Frist für Rückgabe des Kircheneigentums läuft ab – dabei sind viele Fälle noch ungelöst
Während des Kommunismus sind die Kirchen und Glaubensgemeinschaften enteignet worden. Erst im vergangenen Jahr trat eine Regelung in Kraft, nach der der Staat 56 Prozent des Eigentums zurückgibt und für den Rest eine Entschädigungssumme zahlt. Alle Anträge auf Rückgabe des Eigentums an den Staat sollten eigentlich bis zu diesem Montag geklärt worden sein. Doch viele der weit über 100.000 Fälle sind noch nicht gelöst - auch wenn zum Beispiel das Staatliche Denkmalschutzamt vergangene Woche entschieden hat, den Katholiken die besonders wertvolle Wallfahrtskirche Zelená Hora zurückzugeben.
„Wir sind froh, dass der Staat dort das gemacht hat, was die Kirche auch getan hätte. In der Zeit, in der er dieses Baudenkmal aufgrund von Diebstahl in seiner Hand hatte, hat er sich darum gekümmert. Das ist eine der Ausnahmen bei den Baudenkmälern, die zurückgegeben werden sollen. Ich befürchte, dass wir andere Gebäude eher mit großen Schäden zurückerhalten werden. Ich danke dem Staat, dass er aber in diesem Fall seiner Verantwortung gerecht geworden ist. Nun werden wir uns weiter um die Kirche kümmern.“
Das Prunkstück in der Nähe von Žďár nad Sázavou / Saar, einer Stadt auf der Böhmisch-Mährischen Höhe, ist damit eines der attraktivsten Touristenziele außerhalb von Prag; jährlich kommen 46.000 Besucher, um den Bau aus dem frühen 18. Jahrhundert zu sehen. Obwohl der Betrieb also einträglich ist, hat das staatliche Denkmalschutzamt dem Antrag der Kirche auf eine Rückgabe zugestimmt, um nicht zu sagen: zustimmen müssen. Naděžda Goryczková leitet das Denkmalschutzamt:„Der Antragsteller hat alle vom Gesetz geforderten Bedingungen erfüllt, das Nationale Denkmalschutzamt ruft ihn nun dazu auf, ein Abkommen über die Herausgabe von Zelená Hora zu unterzeichnen. Ich gehe davon aus, dass das Abkommen binnen eines Monats unterzeichnet werden kann.“
Die Kirche des Architekten Johann Blasius Santini-Aichl ist überhaupt das erste Bauwerk, das das Denkmalschutzamt herausgegeben hat. Dabei muss diese Behörde nur 46 Immobilien überprüfen. Insgesamt fordern die Kirchen und Glaubensgemeinschaften aber über 1800 Gebäude und mehr als 112.000 Grundstücke zurück. Die Anträge werden vor allem vom Staatlichen Bodenfonds und von der Staatlichen Forstverwaltung beurteilt. Das Gesetz über die Kirchenrestitution sah vor, dass die Kirchen und Glaubensgemeinschaften ein halbes Jahr lang Zeit haben, um ihre Anträge einzureichen. Diese Frist lief zum 1. Januar ab. Die Behörden sollten dann innerhalb eines weiteren halben Jahres prüfen, ob die Liegenschaften oder die mobilen Gegenstände wie beispielsweise Bilder herausgeben werden können. Diese Frist zur Herausgabe geht nun an diesem Montag, dem 30. Juni, zu Ende. Aber beispielsweise das Prager Erzbistum wartet immer noch auf die Beurteilung von etwa einem Viertel seiner über 600 Anträge. Das Gesamtproblem ist auch den Regierungspolitikern bewusst. Die Sozialdemokraten wollen deswegen die Fristen verlängern und haben bereits Anfang des Jahres eine entsprechende Gesetzesnovelle ausgearbeitet. Der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Jeroným Tejc erinnerte im Februar daran, dass schließlich Rechtsansprüche vor allem aus den 1940er und 1950er Jahren geprüft werden müssen:„Wenn es sich um Eigentum handeln würde, dass den Kirchen vor zehn oder fünfzehn Jahren abgenommen wurde, könnte die Halbjahresfrist zur Beurteilung sicher reichen. Doch hier geht es um teils anfechtbare Ansprüche, zu denen 50, 60 oder 70 Jahre alte Dokumente in den Archiven gefunden werden müssen. Bei mehreren zehntausend Anträgen liegt es meiner Meinung nach nicht in den Kräften der staatlichen Organe, in sechs Monaten die Ansprüche adäquat zu beurteilen. Zudem wurden die meisten Anträge erst gegen Ende vergangenen Jahres eingereicht, und diese müssen nun gleichzeitig geprüft werden.“
Durch die Gesetzesnovelle soll die Prüfungsfrist für die Behörden bis Ende dieses Jahres verlängert werden.Interessant ist dabei, dass gerade Jeroným Tejc vor einigen Monaten noch die Kirchenrestitution als Ganzes kritisiert hatte. Er und weitere Sozialdemokraten wollten sowohl die Bedingungen für die Herausgabe von Eigentum ändern als auch die Höhe der Entschädigungszahlen zu reduzieren. Die Kirchen und Glaubensgemeinschaften sollen im Verlauf von 30 Jahren insgesamt 75 Milliarden Kronen (ca. 2,8 Milliarden Euro) für Eigentum erhalten, das nicht zurückgegeben werden soll. Die Kritik der Sozialdemokraten am Umfang der Kirchrestitution hatte zum Streit in der Koalition geführt, denn die Christdemokraten wollen nicht am bestehenden Gesetz rühren lassen. Aber schon im Februar deutete Tejc an, dass sich seine Partei mit einer Verlängerung der Fristen zufriedengeben könnte.
„Wir Sozialdemokraten sind mit einem eigenen Programm in die Wahlen im vergangenen Herbst gegangen. Ich habe den Wählern versprochen, dass wir die Kirchenrestitution verändern. Da ich mit meinen entsprechenden Vorschlägen keinen Erfolg gehabt habe, suche ich nach einer akzeptablen Lösung. Ich bin überzeugt, dass die Verlängerung der Fristen niemandem schaden wird. Und sie dürfte auch nicht gegen den Willen der Koalitionspartner sein.“Im Frühjahr brachten die Sozialdemokraten die Gesetzesnovelle ins Parlament ein. Vorvergangene Woche wurde sie vom Abgeordnetenhaus in erster Lesung verabschiedet. Auch die Christdemokraten, die zusammen mit den Sozialdemokraten und der Partei Ano die Regierungskoalition bilden, haben den Änderungen zugestimmt.
Wie schwer sich die staatlichen Institutionen bei der Beurteilung der Anträge tun, zeigt gerade auch der Fall der Wallfahrtskirche Zelená Hora. Nicht nur ein halbes Jahr, sondern ein ganzes Jahr lang hat das Denkmalschutzamt die Archive durchwühlt und alle Unterlagen genauestens geprüft. So forderte das Amt bei fünf Institutionen jeweils Dokumente aus den Archiven an, wobei diese per Gesetz jeweils 30 Tage Zeit für eine Antwort hatten.Dabei lag bei diesem Bauwerk der Fall eigentlich klar. Die Katholiken wurden 1953 unter Druck gezwungen, die Kirche dem Staat – wie es damals hieß – „zu schenken“. Damit gehört dies ganz klar zum Unrecht aus kommunistischer Zeit, das durch die Kirchenrestitution rückgängig gemacht werden soll. Es bestanden also keine Zweifel, ob die Kirche nicht etwa bereits zwischen dem Kriegsende und der Machtübernahme durch die Kommunisten am 25. Februar 1948 verstaatlicht werden sollte, das heißt aufgrund der sogenannten Beneš-Dekrete.
Andere Antragsteller waren weniger erfolgreich, zum Beispiel der Deutsche Orden, der seinen Sitz in Wien hat. Er fordert unter anderem die Burg Bouzov vom tschechischen Staat zurück und stellte deswegen ebenfalls bei den staatlichen Denkmalschützern einen Antrag auf Herausgabe des romantisch anmutenden Areals in Mähren. Doch die Behörde hat im Mai die Herausgabe der Burg und weiterer früherer Besitzungen des Ordens abgelehnt.„In diesem Fall hat es sich um drei Anträge gehandelt. Wir haben aber gleich in dreierlei Beziehung Zweifel an den Anträgen des Ordens. Weder die Burg Bouzov, noch das Inventar von Bouzov und auch nicht der Großmeisterpalast in Opava haben nach unseren Feststellungen zum ursprünglichen Eigentum des Antragsstellers gehört. Deswegen waren die Bedingungen für eine Herausgabe nicht erfüllt. Der zweite Punkt war, dass der Antragsteller nicht nachgewiesen hat, wie er zur fraglichen Zeit dieses Eigentum genutzt hat. Außerdem stehen die sogenannten Beneš-Dekrete der Herausgabe entgegen“, so Behörden-Sprecherin Simona Juráčková.
Beim Deutschen Orden hatte man mit einer solchen Antwort gerechnet. In der sogenannten fraglichen Zeit, gemeint ist die kommunistische Zeit zwischen 25. Februar 1948 und 1. Januar 1990, konnte der Deutsche Orden die Objekte gar nicht genutzt haben. Denn die Nazis hatten das Eigentum bereits 1938 nach der Besetzung der tschechoslowakischen Sudetengebiete konfisziert. Die Burg Bouzov riss sich dann SS-Chef Heinrich Himmler unter den Nagel. In der Nachkriegszeit forderte der Deutsche Orden sein Eigentum wieder zurück und prozessierte damals sogar. Nach der politischen Wende gingen die Brüder erneut vor die Gerichte. 1998 fällte das Prager Stadtgericht ein grundlegendes Urteil: Dies besagte, dass der Deutsche Orden unter der Nazi-Herrschaft nicht zu den sogenannten Verrätern des tschechoslowakischen Staates gehört haben soll und dass sich daher Konfiskationen im Rahmen der Beneš-Dekrete nicht auf sein Eigentum beziehen können. Dennoch musste der Orden in Tschechien weiter prozessieren. Und dies wird er nach dem negativen Bescheid des Denkmalschutzamtes auch weiter tun. Metoděj Hofman ist Vikar des Ordensgroßmeisters und gehört zur engsten Führung der Gemeinschaft:„Von Gesetzes wegen mussten wir die Anträge stellen, damit wir das Recht auf unsere Ansprüche nicht verlieren. Jetzt werden wir im Sinne des Gesetzes weiter verfahren. Wenn bei Gebäuden und nicht-landwirtschaftlichen Flächen die zuständigen Organe einen ablehnenden Bescheid ausstellen, dann lösen das die entsprechenden Gerichte. Im Falle von Grundstücken und Wäldern aus dem Bodenfonds werden wir uns an das Staatliche Liegenschaftsamt wenden. Wir nutzen also alle Möglichkeiten, die die Gesetze bieten. Wir haben für das Einreichen der Klageschrift drei Jahre Zeit ab dem Erhalt des abschlägigen Bescheids.“ Drei Jahre Zeit, das kommt für die katholische Kirche indes nicht in Frage. Vom Denkmalschutzamt will sie zum Beispiel das Kloster im mittelböhmischen Städtchen Sázava oder die Piaristenkirche im ostböhmischen Litomyšl / Leitomischl zurück. Der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Tomáš Holub, will daher die Entscheidung über die Wallfahrtskirche Zelená Hora nicht überbewerten:„Dies ist wie eine Schwalbe, die das Signal gibt, dass das Staatliche Denkmalschutzamt die gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Darüber sind wir sicher froh. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Wir warten auf weitere.“