Umzug wegen des Jobs lockt die Tschechen nicht
Die Tschechen ziehen wegen des Jobs nur selten um. Seit Jahren wird diese Feststellung bestätigt. Nicht nur die grenzüberschreitende Mobilität, sondern auch Umzüge innerhalb Tschechiens sind beschränkt.
Unter einzelnen EU-Staaten gibt es Unterschiede. Die Spitzenstellung nehmen die nördlichen Staaten ein, in denen mehr als 35 Prozent der Einwohner im produktiven Alter in einer anderen Region oder einem anderen Staat mal gelebt haben. Ihnen folgen Irland, Frankreich und Großbritannien mit der Mobilität über 30 Prozent. Ganz hinten steht die Tschechische Republik, wo die Mobilität unter zehn Prozent liegt. Norbert F. Schneider, Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden:
„Die Tschechen sind vergleichsweise wenig unterwegs, sie sind sehr bodenständig, sehr heimatverbunden, sehr sesshaft. Dies gilt sowohl für Migration in andere Länder als auch, soweit ich weiß, selbst auch für Umzug innerhalb Tschechiens. Zwischen den großen Regionen gibt es wenig Dynamik.“Der Wissenschaftler sieht die Lage in einem breiteren Zusammenhang. Er weist auf historische Gründe hin:
“Ich denke, dass es in Ländern etwas Ähnliches wie eine Mobilitätskultur gibt. Es gibt eine Disposition, die sozusagen auf Sesshaftigkeit ausgerichtet ist und Umzug ist eher angstbesetzt. Man hat damit wenige Erfahrungen und versucht das Fremde zu vermeiden. Und in anderen Ländern, in denen die Kinder mit ihren Eltern Mobilitätserfahrungen machen, ist es ein selbstverständlicher Bestandteil des Lebens und es gibt dort von Hause aus geringe Mobilitätsbarrieren. Ich denke, dass das, was wir jetzt sehen, diese europäischen Austauschprogramme für Schüler und Studierende, können ein Impuls sein, diese Erfahrungen auch in Regionen zu bringen, die bislang noch wenig mobil sind.“
An der Bewegung der Arbeitskräfte innerhalb der EU beteiligen sich die Tschechen nur in einem geringen Maße. Doch auch auf dem EU-Arbeitsmarkt habe sich die Lage in den letzten Jahrzehnten verändert, sagt Professor Norbert F. Schneider:
„Wir reden heute nicht mehr von der Migration, sondern von Mobilitätsprozessen. Also Menschen migrieren nicht, indem sie ihren Wohnsitz vom einen ins andere Land verlagern, sondern indem sie eher als Pendler zwischen den Ländern unterwegs sind, aber ihren sozusagen Lebensmittelpunkt im Heimatland behalten. Es entwickeln sich dadurch auch neue Identitäten – mobile Menschen, transnationale Identitäten. Die Menschen sind nicht mehr Tschechen oder Deutsche, sondern sie sind etwas dazwischen. Politisch geht es darum, diese Entstehung der Transnationalität mehr Rechnung als bislang zu tragen.“