Willkommen im Mittelalter: die Burg Bečov

Burg Bečov (Foto: Martina Schneibergová)

Bečov / Petschau liegt etwa 15 Kilometer südlich der Kurstadt Karlovy Vary / Karlsbad. Das Städtchen am Fluss Teplá / Tepl dominieren ein Barockschloss und eine gotische Burg. In unseren Sendungen haben wir Sie bereits durch das Schloss geführt. Seit 2002 lässt sich dort auch das berühmte romanische Reliquiar des heiligen Maurus bewundern. Gelegentlich finden aber auch Sonderführungen durch die Burg statt: Im Rahmen des Projektes „(Un)geahnte Zusammenhänge“ können die Besucher sonst nicht zugängliche Räumlichkeiten betreten. Dabei lernen sie auch mittelalterliche Bauverfahren sowie Methoden zur Rettung historischer Bauten kennen.

Burg Bečov  (Foto: Martina Schneibergová)
Wenn man mit der Bahn von Karlsbad nach Bečov fährt, ist die imposante Burg das Erste, was man von Bečov erblickt – noch bevor der Zug auf dem dortigen Bahnhof hält. Von dort aus führt die Straße, natürlich die Bahnhofstraße, hinauf zum Marktplatz. Sowohl Schloss- als auch Burgareal sind nur ein paar Schritte entfernt. Durch das Barockschloss kommt man zu einer steilen Treppe, die zur Burg führt. Kateřina Rozinková ist stellvertretende Kastellanin von Bečov. Vor der Sonderführung verteilt sie den Besuchern einen Plan der Anlage mit Zeichnungen und Fotos. Anhand der Unterlagen können sich die Gäste eine Vorstellung davon machen, wie die Burg ursprünglich ausgesehen hat. Ein kleines Begriffsverzeichnis auf dem Plan enthält zudem ein paar nützliche Vokabeln aus der Kunstgeschichte, die für die Besichtigung einer gotischen Burg interessant sind.

Kateřina Rozinková  (Foto: Archiv des Nationalen Denkmalschutzamtes)
Kateřina Rozinková beginnt damit, dass es Belege dafür gebe, dass auf dem Felsen über dem Fluss Teplá bereits Ende des 13. Jahrhunderts gebaut wurde:

„Was wir hier besichtigen werden, sie erkennen es auf dem Burgplan, stammt alles aus dem 14. Jahrhundert. Damals entstanden an diesem Ort die ersten Bauten. Der Kapellenturm diente ursprünglich zu Wohnzwecken. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde im Turm eine Kapelle errichtet, der Turm trägt ihren Namen. Zudem gab es dort damals den Donjon: In diesem Turm befanden sich einige Wohnungen. Weiterhin gab es hier im 14. Jahrhundert einen gotischen Palast. An seiner Stelle steht heute ein Palast aus dem 19. Jahrhundert. Zurzeit arbeiten in diesem Teil des Areals Archäologen. Das letzte im 14. Jahrhundert entstandene Gebäude ist der runde Turm, der so genannte ´Bergfried´, der gleich hinter dem Schloss zu sehen ist. Er sieht nicht mehr aus wie im Mittelalter, heutzutage ist er niedriger als damals. Er diente auch als Aussichtsterrasse. Das alles wurde unter den Herren von Ossegg erbaut, sie sorgten hier für einen Bauboom.“

Foto: Martina Schneibergová
Danach wechselte die Burg einige Mal den Besitzer. Erst Ende des 15. Jahrhunderts kam Bečov wieder in den Besitz einer einflussreichen Adelsfamilie: und zwar der Pflug von Rabenstein. Genauso wie die Herren von Ossegg haben sie Rozinková zufolge hohe Ämter am königlichen Hof bekleidet.

„Zu Repräsentationszwecken ließen sie einen Bau errichten, der den Kapellenturm mit dem Donjon verband. Es ist ein großer Trakt mit verblendeten Fenstern, in dem sich große Festsäle – so genannte ´tabulnice´ befanden. Auch der gotische Palast wurde damals umgebaut, von ihm blieb jedoch nichts mehr erhalten, er verschwand durch die späteren Bauten. Kaspar Pflug von Rabenstein musste wegen seiner Teilnahme am Aufstand gegen Ferdinand I. seine Burg Bečov verlassen und flüchten. Zu wichtigen Änderungen auf dem Gelände kam es dann wieder unter den Questenbergs, denen Bečov seit 1624 gehörte. Die Burg diente nicht mehr zu Wohn- und Wehrzwecken, sondern wurde als Wirtschaftsgebäude, Speicher sowie Lagerraum genutzt.“

Schloss Bečov | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
Die Familie Questenberg ließ Anfang des 18. Jahrhunderts unterhalb der Burg ein Barockschloss erbauten, in dem sie gewohnt haben. Weil die Burg in der frühen Neuzeit nie umgebaut wurde, sind dort immer noch viele Originalelemente aus dem Mittelalter zu sehen. Dabei handelt es sich sowohl um Holzkonstruktionen als auch um Steinverzierungen und andere architektonische Details.

„Das alles wäre nicht erhalten geblieben, wenn man die Burg zu Wohnzwecken kontinuierlich genutzt und sie aus dem Grund mehrmals umgebaut hätte. Da sie aber viele Jahrhunderte als Speicher diente, blieb der Bau intakt. 1813 wurde Bečov vom Herzog von Beaufort-Spontin erworben. Die Familie Beaufort-Spontin stammte aus Belgien. Im Laufe der Zeit verwandelte sie Bečov in ihre Hauptresidenz in Europa. Sie brachten viele Kunstsammlungen nach Westböhmen mit und ließen deswegen den Burgpalast umbauen. Sie dachten daran, die Burg in ein Museum ihrer Familiensammlungen zu verwandeln. Es gab Pläne für eine Umgestaltung des ganzen Burg- und Schlossareals in einen einheitlichen historisierenden Baustil. Der Entwurf für den Umbau stammte vom bekannten tschechischen Architekten Josef Zítek, der am Bau des Prager Nationaltheaters beteiligt war. Zum Glück wurden die Pläne nicht in die Tat umgesetzt. Stattdessen ist ein Komplex von authentischen historischen Bauten erhalten geblieben, die man heutzutage bewundern kann.“

In der Burgkapelle unter dem Fußboden wurde das Reliquiar des heiligen Maurus gefunden  (Foto: Martina Schneibergová)
Nach dem Krieg wurden die Burg und das Schloss aufgrund der Beneš-Dekrete vom tschechoslowakischen Staat konfisziert. Das Areal gehörte nicht zu den Sehenswürdigkeiten, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, die Räumlichkeiten der Burg wurden als Lagerräume genutzt. In den so genannten „Pflugschen Häusern“ wurden Unterkünfte für Arbeiter der Urangruben in Jáchymov / Joachimsthal eingerichtet und in das Barockschloss zog eine Grundschule und eine Bibliothek. In den 1960er Jahren übernahm das Denkmalschutzamt das Areal und begann mit den ersten Schritten zur Rettung des historischen Baudenkmals.

„Zur Rettung der Burg trug besonders ein Ereignis aus dem Jahr 1985 bei: Damals wurde in der Burgkapelle unter dem Fußboden das romanische Reliquiar des heiligen Maurus gefunden. Aber erst 1996 wurde das Barockschloss für die Öffentlichkeit geöffnet, das Reliquiar wurde sogar erst 2002 ausgestellt. Zurzeit wird die herrliche mittelalterliche Burg mitsamt der Umgebung instandgesetzt. Diese Etappe der Renovierung soll 2015 bis 2016 beendet werden.“

Foto: Martina Schneibergová
Das Projekt der Konservierung und Präsentation der Burg Bečov wurde 2010 mit dem internationalen Preis „Europa Nostra“ ausgezeichnet. Sonderführungen im Rahmen des Projektes „(Un)geahnte Zusammenhänge“ werden noch am zweiten Wochenende im August und an einem Septemberwochenende angeboten. Für die Teilnahme ist eine Reservierung im Voraus notwendig.

Die Sonderführung durch die Burg Bečov, die den Untertitel „Das Abenteuer des Kalks und des Sands“ trägt, werden wir in einer der nächsten Ausgaben der Sendereihe „Reiseland Tschechien“ fortsetzen.

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