Tschechiens Wirtschaft wächst und zeigt sich robust zu Russland-Sanktionen
Wenn das Tschechische Statistikamt oder aber das Finanzministerium in Prag Prognosen zum wahrscheinlichen Defizit des Staatshaushalts abgeben, dann weckt dies nicht selten den Verdacht, dass ein Wunschdenken mit im Spiel ist. Wird eine solche Einschätzung indes von außen vorgenommen, und noch dazu von einer weithin geschätzten Expertencrew, dann hört man gleich zweimal hin. Letzteres war erst vor gut einer Woche der Fall, als die internationale Ratingagentur Moody´s ihre Prognose zum Haushaltsdefizit der Tschechischen Republik im Jahr 2014 deutlich verbesserte: von ursprünglich 2,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf nur noch 1,7 Prozent.
„Ich würde sagen, dass Moody´s vor allem an das tschechische Unternehmertum glaubt. Denn letztlich sind es die Firmen, die die Wirtschaftskraft verkörpern. Zum anderen ist positiv hervorzuheben, dass die jetzige Regierung der Wirtschaft keine Fesseln anlegt, wie noch unlängst befürchtet wurde.“
Auch in der Haushaltspolitik geht die Regierung von Premierminister Bohuslav Sobotka neue Wege. Finanzminister Andrej Babiš ist eifrig dabei, nach und nach die Schlupflöcher für Steuersünder zu schließen. Unter seiner Federführung wird das Hauptaugenmerk nun darauf gelegt, die laut Gesetz fixierten Steuern auch effizient einzutreiben. Und das zeigt Wirkung. So hat Babiš vor wenigen Wochen bereits verkündet, dass das Defizit im Haushalt anstatt der bewilligten 112 Milliarden Kronen zum Jahresende lediglich rund 90 Milliarden Kronen betragen wird. Das entspricht einer Einsparung von umgerechnet 800 Millionen Euro. Und diese Verlustreduzierung hat auch Moody´s in die neue Prognose einfließen lassen.
Laut der Ratingagentur werden sich in diesem Jahr auch die Staatsschulden im prozentualen Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) reduzieren, und zwar von den 46 Prozent des letzten Jahres auf 44,8 Prozent. Noch wichtiger aber ist, dass die tschechische Wirtschaft wieder nachweislich im Aufschwung ist. So hat das Statistikamt (ČSÚ) erst jüngst bekanntgegeben, dass das BIP im ersten Quartal um 2,9 Prozent gewachsen ist. Im vorigen Jahr war die Wirtschaft noch um 0,9 Prozent geschrumpft. Und auch im zweiten Quartal konnte das BIP gesteigert werden, und das um 2,5 Prozent. Tomáš Holub von der Tschechischen Nationalbank (ČNB) stellt der Wirtschaft daher ein gutes Zeugnis aus:„Die tschechische Ökonomie entwickelt sich deutlich besser, als wir das im November vergangenen Jahres erwartet haben. Dazu trägt nicht mehr nur der Außenhandel, sondern auch die gestiegene Binnennachfrage bei. Einfluss hat dabei - neben der nach der Krise wieder verbesserten Situation auf den Auslandsmärkten - natürlich auch der schwächere Kurs der Tschechischen Krone.“Außer den genannten Faktoren sind es auch die in diesem Jahr erheblich gestiegenen Investitionen, die die Volkswirtschaft ankurbeln. Dazu beigetragen haben auch zwei sehr starke Auslandsinvestoren, die beide aus Südkorea kommen: Nexen und Hyundai Mobis. Es gibt aber auch einen großen Mühlstein, der vielen hiesigen Unternehmen seit August im Weg steht – die beiderseitigen Sanktionen zwischen der Europäischen Union und Russland. Sie schränken die Auftragslage mehrerer tschechischer Exporteure merklich ein. Pavel Nový ist Personalchef der Firma Motorpal in Jihlava / Iglau:
„Aufgrund der europäischen Sanktionen hegen wir die Befürchtung, dass der russische Finanzmarkt möglicherweise destabilisiert wird. Das ist ein bedeutender Markt, auf den viele Firmen ihre Produkte liefern.“Die Auftragsverluste und somit möglichen Gewinneinbrüche auf dem russischen Markt sind indes die einzigen Unbekannten, die dem Aufschwung der Wirtschaft gegenwärtig im Weg stehen. Wirtschaftsprofessor Mejstřík hat jedoch festgestellt, dass tschechische Unternehmen mit diesem Problem weit besser zurechtkommen als manche Konkurrenten aus anderen europäischen Ländern:
„Die Zahl, die ich für den Rückgang des Russland-Exports von tschechischen Firmen für das erste Halbjahr angegeben habe, ist weit niedriger als die Einbußen, die andere Staaten wie zum Beispiel Deutschland zu verzeichnen haben. Das alles zeugt davon, dass die tschechische Ökonomie in dieser Beziehung robuster ist.“
Nach Ansicht von Michal Mejstřík ist die Tschechische Republik dank ihrer Ausrichtung auf die Industrieproduktion international sehr gut aufgestellt. In den EU-Ländern, die jetzt ebenfalls wieder im Aufwind sind, seien die Produkte des tschechischen Maschinenbaues gerade jetzt gefragt. Und die vergleichsweise großen Verluste Deutschlands auf dem russischen Markt seien auch dadurch zu erklären, dass der Nachbarstaat beim Export im Gegensatz zu Tschechien viel stärker auf Luxusgüter setze. Und für diese Waren ist die Nachfrage im Putin- Land inzwischen erheblich gesunken.