Jolly Jumps, Krepsko-Theater und die 7. Biennale: Tschechische Kultur in Berlin
Saša Dlouhý ist ein tschechischer Regisseur und stellt ab kommender Woche seinen Film „Trafačka“ in Berlin vor. Daneben wird in einer Theaterproduktion das Leben der Roma im Rahmen der Veranstaltung „Open for Everything“ vorgestellt. Tschechische Kultur wird aber nicht nur direkt in Berlin, sondern auch in Dresden und Leipzig geboten. Mehr erfahren Sie von der Leiterin des Tschechischen Zentrums in Berlin, Monika Štěpánová.
Der Regisseur Saša Dlouhý und der tschechische Graffiti Künstler Jan Kaláb, ein Mitglied der Organisation ZTOHOVEN, sind ab kommender Woche zu Gast in Berlin und stellen den Dokumentarfilm Trafačka vor. Frau Štěpánová, Sie sind die Direktorin des Tschechischen Zentrums in Berlin. Worum geht es genau in dem Film Trafačka?
„Trafačka zeigt eine verlassene Fabrik, die innerhalb von fünf Jahren zu einem wirklich wichtigen Ort tschechischer zeitgenössischer Kunst geworden ist. Fünf Hochschulabsolventen haben sich diesem Ort angenommen, haben dort gearbeitet und auch gelebt. Das beschreibt dieser Film. Wir fanden diesen Film so wichtig und so aussagekräftig bezüglich der tschechischen zeitgenössischen Kunstszene, dass wir uns entschlossen haben, ihn in Berlin zu zeigen. Wir wollen einige dieser Künstler im Nachhinein nach Berlin einladen, um dieses Projekt zusammen zu entwickeln und zu schauen, wo sich spezielle Verbindungen in der tschechischen und der deutschen zeitgenössischen Kunst aufbauen lassen. Jan Kaláb haben wir nicht zufällig eingeladen, sondern wir würden gerne ein größeres Street-Art-Projekt mit ihm vorbereiten, da Berlin sehr bekannt ist für seine Street Art. Wir würden uns gerne der Generation dieser zeitgenössischen Kunst im kommenden Jahr mehr widmen. Gleich nach dieser Vorführung wird eine Einzelausstellung von Václav Girsa, das ist ebenfalls ein Mitglied der Trafačka Künstler, im Outdoor Center eröffnet. Die Trafačka Ausstellung beginnt am 16.04, also am kommenden Montag und wird an einem neuen interessanten Ort, in der „Bar Babette“ stattfinden.“
Ab dem 20. April stellen die Jolly Jumps ihre Produktion „Baby Box“ im Rahmen der Dresdener Tanzwochen vor. Das Markenzeichen der Gruppe ist ihre ungebremste Energie, die sich auf unverstellte Direktheit gründet. Woher kommt die Gruppe und woran erkennt man diese Energie in ihrer aktuellen Produktion?
„Die Gruppe kommt aus Prag und spielt normalerweise im Prager Theater Celetná. Sie sind nicht das erste Mal in Dresden. Mit Jolly Jumps und der zweiten Tanzkompanie Krepsko, die gibt es schon seit Längerem, unterstützen wir das Festival „Tanzwoche Dresden“. Die Energie ist einfach präsent, das ist etwas, was man miterleben muss, was man schwer beschreiben kann.“
Ein weiterer Besuch aus Prag im Rahmen der Dresdener Tanzwochen sind die bekannten „Krepsko-Akteure“. Von Ihnen wird behauptet, dass sie mit ihrer neusten Produktion, der „Tango Grande“, gewissermaßen „Russisch Roulette“ spielen. Wie ist denn das zu verstehen?
„Sie experimentieren viel und sie kreieren Situationen auf die sie dann experimentell reagieren. Also es ist im gewissen Maße ein experimentelles Stück.“
Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ hat nicht nur in Deutschland viel Aufsehen erregt. Zum Beitrag der 7. Berliner Biennale für zeitgenössische Kunst hat der tschechische Künstler und Performer Martin Zet die Kampagne „Deutschland schafft es ab“ gegründet. Trotz der schwerwiegenden Kritik gegen den Künstler – wird die Kampagne in seiner ursprünglich geplanten Form stattfinden und wenn ja, wie genau wird diese ablaufen?
„Ja, Martin Zet, hat wirklich für großes Aufsehen gesorgt. Er hat nach diesem Aufruf gehofft, dass er ungefähr 60.000 Bücher sammeln kann, das wären dann fünf Prozent von der Auflage von Thilo Sarrazins Buch und es wurden auch über eine Million verkauft. Aber nachdem das am Anfang auch ziemlich medialisiert wurde und auch in Verbindung mit der Bücherverbrennung gebracht wurde haben einige – wirklich nicht wenige – Sammelstellen abgesagt. Das heißt, erst einmal wurden die Sammelstellen reduziert und auch nicht so viele Bücher gesammelt wie Martin gehofft hat. Martin möchte alle Sammelstellen besuchen, er möchte mit den Menschen sprechen. Er hat auch viele E-Mails bekommen, die wird er sicher in seinem Kunstwerk verarbeiten. Jetzt muss er einfach aufgrund der Zahlen der gesammelten Bücher, die er erst noch bekommen wird, entscheiden, was er damit macht. Darauf sind wir auch sehr, sehr gespannt – genauso wie die Organisatoren der Berliner Biennale.“
Der Lichtdesigner Pavel Korbička aus Brno und die Akkordeonspielerin Lucie Vítková aus Den Haag nutzen Skype für ihre Performance in Leipzig am 28. und 29. April. Ein Live-Konzert ohne Bühne und Mitwirkende. Wie genau funktioniert das?
„Das ist auch ein weiteres Experiment. Also in dem kommenden Programm haben wir, wie sie sehen, sehr viele Experimente mit offenem Ausgang, sei es die Veranstaltung von Martin Zet oder auch die Leipziger Veranstaltung. Die Veranstaltung findet in Leipzig in der Baumwollspinnerei statt. Ursprünglich war es so geplant, dass einer der Künstler in Brno ist und die Künstlerin in Den Haag. Wir arbeiten jetzt ein bisschen an der Möglichkeit, dass eventuell der Künstler aus Brno doch in Leipzig anwesend sein wird und somit wäre es nicht komplett virtuell sondern nur, sagen wir, halb virtuell. So können die Menschen dass das auch live miterleben. Trotzdem werden dann Ton und Bild zwischen Leipzig und Den Haag erst mal wandern und das Ergebnis können die Leute dann in Leipzig erleben. Das ist auch etwas, was man am besten direkt vor Ort erleben muss, weil man noch gar nicht sagen kann, wie das wird. Wie gesagt, wir hoffen auch, dass der Künstler persönlich kommt und es somit nicht komplett virtuell wird.“
Frau Štěpánová, welche Veranstaltung würden Sie den Hörern am Ende noch ans Herz legen wollen?
„Also ich würde auf jeden Fall noch mal die Ausstellung „Wirklich“ von Václav Girsa empfehlen. Sie findet ab dem 5. Mai im Outdoor-Center statt. Sonst würde ich auf jeden Fall noch die Veranstaltung `Open for everything`, eine Produktion von Constanza Macras und Dorkypark – empfehlen. Das ist eine Initiative vom Goethe Institut und auch das Goethe Institut Prag ist da sehr eingebunden. Das ist eine Produktion über die Roma über das Leben der Roma mit nicht professionellen Tänzern und Schauspielern aus der Tschechischen Republik, aus Ungarn und auch anderen Ländern. Nach Berlin wird es auch nach Prag kommen und auch in weitere Städte. Sicher auch etwas, was sich lohnt zu sehen.“