielten die Tschechische Philharmonie und das Orchester des Neuen deutschen Theaters in Prag. Das war der erste Impuls. Zudem dachte ich, Smetana, Dvořák, Janáček und Suk haben alle diese Vier in den Lebensdaten, dann müssen wir noch etwas anderes zeigen. Ich habe das mit Jakub lange diskutiert und wir haben gesagt, die Bamberger Symphoniker sind die tatsächlichen Nachfolger des Orchesters des Neuen deutschen Theaters. Nach der Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Musiker vom Prager Neuen deutschen Theater nach Bamberg gegangen und haben dort das Tonkünstlerorchester Bamberg gegründet. Das sind eigentlich die heutigen Bamberger Symphoniker, das ist die Verbindung von beiden Orchestern, da gibt es eine starke Logik. Das Konzert organisieren wir auf dem Prager Messegelände, nur leider wurde das provisorische Gebäude, in dem damals das Stück uraufgeführt wurde, nach der Ausstellung abgerissen.“

Bamberger Symphoniker | Foto: Andreas Herzau,  Dvořákova Praha

Wie sieht es mit den Eintrittskarten aus? Sind Sie in der Lage, die Kapazität von Zuschauerplätzen bei Bedarf zu erweitern?

Jan Simon | Foto: Daniela Simonová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks

„Ja, wir hatten ein wenig Angst, ob wir die Karten – die Kapazität beträgt 2000 Zuschauer – verkaufen, weil wir nicht ‚Mein Vaterland‘ oder die ‚Slawischen Tänze‘ spielen, aber es hat sich gezeigt, dass die Idee so stark ist, dass wir fast alle 2000 Karten verkauft haben. Wir sind bereit, auch Stehplätze zu eröffnen, wenn die Nachfrage besteht. Auch wenn es regnen sollte – nicht allzu stark und ohne Gewitter – müsste alles stattfinden, weil das Konzert vom Tschechischen Fernsehen übertragen wird. Dabei sind auch ARD, ZDF, der Bayerische Rundfunk und der Sender Arte.“

Haben Sie bestimmte Geheimtipps für die Besucher des Festivals? Einer davon ist vermutlich die konzertante Aufführung von Korngolds Oper „Die tote Stadt“. Die Oper ist wahrscheinlich viel bekannter im Ausland als hierzulande…

„In den deutschsprachigen Ländern bestimmt. Sie gehört dort sogar zum Stammrepertoire. In Prag wurde das Stück zuletzt vor 100 Jahren aufgeführt. In Brünn gab es glaube ich vor etwa 20 Jahren eine Aufführung im dortigen Nationaltheater. Aber die Musik ist fantastisch, die Arien sind so liebevoll und melodisch. Ich halte diese Oper für ein Highlight aus dem 20. Jahrhundert. Die Musik ist nicht so weit von Puccini entfernt. Die Musiksprache ist eigentlich meiner Meinung nach sehr ähnlich oder hat die gleichen oder ähnlichen Ausgangspunkte.“

Finden Sie es nicht schade, dass die Leute hierzulande Korngold kaum kennen, obwohl er zweimal mit einem Oscar für seine Filmmusik bedacht wurde?

„Ja, schon. Aber Korngold ist nicht der einzige. Es gibt mehrere Künstler, die aus Tschechien stammen, ins Ausland gegangen sind und dort berühmt geworden sind. Man sagt, ein Prophet gilt nichts in seiner Heimatstadt. Und dies gilt für Korngold hundertprozentig.“

Es gibt auch ein Konzert des Ensembles Collegium 1704. Es ist ein besonderes Konzert, da das Ensemble andere Musik als üblich spielt…

Collegium 1704 | Foto: Petra Hajská,  Archiv von Collegium 1704

„Für mich ist die Aufführung von Dvořáks Klavierkonzert auf einem Instrument, das eine Replik von Klavieren aus Dvořáks Zeit ist, am attraktivsten. Das Instrument stammt aus der Werkstatt von Paul McNulty. Das ist ein amerikanischer Klavierbauer, der jedoch in Tschechien seine Klaviere baut. Und es ist noch erfreulich, dass der Solo-Part vom Preisträger des internationalen Chopin-Klavierwettbewerbs für historische Instrumente in Warschau gespielt wird, dem kanadischen Pianisten Eric Guo.“

Welchen Platz nimmt der Wettbewerb für junge Musiker „Concertino Praga“ beim Festival ein?

„Für uns ist das eine sehr wichtige Veranstaltung. Ich bin sehr froh, dass sich der Tschechische Rundfunk entschieden hat, den Wettbewerb zusammen mit der Akademie der klassischen Musik, beziehungsweise dem Festival ,Dvořákova Praha‘, zu veranstalten. Unsere Absicht ist es, nicht nur den Wettbewerb zu organisieren, denn das kann jeder machen. Aber wir haben vor, die jungen begabten Musiker auf Dauer zu unterstützen – mit Stipendien und der Vermittlung von Meisterkursen. Wir können ihnen auch Debüts im Ausland vermitteln. Denn der Weg eines Künstlers ist wirklich nicht einfach. Das ist mit Spitzensportlern zu vergleichen. Es müssen viele Elemente zusammenspielen, bis es gelingt, eine ernstzunehmende Künstlerkarriere anzufangen.“

Das Festival „Dvořáks Prag“ findet von 6. bis 24. September statt. Für einige Konzerte gibt es noch Restkarten.