Die Schwarzenbergs - das treue böhmische Adelsgeschlecht
Der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg ist – wie bekannt – Fürst. Seine Familie ist ein altes Adelsgeschlecht in Böhmen. Während des Präsidentenwahlkampfs waren von Seiten des Amtsinhabers Václav Klaus und des letztlich siegreichen Kandidaten Miloš Zeman Zweifel geäußert worden an der Loyalität der Schwarzenbergs gegenüber dem tschechischen Staat. Wie sah es also aus mit dieser Loyalität im Laufe der Geschichte?
In Böhmen ließen sich die Schwarzenbergs aber erst 1654 dauerhaft nieder. Johann Adolf bekam damals die Stadt Třeboň, auf Deutsch Wittingau, als Geschenk von Kaiser Ferdinand III. In der Folge baute die Familie ihre Besitzungen in Südböhmen immer weiter aus, zu Zeiten der größten Ausdehnung nahmen sie etwa zwei Drittel des heutigen Kreises Südböhmen ein. Obwohl sich die Familie auf zwei Zweige aufteilte, spielte sie auch in der Politik eine große Rolle, erläutert der Historiker Martin Putna.
Die Muttersprache der Schwarzenbergs war zunächst Deutsch, aber sie lernten auch Tschechisch, um ihre Untertanen verstehen zu können. Die Sprachpolitik der beiden Zweige war jedoch unterschiedlich.
„Die Mitglieder des Zweiges Wittingau / Krumau respektierten konsequent die Sprachteilung ihrer Besitzungen. Mir wurde die nette Legende erzählt, der nach jeder der Schwarzenbergs bei Inspektionsfahrten durch seine Besitzungen zwei Gebetsbücher bei sich hatte: ein tschechisches und ein deutsches. Diese setzte er je nachdem ein, in welcher Gemeinde oder Kirche er am Sonntag eintraf. Der Orlík-Zweig hat sich dagegen grundsätzlich tschechisiert, er identifizierte sich mit den tschechischen nationalen Interessen. Vor allem Karl V. galt als Hoffnung in der tschechischen Politik, doch er fiel während des Ersten Weltkriegs an der Front. Es gab einige, die dies beklagt haben. Der Dichter Adolf Heyduk schrieb zum Beispiel ein trauriges Gedicht darüber, wie der so geschätzte Fürst ums Leben kam.“Ein anderer bei den Tschechen beliebter Schwarzenberg war Friedrich, eigentlich Bedřich. Am Ende des 19. Jahrhunderts war er Vorsitzender mehrerer Organisationen: der Gesellschaft zum Bau eines Nationalmuseums, der Česká beseda, was man vielleicht als tschechisches oder böhmisches Gespräch übersetzen könnte, und des Landwirtschaftsrates Böhmen.
Außer über politischen Einfluss verfügten die Schwarzenbergs auch über ansehnlichen Reichtum. Vor dem Ersten Weltkrieg besaßen sie etwa 176.000 Hektar Boden und zahlreiche Betriebe wie Bergbauunternehmen, Ziegeleien, Brauereien oder Sägewerke.Die Entstehung der Tschechoslowakei im Jahr 1918 gefährdete jedoch die bisherige herausragende Stellung der Aristokratie. Mit einem der ersten Gesetze in dem neuen demokratischen Staat wurden die Adelstitel und Adelsprivilegien abgeschafft. Darüber hinaus verabschiedete das Parlament eine umfangreiche Agrarreform mit dem Ziel, jeglichen Bodenbesitz ab 150 Hektar landwirtschaftlicher Fläche zu verstaatlichen. Das Vorhaben wurde schließlich nur zum Teil umgesetzt. Stark betroffen waren aber Großgrundbesitzer wie die Familie Schwarzenberg. Martin Putna.
„Durch die Agrarreform verloren sie etwa 61.000 Hektar Ackerland und Forstgebiete, das heißt sie blieben vermögende Großgrundbesitzer. Die Schwarzenbergs bewahrten zunächst - wie auch andere Adlige - eine gewisse Distanz zum neuen Staat. Diese Distanz verkürzte sich aber schrittweise. In der Krisenzeit zu Ende der 1930er Jahre erklärten sogar Mitglieder bestimmter Adelsgeschlechter ihre Loyalität zur Tschechoslowakei. Der erste Fall war 1938 noch vor der Abtretung der Sudetengebiete an Deutschland ein Treueschwur, den sie Präsident Edvard Beneš auf der Prager Burg offiziell überbrachten. Die zweite Erklärung kam 1939, also bereits im Protektorat Böhmen und Mähren. Damals bekannten sich dieselben Adligen offen zu ihrer tschechischen Nationalität. Dies war eine sehr mutige Tat, denn sie hätten sich auch zu Deutschen erklären und sich damit eine gute Stellung bei den nationalsozialistischen Okkupanten sichern können. Die Initiatoren beider Treueerklärungen waren gerade die Schwarzenbergs, sie nahmen damit immense Risiken auf sich.“ Die Vergeltung der Deutschen ließ nicht lange auf sich warten. Schon bald wurde das Eigentum der Unterzeichner unter Zwangsverwaltung gestellt. Jindřich von Schwarzenberg wurde verhaftet und im Konzentrationslager Buchenwald eingesperrt. Karl VI., der Vater des heutigen tschechischen Außenministers, unterstützte den Widerstand gegen die Nazis. Kurz vor Kriegsende organisierte er im April 1945 auf seinen Besitzungen einen Aufstand gegen die deutschen Besatzer, nach der Befreiung des Landes wurde er deswegen in Čimelice spontan zum Vorsitzenden des Nationalausschusses gewählt. Seine Verwandten František und Arnošt von Schwarzenberg kämpften am Ende des Krieges auf den Prager Barrikaden gegen die Wehrmacht. Doch die Geschichte kennt keine Dankbarkeit. 1947 verabschiedete das tschechoslowakische Parlament die so genannte Lex Schwarzenberg. Per Gesetz wurde nun das Eigentum der Familie konfisziert. Was war der Grund?„Ließt man dazu zeitgenössische Texte, die zum Beispiel in Zeitungen veröffentlicht wurden, dann lässt sich dort folgendes Argument finden: Zwar könne man den Schwarzenbergs keinerlei Kollaboration mit den Nazis vorwerfen, doch sei in der neuen sozial gerechten Republik nicht möglich, dass einzelne Menschen so viel Eigentum besäßen. Es bestanden also sozialpolitische Motive. Und weil die Schwarzenbergs wirklich die größten Grundeigentümer waren, wollte man an ihrem Beispiel zeigen, dass die Republik sich in die neue, sozialistische Richtung orientiert.“
Kurz darauf kam es zur kommunistischen Machtergreifung. 1948 ging deswegen fast die ganze Familie Schwarzenberg in die Emigration. Einzig Arnošt von Schwarzenberg blieb in der Tschechoslowakei. 1953 wurde er von den Kommunisten verhaftet und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
Die anderen unterstützten die Opposition im Exil. Der Vater des heutigen Außenministers gründete am Stammsitz Schloss Schwarzenberg in Franken ein Zentrum der tschechischen unabhängigen Literatur. Das Ende des Kommunismus erlebte er leider nicht mehr. Sein Sohn Karel kehrte aber direkt nach der Wende zurück in seine Heimat. Anfang der 1990er Jahre war er Kanzler des Präsidenten Václav Havel, und vor sechs Jahren wurde er Außenminister. Mit dem politischen Engagement für seine Heimat setzt er die Tradition seiner Familie fort.