Der Fall Rath: Symbol für den Umgang mit EU-Fördergeldern in Tschechien
Geld von der EU wurde als Segen für die finanziell angeschlagenen Kommunen und Regionen Tschechiens gesehen. Die Rede ist von den EU-Fördermitteln, die seit dem Beitritt zur Gemeinschaft bei vielen Projekten zur Verbesserung der Infrastruktur genutzt wurden. Doch wie der jüngste Fall aus Mittelböhmen zeigt, sind die vermeintlich vollen EU-Töpfe auch eine Verlockung für Politiker, die in erster Linie in ihre eigene Tasche wirtschaften wollen.
Auch aus diesem Grund fielen die Reaktionen auf Raths Festnahme eindeutig aus. So zeigte sich zum Beispiel Tschechiens Präsident Václav Klaus von den Vorgängen rund um David Rath erschüttert, wie er immer wieder erklärte:
„Jeder dieser Fälle beschädigt ungemein die tschechische Politik und das Vertrauen der Bürger in unser politisches System. Ich befürchte zudem, dass das auch im Ausland registriert wird.“
Besonders stark gelobt wurde in den vergangenen Tagen das kompromisslose Vorgehen der Polizei gegen einen solch hochrangigen Politiker wie David Rath. Genauso hervorgehoben wurde, dass im Vergleich zu anderen ähnlichen Fällen keine Indiskretionen an die Öffentlichkeit gelangt sind, diese hätten das Vorgehen schließlich in Gefahr bringen können. Auch Kenner des Milieus, wie zum Beispiel der frühere hochrangige Polizist und heutige Anti-Korruptions-Experte Václav Láska, sind voll des Lobes:
„Aus meiner Sicht ist bewundernswert, dass die Polizei - trotz der Vorbereitungszeit von mehr als einem halben Jahr bis zur Verhaftung Raths - die Informationen für sich behalten konnte. Es stellt sich natürlich die Frage, ob die Polizei ähnlich vorgehen würde, wenn in ihrem Visier nicht ein Politiker der Opposition, sondern des Regierungslagers wäre.“Die Möglichkeit, an Mittel aus den regionalen Förderprogrammen der Europäischen Union zu gelangen, wurde seinerzeit als einer der größten Vorzüge des Beitritts zur Europäischen Union gepriesen. In der Idealvorstellung sollten mit diesen Mitteln in erster Linie Projekte von öffentlichem Interesse projektiert werden. Niemand hatte wohl damit gerechnet, dass dadurch noch zusätzlich korruptes Verhalten gefördert werden könnte. Die Kontrollinstanzen in Brüssel schienen weit entfernt zu sein, die praktischen Konsequenzen für einen Verstoß gegen die Regeln nicht abschreckend genug.
So gab es schon vor der Causa Rath mindestens zwei Fälle, bei denen Ermittlungen rund um die regionalen Förderungen der Europäischen Union eingeleitet wurden. Sie betrafen die Förderprogramme für Nordwest- und für Südwestböhmen. In beiden Fällen wurde die Auszahlung der Fördermittel gestoppt, und mittlerweile wird auch schon gegen konkrete Personen wegen Untreue ermittelt.
Von Beginn an kritisch gegenüber der praktischen Umsetzung dieser Programme zeigte sich die tschechische Zweigstelle der weltweite agierenden Antikorruptionsvereinigung Transparency International. Ihr Leiter ist David Ondračka. Er sieht den Fall David Rath nicht als Einzelfall, es gäbe leider ein gewisses Muster beim Vorgehen.
„Das ist keine so ungewöhnliche Methode bei der Manipulation von Aufträgen der öffentlichen Hand in Tschechien, vor allem wenn es um nationale oder europäische Fördergelder geht. Oft ist das so geregelt, dass eine Firma auftaucht, die einem potentiellen Abnehmer – zum Beispiel einer Gemeinde - verspricht Wege zu finden, wie sie an Fördergelder gelangen kann. Im Gegenzug erhält das Unternehmen dann eine Art Vollmacht, alles Notwendige zu regeln. Die Beraterfirma hat dann die Möglichkeit, den Auftrag an weitere Firmen weiterzuleiten, und vereinbart dann einen höheren Preis, als notwendig wäre. Auf diese Weise wird versucht, eine potentielle Provision zu erzielen.“David Ondračka erläutert zudem, warum gerade die Projekte auf regionaler Ebene stark von Korruption und Veruntreuung betroffen sind:
„Ich bin seit Langem der Auffassung, dass die regionalen Förderprogramme von Beginn an einen Systemfehler haben. Der Grund ist ein immanenter Interessenskonflikt: Jene regionalen Politiker, die die Leiter dieser Behörden ernennen, sitzen gleichzeitig in den Aufsichtsgremien und entscheiden über konkrete Projekte mit, die gefördert werden sollen. Von wirklicher Kontrolle oder Aufsicht kann also keine Rede sein. Ich bin dafür, dass diese regionalen Programme aufgelöst und unter einem Dach zusammengeschlossen werden, um die Kontrolle zu verbessern. Ich bin der Meinung, dass uns dann solche Ereignisse erspart würden.“
Aber wusste man nicht schon früher über die möglichen Risiken? Schließlich gab es ja schon in anderen Mitgliedsländern – zum Beispiel in Bulgarien – ähnliche Fälle. Und im Grunde genommen hätte die Europäischen Union schon auf Grund ihrer Erfahrungen vom Beitrittsprozess hellhörig werden sollen. Denn schon damals hatten die künftigen Mitgliedsländer der Europäischen Union die Möglichkeit an Förderprogrammen, zum Beispiel zur Förderung der Landwirtschaft, teilzunehmen und bereits hier kam es schon zu ersten Unregelmäßigkeiten. Die EU-Kommission hat damals, trotz des Wissens um diese Risiken, selbst nicht auf einer Änderung des Modus beharrt. Was lässt sich also machen?
„Der jetzt geltende Zeitraum für die EU-Förderprogramme geht zu Ende, und da lässt sich nicht mehr viel ändern. Wir müssen daher überlegen, wie wir das nach 2014 und 2015 ändern können. Das ist gegenwärtig auch Gegenstand einer großen politischen Auseinandersetzung innerhalb Tschechiens. Für die Regionen wäre es natürlich ideal, alles beim Alten zu lassen, damit sie ihr kleines Häuflein Geld haben, über das sie relativ frei verfügen können. Bei einer Zentralisierung der ganzen Entscheidungsabläufe hätten sie das Gefühl, dass sie einen Großteil ihres Einflusses einbüßen. Ich denke aber, dass nach den Korruptionsfällen, so wie wir sie aktuell erleben, so eine Änderung notwendig ist. Wir könnten die europäischen Fördergelder effizienter nutzen“, so David Ondračka von Transparency International.