Tschechien im Tennisfieber: Nach Fed-Cup-Sieg soll auch Davis Cup geholt werden

Foto: David Kubíček, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Prag ist zurzeit der Tennisnabel der Welt. Genauer gesagt die Prager O2-Arena, denn sie war und ist in diesen Tagen die Austragungsstätte der beiden Finals in den populären Mannschaftswettbewerben des weißen Sports – dem Davis Cup und dem Fed Cup. Möglich wurde dies durch die starken Vorstellungen der tschechischen Tennisspielerinnen und -spieler in dieser Saison. Die Damen haben ihre finale Schlacht schon geschlagen, und zwar erfolgreich: Sie bezwangen die Serbinnen mit 3:1 und verteidigten damit ihren Titel aus dem Vorjahr. Die Herren wollen es ihnen nun am Wochenende gleichtun, wenn sie zu Hause gegen Titelverteidiger Spanien antreten.

Lucie Šafářová tanzt nach dem entscheidenden Ball  (Foto: David Kubíček,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Riesenjubel brandete auf unter den 14.000 Zuschauern in der O2-Arena, als die 25-jährige Lucie Šafářová den Matchball verwandelte zu ihrem ungefährdeten Zwei-Satz-Sieg über Jelena Jankovic. Das war vor zehn Tagen, als die Nummer zwei des tschechischen Teams zur Glanzform auflief: Sie gewann ihre beide Einzel gegen Ivanovic und Jankovic und schwang sich damit zur großen Heldin des Prager Fed Cup-Finals auf. Eine Rolle, die man ihr so nicht zugetraut hatte und die eigentlich fast immer die drei Jahre jüngere Petra Kvitová spielt. Doch die Weltranglisten-Achte war nach einer Viruserkrankung noch nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte, so dass sie diesmal nur einen Punkt zum 3:1-Endstand beisteuern konnte. Šafářová, die bei wichtigen Spielen sonst öfter Nerven zeigt, genoss ihren Triumph danach in vollen Zügen. Mit Doppel-Spezialistin Andrea Hlaváčková legte sie nach dem alles entscheidenden Ball sogleich eine ausgefallene Tanzkreation auf das Parkett:

Tschechische Tennisspielerinnen mit dem Fed Cup  (Foto: David Kubíček,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Es begann eigentlich mit einem Tänzchen in der Umkleidekabine. Das hatten Tennisfans via Facebook veröffentlicht, versehen mit Kommentaren, die uns dazu aufforderten, im Falle unseres Sieges das Tänzchen zu wiederholen. Die Stimmung war dazu angetan, von daher haben wir es auch ein wenig genossen.“

Šafářová und Hlaváčková ernteten für ihren Auftritt Sonderapplaus des begeisterten Publikums, und Šafářová erwiderte die Resonanz, indem sie einen Luftkuss nach dem anderen in die Menge streute. Sie wurde gefeiert wie ein Popstar:

„Die Leute waren so phantastisch, dass ich mich mit der Geste des Luftkusses dafür bedanken wollte. Im Publikum waren aber auch meine Familie und mir nahe stehende Leute, die für mich sehr wichtig sind. Ich bin sehr froh, dass sie alle gekommen sind.“

Petr Pála  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Ihre überschwängliche Freude und gute Laune brachte Lucie Šafářová auch zur abschließenden Pressekonferenz mit. Dort „entschuldigte“ sie sich zunächst bei ihren Teamkolleginnen:

„Ich bin erfreut darüber, dass mir das gelungen ist … nur die Mädels konnten deshalb nicht spielen, also vielleicht das nächste Mal…“

Gemeint waren Andrea Hlaváčková und ihre Doppelpartnerin Lucie Hradecká, die dank Šafářovás toller Leistung zum Doppel nicht mehr antreten mussten. Denn das Finale war entschieden zugunsten der Gastgeberinnen, die wie zuvor Russland und Italien den Pokal zweimal in Folge gewannen. Das tschechische Damentennis kann nunmehr auf sieben Cupsiege verweisen, denn bereits vor der Wende haben Navrátilová, Mandlíková, Suková & Co. die Trophäe insgesamt fünfmal erobert. Zwischen 1983 und 1985 gelang ihnen dabei der Hattrick. Ein Thema, das dann auch während der Siegesfeier schon aufgetischt wurde. Trotz fröhlicher Runde aber wollte Kapitän Petr Pála davon noch nichts wissen:

„Ihr seid aber schon weit voraus… Ich habe Lucies Leistung noch gar nicht richtig realisiert, und ihr fragt mich schon, ob drei Titel nicht zuwenig sind…“


Tomáš Berdych  (Foto: ČTK)
Drei Titel in Serie – soweit sind die tschechischen Herren noch lange nicht. Ab Freitag unternehmen sie vielmehr erst den zweiten Versuch, den Glanz eines großen Sieges endlich wieder aufzupolieren. Es ist nämlich schon 32 Jahre her, als man hierzulande den bisher einzigen Gewinn der Salatschüssel gefeiert hat. Im Dezember 1980 hat die damalige Tschechoslowakei in Prag Finalgegner Italien mit 4:1 bezwungen. Die heutige Nummer eins der Tschechen, Tomáš Berdych, war da noch gar nicht geboren. Und auch der Senior des Teams, der fast 34-jährige Radek Štěpánek, weiß über diesen Erfolg nicht viel zu sagen:

Ivan Lendl mit der Trophäe  (1980). Foto: Tschechisches Fernsehen
„Ich war damals zwei Jahre alt, von daher kann ich mich natürlich an nichts erinnern. Ich kenne diesen Triumph allerdings vom Hörensagen, von Fotos und aus dem Fernsehen, vor allem aber aus Gesprächen mit den damaligen Akteuren, was für mich das Interessanteste war.“

Die vier Akteure des Sieges von 1980 waren der ehemalige Weltranglisten-Erste Ivan Lendl, der bisher einzige Wimbledonsieger für Tschechien, Jan Kodeš, sowie die Doppelspezialisten Pavel Složil und Tomáš Šmíd. Složil hat übrigens ab Mitte der 1980er Jahre über fünf Jahre lang die deutsche Tennis-Ikone Steffi Graf trainiert. Ein erlesenes Quartett also, das nach Jahren erstmals wieder komplett auch zum aktuellen Davis Cup-Finale anreisen wird. Eine Nachricht, die auch Štěpánek erfreut:

Radek Štěpánek  (Foto: ČTK)
„Ich bin natürlich froh darüber, dass sie zuschauen werden. Doch wir als Team Tschechien sind jetzt hier, um uns die ganze Woche nur auf uns selbst zu konzentrieren, um zu trainieren, auszuspannen und soviel Energie wie möglich zu tanken. Ich hoffe, dass wir nach dem Wochenende noch mit den Helden von einst zusammenkommen, jetzt aber muss das noch warten.“

Da hatte Štěpánek die Rechnung aber noch ohne Ivan Lendl gemacht. Der inzwischen 52-Jährige, der seit über 30 Jahren in den Vereinigten Staaten lebt, ließ es sich am Dienstag nämlich nicht nehmen, dem tschechischen Team beim Training einen Besuch abzustatten. Sicher sind während des Smalltalks auch ein paar aufmunternde Worte gefallen. Tomáš Berdych ist aber auch so optimistisch, dass sich die Finalniederlage von 2009, als die Tschechen den Spaniern in Barcelona mit 0:5 unterlagen, nicht wiederholen wird:

Foto: Tschechisches Fernsehen
„Die Vorzeichen sind diesmal ganz andere, sie liegen diametral auseinander. Der Gegner heißt zwar wieder Spanien, doch in dessen Reihen fehlt mit Rafael Nadal ihr Bester. Wir haben den Heimvorteil und stehen so nicht wie vor drei Jahren 20.000 heißblütigen Spaniern gegenüber. Und damals wurde auf Sand gespielt, diesmal haben wir einen harten und schnellen Belag gewählt. Jetzt sollten also einige dieser Vorteile auf unserer Seite liegen und ich hoffe, dass dieses Plus uns dabei helfen wird, die drei Punkte einzufahren.“

Die rund 15.000 Zuschauer, die jeweils am Freitag, Samstag und Sonntag die moderne O2-Arena füllen und ihr Team anfeuern werden, sind gewiss eine große Unterstützung. Und Štěpánek hofft einmal mehr auf die stimulierende Wechselwirkung zwischen Spielern und Zuschauern:

Jaroslav Navrátil  (Foto: ČTK)
„Das ist äußerst angenehm. Ich spiele natürlich auch für die Fans und will ihnen eine Freude machen. Und wenn wir letztlich gewinnen sollten, ist die Freude auf beiden Seiten noch umso größer.“

Vor drei Jahren haben Berdych, Štěpánek, Kapitän Jaroslav Navrátil und die beiden Reservespieler erstmals in einem Davis Cup-Finale gestanden. Diesmal gehen sie mit mehr Erfahrungen in den Kampf um die Salatschüssel. Und Štěpánek, der sich nach einer überstandenen Bänderdehnung im Knie bei den letzten Turnieren vor dem Finale eher wieder eingespielt denn verausgabt hat, lässt auch keinen Zweifel, dass sich die Zuschauer auf einen großen Fight freuen können:

„Ich hatte mit meiner Vorbereitung überhaupt keine Probleme. Ich sehe die etwas geringere Belastung vielmehr als positiv an, denn ich werde motiviert, ausgeruht und hungrig auf Erfolg sein.“

Autor: Lothar Martin
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