Tunnel zur Adria und andere unverwirklichte Projekte – Landesausstellung in Krumau
Die Landesausstellung von Oberösterreich und Südböhmen läuft noch bis Anfang November. Sie wird an vier Orten beiderseits der Grenze präsentiert. In Südböhmen sind dies Český Krumlov / Krumau und Vyšší Brod / Hohenfurth. Durch die Ausstellungsteile in der Zisterzienserabtei in Hohenfurth haben wir Sie bereits geführt. Im folgenden Reiseland Tschechien laden wir Sie in den Teil der Landesausstellung ein, der im Regionalmuseum in Krumau zu sehen ist. Unter dem Titel „Was wäre, wenn“ werden dort mutige Ideen und manchmal sogar kuriose Projekte vorgestellt, die im tschechisch-österreichischen Grenzraum entstanden sind, aber nie in die Tat umgesetzt wurden. Über die Ausstellung ein Interview mit dem Kurator Ivan Slavík.
„Seit 1990 arbeitet das Regionalmuseum intensiv grenzüberschreitend. In den vergangenen 23 Jahren haben wir inzwischen viele Themen in der Form einer Ausstellung bearbeitet. Wir wollten bei der Landesausstellung nichts wiederholen, daher haben wir überlegt und sind auf die Idee gekommen, das zu zeigen, was bisher niemand sehen konnte: Projekte, die nie realisiert wurden. Da es sich um eine grenzüberschreitende Ausstellung handelt, haben wir nach Projekten gesucht, die sowohl in Südböhmen als auch in Oberösterreich entstanden sind.“
Haben Sie von diesen unverwirklichten Projekten zuvor schon einige gekannt oder handelt es sich um völlig neue Entdeckungen, die Sie in den Archiven gemacht haben?„Wir haben schon einiges geahnt, aber nicht viel darüber gewusst. Die Vorbereitungen dauerten etwa drei Jahre lang. Wir haben in Archiven und Museen recherchiert und sind dabei auf interessante Projekte gestoßen, die später thematisiert wurden. In der Ausstellung sind etwa 25 verschiedene Projekte dokumentiert: Si stammen aus den Bereichen Natur oder Technik, beispielsweise Schwemmkanäle, Schiffskanäle oder Eisenbahntunnels, aber es sind auch politische und einige kulturelle Vorhaben darunter.“
Handelt es sich um Projekte der Moderne, also der Neuzeit, oder sind auch unverwirklichte Projekte aus dem Mittelalter dabei?„Visionäre, Träumer oder Utopisten gab es schon immer. Zu den ältesten nicht realisierten Projekten gehört beispielsweise der Plan von Kaiser Karl IV., die obere Moldau mit der Donau zu verbinden. Kein Wunder, dass er auf diese Idee kam, denn die Entfernung zwischen der oberen Moldau und der Donau beträgt ´nur´ 30 Kilometer. Wenn man einen derartigen Schiffskanal erbaut hätte, wäre ein durchgehender Wasserweg zwischen Hamburg und dem Schwarzen Meer entstanden.“
Wurden auch nach dem Tod von Karl IV. weitere Pläne für einen solchen Kanal geschmiedet?„Es gab unzählige Projekte für eine Verbindung zwischen der Moldau und der Donau, ich schätze etwa 15 bis 20. Berühmt sind die Pläne aus dem 17. Jahrhundert. Der Heerführer Albrecht von Waldstein wollte mit seiner Nordseeflotte durch einen Schiffskanal bis zum Schwarzen Meer gelangen. Die Idee scheiterte vor allem an technischen Problemen. Die damaligen Machthaber ahnten nicht, dass der Böhmerwald aus hartem und kompaktem Granit besteht. Auch wenn die Kanäle damals sehr exakt vermessen wurden, war der Bau aus technischer Sicht nicht verwirklichbar. Für uns war es eines der größten Probleme, die Unterlagen für die Projekte, die nicht verwirklicht worden sind, zusammenzubringen. Zu Beginn waren wir ein wenig skeptisch, ob wir überhaupt Materialien zu diesen Themen finden. Aber wir fanden schließlich doch mehrere exakt gezeichnete Landkarten und Baupläne, in denen alles detailliert aufgezeichnet worden war.“
Sie sind auch auf ein fast Science-Fiction-Projekt gestoßen, das aus der kommunistischen Zeit stammt: auf den Plan für einen Eisenbahntunnel, der Südböhmen mit der Adriaküste verbinden sollte. Sollte dieser Tunnel direkt in Krumau beginnen?„Nein, nicht in Krumau, aber nicht weit von hier. Es wurde geplant, eine Direktverbindung aus der ČSSR an die Adria zu bauen. Der Tunnel sollte von Budweis bis nach Koper in Slowenien führen und 345 Kilometer lang sein. Das war natürlich eine reine Utopie. Für die gab es aber ideologische Gründe. Die Idee entstand in den 1960er Jahren, veröffentlicht wurde das Projekt 1978. Es war eine Art Reaktion des kommunistischen Regimes auf die Bauarbeiten am Kanal-Tunnel zwischen Frankreich und England. 1976 wurde der Bau aufgrund der Ölkrise für kurze Zeit unterbrochen. Man wollte dann sagen können: Der Kapitalismus stirbt, und der Sozialismus baut. Der damals längste Eisenbahntunnel der Welt war in der Schweiz: der Simplon-Tunnel Nummer eins, er war 19 Kilometer lang. In Prag aber wurde ein Tunnel mit über 300 Kilometer Länge entworfen.“
Die Baupläne für den kuriosen Tunnel zur Adriaküste sind zweifelsohne erhalten geblieben. Wie haben Sie aber sonst dieses absurde Projekt den Besuchern nähergebracht?„Dieser Tunnel war eine so große Utopie, dass wir sie in der Ausstellung mit etwas Humor und Ironie gestaltet haben. Wir wollten, dass die Besucher verstehen, was die Gründe waren.“
Haben Sie bei der Darstellung des Tunnels auch an die Grenzkontrollen gedacht?
„Natürlich. Vor 1989 gab es strenge Passkontrollen. In der Ausstellung führen wir mit Hilfe von lebensgroßen Figuren eine solche Grenzkontrolle im Zug vor. Wenn jüngere Leute vor dieser Szene aus dem Zug stehen, verstehen sei manchmal nicht, was dort vorgeht. Sie können sich nicht mehr vorstellen, welch Prozedur eine Passkontrolle damals war. Gott sei Dank sind diese Zeiten vorbei.“Wie schnell sollte eigentlich der Zug sein?
„Für die Fahrt von Budweis nach Koper rechnete man mit vier Stunden. Der Tunnelbau sollte 20 Jahre lang dauern und man wollte 1995 beginnen. Interessant ist, dass dies nicht die erste Idee dieser Art war. 1905 wollte beispielsweise der russische Zar einen Eisenbahntunnel zwischen Alaska und Russland bauen. Wir kennen auch andere Visionen: 1910 gab es Pläne für einen Atlantik-Tunnel zwischen London und New York.“
In der Landesausstellung werden nicht nur technische, sondern auch politische Themen bearbeitet. Dazu gehören beispielsweise die Pläne des jungen tschechoslowakischen Staates, eine Kolonie zu gründen oder eine Insel zu kaufen. Wer war damals auf diese Idee gekommen?„Auf diese Idee kam einst einer der Gründerväter der Tschechoslowakei, General Milan Rastislav Štefánik. Er wollte ursprünglich von Tahiti eine Insel kaufen und dort eine slowakische oder später tschechoslowakische Kolonie gründen. Das war eine wirklich exotische Idee. Nach 1918 wollte die Tschechoslowakei wiederum eine andere Insel kaufen, und zwar die Insel Jan Mayen, die zwischen Island und Grönland liegt. Vor einigen Jahren wurden dort große Erdölressourcen gefunden, heutzutage wäre der Besitz also ziemlich interessant. Aber das Klima dort ist sehr extrem, die Insel ist unwirtlich. Es gibt dort heute nur eine norwegische Wetterstation, mehr nicht.“
Wollten die Tschechoslowaken nicht auch nach Afrika expandieren?„Ja. Nach dem Ersten Weltkrieg wollte die Tschechoslowakei die Verwaltung über ein Land in Zentralafrika übernehmen. In Frage kam damals Togo, Deutschland hatte diese Kolonie gerade verloren. Wie wir aus den Überlieferungen wissen, wurde im tschechoslowakischen Parlament in Prag aber zu lange diskutiert. Die Briten und die Franzosen waren schneller und verwalteten Togo dann bis 1960 als britisch-französische Kolonie.“