Vom Davis-Cup-Sieg erhoffen sich Verantwortliche nun einen Tennisboom

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„Tschechischer Triumph“, „Wir haben den Davis Cup!“ „Phantastisch – ein Triumph aus dem Reich der Träume“, „Tschechien ist in Ekstase“. Mit vielen Superlativen kommentierten die Tageszeitungen am Montag den jüngsten Triumph des tschechischen Sports, den Gewinn des Davis Cups. Das Tennisteam der Herren hat am Sonntag in Prag durch einen 3:2-Finalsieg über Titelverteidiger Spanien die Salatschüssel gewonnen. Es ist ein für das kleine Land sehr außergewöhnlicher Erfolg, der nun vielleicht – wie einst in Deutschland bei Steffi Graf und Boris Becker – einen Tennisboom auslösen könnte.

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Von „Super“, über „Jungs, wir danken euch“ bis hin zur Meinung, der Sieg sei grandios und kaum noch zu toppen – soweit reichte das Spektrum der euphorischen Reaktionen unter den Tschechinnen und Tschechen, die am Sonntagabend in der Prager O2-Arena den Davis-Cup-Finalsieg ihrer Mannschaft bejubelt haben. Es war nach 1980, als die hiesigen Spieler noch für die damalige Tschechoslowakei antraten, erst der zweite Gewinn der begehrten Salatschüssel für ein tschechisches Tennisteam. Da ist es nicht verwunderlich, dass auch Vlastimil Štěpánek, der Vater des Finalhelden Radek Štěpánek, voller Freude war:

Radek Štěpánek  (Foto: ČTK)
„Das ist ein phantastischer Erfolg und das Größte, was die Jungs erreichen können.“

Rund eine Stunde vorher hatte Sohn Radek mit einer phantastischen Leistung gegen den Spanier Nicolas Almagro den alles entscheidenden dritten Punkt errungen. Die Momente nach dem erfolgreichen Matchball hat er danach so geschildert:

„Ich bin einfach nur in die Knie gegangen und habe losgeheult, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte. Dann aber haben sich auch schon der Kapitän und meine Teamgefährten auf mich gestürzt, und ich habe versucht, zu begreifen, was gerade passiert ist.“

Tomáš Berdych  (Foto: Daniel Ordóñez)
Auch Štěpáneks Teamkollege und Doppelpartner Tomáš Berdych war auf der Pressekonferenz noch ganz aufgewühlt, wagte aber auch schon einen Blick nach vorn:

„Ich denke, in diesem Mannschaftswettbewerb haben wir jetzt das Maximum erreicht. Nun können wir beide natürlich noch mehr auf die individuellen Dinge schauen, die vor uns liegen.“

Gemeint waren neben der Verbesserung der eigenen Stärke und Weltranglistenplatzierung im Einzelspiel auch familiäre Angelegenheiten. Mit ihren Frauen sind Berdych und Štěpánek am Montagabend dann auch in ihren wohlverdienten Urlaub abgereist. Štěpánek versäumte es aber nicht, noch einen Gruß an alle tschechischen Tennisfans loszuwerden:

Radek Štěpánek und Tomáš Berdych  (Foto: ČTK)
„Das ist unser Nagano im Tennisport. Ich hoffe, dass es alle auskosten werden.“

Mit dem japanischen Olympia-Ort Nagano verbindet man in Tschechien den bislang größten Erfolg im hierzulande überaus populären Eishockey. Sensationell gewann damals die tschechische Mannschaft das olympische Eishockeyturnier von 1998 – und das trotz stärkster Gegnerschaft. Der Sieg löste danach einen regelrechten Eishockeyboom aus. Das Gleiche erhoffen sich jetzt auch die Verantwortlichen im Tennissport. Doch Pavel Korda, der Kapitän des siegreichen Davis-Cup-Teams von 1980, hat da noch seine Zweifel:

Die siegreichen Davis-Cup-Teams von 2012 bzw. 1980,  Pavel Korda steht in der Mitte  (Foto: ČTK)
„Die Popularität ist eine schöne Sache, man darf nun aber nicht abheben. Bei den Spielern unseres Siegerteams habe ich keine Angst davor, dass ihnen das passiert. Aber ich habe etwas die Befürchtung bei der jungen Generation. Die Jugend ist heute ziemlich bequem geworden. Nur wenige treiben ernsthaft Sport, fast jeder sitzt nur noch am Computer.“

Und die Zahlen belegen Kordas Argumente. In 1160 Tennisvereinen sind heute in Tschechien rund 60.000 Spieler aktiv. Nachwuchs gibt es aber nur wenig: Jedes Jahr melden sich nur rund 2000 Kinder in den Vereinen an, um Tennis spielen zu lernen.

Autor: Lothar Martin
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