Heute vor 25 Jahren: Havel wird zum Präsidenten gewählt
Eine radikale Idee – so bezeichnete einer der Dissidenten Anfang Dezember 1989 die Nominierung Havels zum Präsidentschaftskandidaten. Nach stundenlangen Diskussionen im Bürgerforum wurde die Idee zur Wirklichkeit. Dabei musste sich der Dramatiker Václav Havel gegen einen Mann durchsetzen, der den Kommunismus einst reformieren wollte und seine zweite Chance gekommen sah.
„Herr Václav Havel wurde zum Präsident der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik gewählt.“
Es war ausgerechnet Havels größter Konkurrent um das Amt, der schließlich den Sieg seines Widersachers bekannt geben musste. Alexander Dubček, die Symbolfigur des Prager Frühlings, hatte sich nach dem Sturz des Regimes in Position gebracht. Doch die Leute aus dem Bürgerforum hatten genug von den Reformkommunisten – selbst Alexander Dubček schien ihnen zu sehr ein Mann der Vergangenheit. Sie wollten einen demokratischen Neuanfang, auch und vor allem an der Spitze des Staates. Der Musiker und Bürgerrechtler Michael Kocáb hatte Václav Havel erst wenige Wochen zuvor ins Spiel gebracht:
„Eines schönen Nachts kam er mit der Idee, was wir denn dazu sagen würden, wenn Havel Präsident werden würde. Das war aber zu einem Zeitpunkt, als Adamec, Císař, Mlynář und ich weiß nicht, wer noch, als Kandidaten im Gespräch waren. Darum haben wir Michal im ersten Moment nur völlig entgeistert angesehen. Es hat schon etwa ein bis eineinhalb Stunden gedauert, bis wir dann alle gemerkt haben, dass es doch eine sehr gute Idee ist.“So erinnert sich der Studentenführer Martin Mejstřík an die Nacht in Prag, als der Beschluss fiel, dass Havel als Präsident kandidieren solle. Innerhalb weniger Wochen wurde aus dem Dissidenten der bekannteste Mann des Staates. Die Studenten plakatierten sein Konterfei in den Straßen, der Slogan „Havel na Hrad“ – „Havel auf die Burg“ war allgegenwärtig. Ein großer Unterstützer Havels war der Chef der Übergangsregierung, Marián Čalfa. Havel selbst musste mit dem enttäuschten Dubček verhandeln. Fedor Gál gehörte 1989 zur slowakischen Reformbewegung:
„Die einzige Möglichkeit, um Dubčeks Enttäuschung ein wenig zu mildern, war es, ihm eine andere wichtige politische Rolle zuzuerkennen. Darum wurde er Parlamentspräsident. Er wurde nicht Präsident, obwohl er das sehr gerne geworden wäre, und darüber war er auch sehr enttäuscht.“Das Amt des Parlamentsvorsitzenden war eine symbolische Geste für Dubček. Havel hingegen wurde am 29. Dezember einstimmig von der Föderalversammlung zum Staatspräsidenten gewählt. Er war der erste Demokrat in diesem Amt seit 41 Jahren. Die Anzüge schienen dem neu gewählten Präsidenten anfangs noch nicht recht zu passen. Seine Worte klangen dagegen von Beginn an präsidial. In seiner Neujahrsansprache entwarf Havel sein Bild einer zukünftigen Tschechoslowakei:
„Wenn Sie mich nun fragen, von welcher Republik ich träume, kann ich Ihnen folgende Antwort geben: Ich träume von einer gerechten, unabhängigen, freien, einer wirtschaftlich erfolgreichen und dennoch sozial gerechten Republik. Kurz gesagt: von einer humanen Republik, die dem Bürger dient und darum auch hoffen kann, dass ihr der Bürger dient.“Im Juni 1990 wurde Havel erneut zum Präsidenten der Tschechoslowakei gewählt – dieses Mal von einem demokratisch gewählten Parlament. Nach der Teilung des Staates war er von 1993 bis 2003 der erste Präsident der Tschechischen Republik.