EU-freundlich und meinungsfreudig – Zeman wird Staatspräsident
Erst im März übernimmt Miloš Zeman sein neues Amt als Staatspräsident. Derzeit ruht er sich für ein paar Tage in seinem Haus auf der Böhmisch-Mährischen Höhe aus. Danach wolle er sich bereits auf die Amtsübernahme vorbereiten, hatte der 68-Jährige am Wahlabend verkündet. Was für ein Präsident wird also Zeman? Das ist eine der zentralen Fragen, die nun alle – im In- wie im Ausland – interessiert.
In den vergangenen beiden Wochen hatte Zeman deutlich nationalistische Töne in seine Kampagne einfließen lassen. So zielte er auf Schwarzenbergs Emigration nach Österreich und dessen adlige Herkunft. Er versuchte dem Fürsten die Befähigung und das moralische Recht abzusprechen, die Tschechische Republik zu repräsentieren. Politologen glauben, dass dies Zemans Taktik war, um auch die Wähler des scheidenden Amtsinhabers Václav Klaus hinter sich zu bringen. Der Politologe Lukáš Jelínek von der Brünner Masaryk-Universität geht davon aus, dass sich die Stimmung des Wahlkampfs nicht auf die Zusammenarbeit zwischen Zeman und Schwarzenberg übertragen wird:
„Letztlich sind Karel Schwarzenberg und Miloš Zeman bisher nie als politische Konkurrenten wahrgenommen worden. Erst die Präsidentenwahl hat sie vielleicht etwas unerwartet so zusammengeführt. Deswegen glaube ich auch nicht, dass zwischen ihnen so etwas wie Hass besteht, auch wenn der Wahlkampf manchmal zu hart geführt wurde und in bestimmten Momenten geschmacklos war. Meiner Meinung nach werden sich ab jetzt die Dinge zwischen dem zukünftigen Präsidenten und den übrigen politischen Repräsentanten abspielen und nicht zwischen ihm und dem ihm unterlegenen Gegenkandidaten. Vor allem kann ich mir nicht vorstellen, dass Miloš Zeman als gewählter Präsident das Bedürfnis haben wird, sich in die Bereiche von Schwarzenberg als Außenminister einzumischen. Sie werden beide sehr darauf achten, dass keinerlei Handlungen von ihnen als verletzte Eitelkeiten interpretiert werden könnten.“ Miloš Zeman hat in seiner Wahlkampagne versucht, sich als Kandidat der gesamten Linken zu profilieren, der die Politik der rechtsgerichteten Regierungskoalition ablehnt. Welchen Einfluss versucht der 68-Jährige also nun auf das politische Geschehen in der Tschechischen Republik zu nehmen? In einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte der designierte Nachfolger von Václav Klaus noch am Wahlabend:„Ich möchte vor allem die politische Szene beruhigen. Und ich glaube, dass diese Beruhigung eher ein Präsident erreichen kann, der nicht direkt mit einer Partei im Parlament verbunden ist als ein Präsident, der irgendein Parteileibchen trägt. Ich will auf der Burg eine gewisse neutrale Zone für den Dialog der Politiker einrichten, um sachliche, ruhige und möglichst auch freundschaftliche Diskussionen führen zu können. Und ich hoffe, dass mir dies auch gelingt.“
Doch dies ist nur eine der Aussagen des Neuen auf der Prager Burg. Bei den ersten Medienauftritten nach seiner Wahl hat Zeman zugleich deutlich gemacht, dass ihm nichts lieber wäre als vorgezogene Neuwahlen, also ein Sturz der Dreiparteienkoalition des konservativen Premiers Petr Nečas. Auch gegenüber dem Tschechischen Rundfunk klang dies an:„Es kann zu der Situation kommen, dass einige heutige Abgeordnete der Regierungskoalition so überdrüssig von der Politik der jetzigen Regierung sind, dass sie sich entscheiden, dieser Regierung nicht das Vertrauen auszusprechen.“
Ein Misstrauensvotum zu initiieren liegt aber natürlich nicht in Zemans Macht. Der Verfassung nach beschränken sich die Kompetenzen des tschechischen Präsidenten wie des deutschen Bundespräsidenten im Großen und Ganzen auf repräsentative Funktionen. Doch gibt es eine bestimmte Tradition, dass starke Präsidenten sich auch in konkrete politische Fragen einmischen. Das will auch Miloš Zeman so handhaben:„Ich werde zu den Kabinettssitzungen gehen, wenn die Regierung Gesetze behandelt, die für das Schicksal unseres Landes wichtig sind. Ich werde nicht hingehen, wenn die Regierung zum Beispiel ein Gesetz über das Punzieren von Edelmetallen bespricht, weil ich erstens davon nichts verstehe und zweitens, weil ich denke, dass dies eine technische Angelegenheit ist, in die der Präsident nicht hineinzureden hat. Auf der anderer Seite, wenn die Regierung solche Gesetze bespricht wie die Rentenreform, die Steuerreform oder die Kirchenrestitution, dann ist es meiner Meinung nach sogar die Pflicht des Präsidenten, zu der Sitzung zu kommen und die Regierung mit seiner Meinung bekannt zu machen.“
Politologe Jelínek glaubt, dass das zukünftige neue Staatsoberhaupt in diesem Sinn sehr aktiv sein dürfte:„Bestimmte Risiken bestehen für das Verfassungssystem und für die Parteien. Denn Zeman wird allen Anscheins nach sehr aktiv sein, in bestimmter Hinsicht sogar mehr als der scheidende Präsident Václav Klaus – und das will etwas heißen. Jede Regierung wird sich wohl in Zukunft auf einiges gefasst machen müssen.“
Das Tschechische Fernsehen hatte eine Umfrage in Auftrag gegeben und wollte wissen, welche Befürchtungen die Tschechen bei einem Einzug des einen oder anderen Präsidentschaftskandidaten auf die Burg hegen. Rund 60 Prozent sagten, sie fürchteten bei der Wahl von Zeman um das Außenbild der Tschechischen Republik. Politologe Jelínek will das so aber nicht stehen lassen:
„Eine Frage ist, welche Risiken sich bei ihm selbst bewahrheiten könnten, und die andere, welche bei seinen Mitarbeitern – mit oder gegen seinen Willen. Das kann man zum Teil trennen. So hat Miloš Zeman in den vergangenen Jahren gesagt, dass er keine Verantwortung dafür getragen habe, was seine Berater während seiner Amtszeit als Premier gegen seinen Willen und ohne sein Wissen getan hätten. Ähnliches könnte sich durchaus wiederholen, denn Zeman hat mehrfach erwähnt, dass er die Personalpolitik für eine seiner größten Schwächen hält.“Wer seine engsten Mitarbeiter werden sollen, hat Zeman bisher allerdings noch nicht gesagt. Dabei war im Vorfeld ein Name schon gefallen. Zeman wollte gerne den jetzigen Leiter der Präsidentenkanzlei, Jiří Weigl, übernehmen. Mittlerweile kam aber die Absage von Weigl.
In einem zentralen Punkt unterscheidet sich Zeman ganz deutlich von seinem Amtsvorgänger: Er gibt sich pro-europäisch und nennt sich einen „Euro-Föderalisten“. Klaus hatte sich hingegen als scharfer EU-Kritiker profiliert und damit immer wieder das Bild der Tschechischen Republik im Ausland geprägt. Der sozialdemokratische Vorsitzende des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, zeigte sich jedenfalls erfreut über den Machtwechsel auf der Prager Burg. Schulz wies darauf hin, dass Zeman in seiner Zeit als Premier geholfen habe, den tschechischen EU-Beitritt auszuhandeln. Tschechien werde eine bedeutende Rolle in der Debatte über die Zukunft Europas erhalten, glaubt Schulz. In diesem Sinn rät auch Politologe Lukáš Jelínek, nicht den Teufel an die Wand zu malen:
„Ich glaube, Zeman wird sehr darauf achten, dass er dem Bild der Tschechischen Republik im Ausland keinen Schaden zufügt. Ich glaube sogar, dass er in diesem Sinn ein sehr würdiger tschechischer Präsident sein wird und ihm auch die deutsche Seite einige der Beleidigungen nachsieht, die im Wahlkampf vor der zweiten Runde der Präsidentenwahl geäußert wurden.“