Machtkampf bei Sozialdemokraten gefährdet Koalitionsverhandlungen
Die Wähler haben entschieden: Die Sozialdemokraten (ČSSD) wurden die stärkste Kraft bei den Abgeordnetenhauswahlen, die Bewegung Ano des Geschäftsmanns Andrej Babiš folgte dicht auf dem zweiten Platz. Gemeinsam mit den Christdemokraten wollen die Wahlsieger nun über eine Koalition verhandeln. Allerdings kompliziert ein Machtkampf in der Führung der ČSSD die bereits schwierige Situation.
Unter diesen Zeichen traf sich am Sonntagabend das Präsidium der Sozialdemokraten zu Beratungen. Michal Hašek verkündete das Ergebnis:
„Das erweiterte Parteipräsidium der Sozialdemokraten, das höchste Gremium zwischen den Sitzungen des Exekutivausschusses der Partei, hat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit Bohuslav Sobotka zum Rücktritt aufgefordert. Er muss die politische Verantwortung für das schlechteste Wahlergebnis der Sozialdemokraten in der jüngsten Geschichte übernehmen.“Doch so leicht wollte sich Sobotka nicht geschlagen geben. Zunächst rief er Staatspräsident Zeman auf, sich nicht in die internen Angelegenheiten der Sozialdemokraten einzumischen. Er sei Parteichef und als solcher werde natürlich auch er Koalitionsverhandlungen führen. Die Entscheidung des Parteipräsidiums bezeichnete er als Putsch durch seinen Kontrahenten Hašek:
„Michal Hašek sollte seine Bemühungen einstellen, falls er nicht eine Spaltung und eine Schädigung der Sozialdemokratie riskieren möchte.“Michal Hašek reagierte prompt. Seiner Meinung nach sei die Entscheidung im Parteipräsidium demokratisch gefällt worden:
„Zwei Drittel des Präsidiums haben für den Rücktritt gestimmt. Das Präsidium ist ein verhältnismäßig repräsentatives Organ, das sowohl aus führenden Politikern der Zentrale als auch aus Vertretern der Regionen besteht. Daher muss ich sagen, dass ich in den Worten über einen angeblichen Putsch eine tiefe Respektlosigkeit erblicke.“
Allerdings hat das erweiterte Präsidium nicht das Recht, den Vorsitzenden abzuwählen – das darf nur der Exekutivausschuss. Dieser tritt wohl am 10. November zusammen und wird dann eine Entscheidung im Machtkampf fällen. Indes gefährdet der Hickhack die mögliche Koalition zwischen ČSSD und den Christdemokraten (KDU-ČSL). Pavel Bělobrádek ist christdemokratischer Vorsitzender:„Solange nicht klar ist, ob es eine geeinte Fraktion der Sozialdemokraten gibt und wer für sie spricht, haben Verhandlungen für uns keinen Sinn.“
Die Partei Ano erwägt die Tolerierung einer Koalition aus ČSSD und Christdemokraten. Zu den Streitigkeiten innerhalb der Sozialdemokraten äußerte sich Parteichef Andrej Babiš kritisch. Man wolle berechenbare Partner, die sich an die Regeln halten, ließ der Milliardär ausrichten.