Der Laurenziberg im Wandel der Zeit
Er erhebt sich am linken Moldauufer in der Nähe der Prager Burg: der Laurenziberg, auf tschechisch Petřín. Der Hügel galt schon immer als ein beliebtes Ausflugsziel, richtig populär wurde er, nachdem 1891 ein Aussichtsturm errichtet wurde. Wie aber sah es auf dem Laurenziberg vor einigen Jahrhunderten aus? Die Antwort nicht nur auf diese Frage bietet eine neue Dauerausstellung, die seit dem vergangenen Mittwoch im Souterrain des Aussichtsturmes zu sehen ist.
„Der Petřín hat nicht nur für die Prager eine besondere Bedeutung. Seit Jahrzehnten kommen am 1. Mai viele Paare auf den Hügel, um sich unter den dort blühenden Kirschenbäumen zu küssen. Denn einem Volksbrauch zufolge soll jede Frau am 1. Mai unter einem blühenden Baum geküsst werden. Darum eröffnen wir die Dauerausstellung gerade jetzt.“
Gestaltet wurde sie als eine Serie von Spaziergängen, so Tomáš Dvořák vom Prager Stadtmuseum. Er hat die Ausstellung zusammengestellt. Zunächst gehe es um eine Wanderung durch die Zeitepochen, ausgestellt sind historische Bilder des Hügels:„Im Mittelalter war der Hang sehr steinig. Der tschechische Name Petřín wird übrigens vom lateinischen ´petra´, Fels, abgeleitet. So bezeichnete schon der Chronist Cosmas im 12. Jahrhundert den Hügel. Damals war es aber noch kein Erholungsgebiet wie heutzutage. Der Petřín schloss praktisch den Kleinseitner Kessel. Es wurde hier Wein angebaut, später richtete man anstelle der Weinreben Obstgärten und Parkanlagen ein. Ab dem 17. und 18. Jahrhundert begann dann die Verwandlung der Landschaft. Die größten Änderungen wurden aber erst im 19. Jahrhundert auf dem Hügel durchgeführt. Der Park sowie der Kreuzweg, der zur Sankt-Laurenz-Kirche führt, wurden neu gestaltet. Nach dieser Kirche wurde der Petřín dann auch Laurenziberg genannt.“
Der deutsche Name des Hügels ist auch auf allen den historischen Abbildungen zu lesen, die in der Ausstellung zu besichtigen sind.Auf dem Laurenziberg gab es einst nicht nur Weinreben, sondern auch Stollen. Über den Bergbau auf dem Petřín wissen auch die Prager heutzutage kaum noch etwas, erklärt Jana Bělová. Auch sie hat sich an der Zusammenstellung der Dauerausstellung beteiligt. Der dortige Sandstein war einst sehr beliebt, sagt die Expertin:
„In der romanischen Zeit wurde in Prag der Sandstein des Petřín häufig als Baumaterial benutzt, auch wenn er nicht von guter Qualität war. So wurde er beispielsweise beim Bau der Judithbrücke im 12. Jahrhundert eingesetzt. Als vor kurzem Fragmente der Brücke in der Moldau gefunden wurden, stellten die Experten fest, dass sie eben aus dem Petříner Sandstein entstanden waren. Der Stein hat eine spezielle gelbe Farbe. Da das Material sehr weich war, zerfiel er sehr leicht in Sand. Und diesen Sand benutzten die Prager Hausfrauen früher beim Spülen des Geschirrs.“
Im weichen Sandstein war es nicht schwer, Weinkeller zu errichten. Einige halb verschüttete Keller aus jener Zeit, als noch Wein auf dem Petřín angebaut wurde, sind bis heute auf dem Hügel zu finden. Es habe aber auch Versuche gegeben, Steinkohle auf dem Petřín zu fördern, fährt Jana Bělová fort:„Die Steinkohle war aber auch von keiner guten Qualität und die Versuche in den 1830er Jahren endeten mit einem Misserfolg. Aber zwei Jahre lang hatten die Prager Flößer damals Angst, dass sie wegen des Bergbaus um das gute Holz vom Laurenziberg kommen könnten. Wenn man vom Aussichtsturm Richtung Strahov geht, stößt man noch auf einige Spuren der Abbauversuche sowie auf einige Stollen. In die Stollen wurden dann einige Einsiedeleien eingerichtet.“
Die sogenannten Einsiedeleien waren Orte, wohin sich die Eremiten zurückzogen.Der tschechische Wanderverein, tschechisch „Klub českých turistů", kann sich die Verdienste um die Verwandlung des Laurenzibergs in ein beliebtes Ausflugsziel auf die Fahnen schreiben. Er initiierte auch den Bau des Aussichtsturms. Gegründet wurde der Verein 1888, erzählt Jana Bělová:
„Der Wanderverein, damals hatte er 100 Mitglieder, beschloss kurz nach seiner Gründung, eine Reise nach Paris zu unternehmen. Hier sind auch die historischen Dokumente ausgestellt, aus denen hervorgeht, dass an dieser Reise sogar 363 Menschen teilnahmen. In Paris kamen die Vereinsmitglieder auf die Idee, einen tschechischen Eiffelturm zu bauen. Der Aussichtsturm auf dem Laurenziberg ist aber keine Kopie, er sieht dem französischen Vorbild nur ähnlich. Der damalige Vereinsvorsitzende Vilém Kurz veröffentlichte 1890 einen futuristischen Artikel über Pläne für einen Prager Eiffelturm, der seinen Worten zufolge schon in einem Jahr stehen sollte. Bewundernswert ist die Geschwindigkeit, mit der die Idee in die Tat umgesetzt wurde. Tatsächlich wurden die futuristischen Vorstellungen von Vilém Kurz innerhalb eines Jahres verwirklicht.“
Zwei Faksimiles des Artikels stehen den Besuchern der Ausstellung zur Verfügung. Der Bau wurde teilweise von der Stadt Prag finanziert, es war aber auch möglich, mit einer Spende zum Bau des Turms beizutragen. 1891 fand die große Landesjubiläumsausstellung in Prag statt, und da sollte der Aussichtsturm fertig sein.„Mit den Bauarbeiten wurde im Frühjahr 1891 begonnen. Wegen andauernden Frosts fing man zwar mit Verspätung an, trotzdem aber war der Bau schon im Juli fertig. Der Architekt des Turms war Vratislav Pasovský, die Konstruktion lieferte die Fabrik ´Mostárna pražská´. Kurz nach der Eröffnung des Aussichtsturms wurde schließlich auch die Seilstandbahn in Betrieb genommen. Die ersten Waggons der Bahn wurden in der Prager Ringhoffer-Fabrik hergestellt.“
Die Standseilbahn fährt noch heute auf den Laurenziberg und ist Teil des Prager öffentlichen Nahverkehrs.Der Aussichtsturm auf dem Petřín ist das ganze Jahr hindurch geöffnet, vom April bis September von 10 bis 22 Uhr.