Tschechien und der deutsche Atom-Ausstieg – eine Diskussion beim Forum 2000

Atomkraftwerk Temelín

Die tschechische Regierung lehnt den deutschen Atomausstieg ab. Das hat sie vor allem aus dem Mund von Premier Petr Nečas in den vergangenen Monaten immer wieder betont. Doch wie wird die offizielle tschechische Haltung aus deutscher Sicht beurteilt, und was denken die tschechischen Grünen darüber? Diese Fragen kamen am Montag auf, bei einer Diskussionsrunde zur „ökologischen Modernisierung der Wirtschaft in Zeiten der Krise“. An der Veranstaltung im Prager Goethe-Institut, die von der Heinrich-Böll-Stiftung organisiert wurde und im Rahmen der internationalen Konferenz Forum 2000 stattfand, nahmen der deutsche Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir und der tschechische Grünen-Chef Ondřej Liška teil.

Atomkraftwerk Temelín
„In Tschechien wird 22 Jahre nach dem Ende des Kommunismus die Nuklearenergie immer noch als Symbol staatlicher Souveränität und als Symbol der Macht gesehen.“

Das sagt der tschechische Grünen-Vorsitzende Ondřej Liška. Seine Partei, die ihre politische Arbeit seit vergangenem Jahr nur noch außerparlamentarisch betreiben kann, ist die einzige, die den Ausbau von Akws in Tschechien kritisiert und den deutschen Atomausstieg lobt. Doch die Stimmung in der tschechischen Bevölkerung wandelt sich nach dem Unglück von Fukushima im März nur sehr, sehr langsam. Manche behaupten sogar, die Tschechen seien genauso kernenergiefreundlich wie zuvor.

Ondřej Liška
„Natürlich zeigen die Umfrage-Werte in Tschechien, dass es nicht in den nächsten Jahren zu einem Wandel kommt. Trotzdem glaube ich, durch den Atomausstieg in Deutschland wird die tschechische Diplomatie und Politik dazu gezwungen, einen Dialog zu führen, auch grenzüberschreitende technische Lösungen zu suchen und dadurch auch zu grüneren und nachhaltigeren Lösungen für die Herausforderungen bei der Energie zu kommen. Da bin ich eher optimistisch.“

Grünen-Chef Liška sieht dabei Deutschland als Vorbild. Und er verweist auf eine Studie, die von tschechischen Umweltinitiativen zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Wuppertal-Institut erstellt wurde. Sie zeige, dass ein Atom-Ausstieg auch in Tschechien in den nächsten 25 bis 30 Jahren möglich sei, ohne die Nutzung von Kohle wieder hochzufahren.

Cem Özdemir  (Foto: Archiv von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Baden-Württemberg)
Der deutsche Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir, der am Montag in Prag an zwei Diskussionsveranstaltungen im Rahmen des Forums 2000 teilnahm und dabei im Goethe-Institut auch mit Liška auf dem Podium saß, will aber eines nicht: Tschechien in die Energiediskussion hineinreden. Er äußerte sogar Verständnis für die Ängste um die Energiesicherheit, wie sie Premier Nečas und weitere Regierungspolitiker immer wieder formuliert haben:

„Ich glaube, wir in Deutschland müssen uns ein bisschen stärker hineinversetzen in die Situation in Tschechien, wo es aufgrund der Geschichte einen völlig anderen Umgang gibt mit der Frage der Abhängigkeit gibt. Das kann ich sehr gut verstehen und auch nachvollziehen. Dementsprechend ist auch klar, dass Tschechien möglichst unabhängig sein möchte von russischem Gas. Aber da rennt man bei uns offene Türen ein, denn auch wir haben ein Interesse daran, dass wir diversifizieren. (…) Und das Ziel der Grünen in Deutschland mit den Erneuerbaren, mit Energiesparen und mit Energieeffizienz ist ja nichts anderes als unser Weg der Energieunabhängigkeit von anderen Ländern.“

Foto: Europäische Kommission
In Tschechien tippen sich die Regierungspolitiker jedoch an die Stirn. Sie glauben, der Atom-Ausstieg untergrabe die deutsche Wirtschaftskraft und führe nicht in Zukunft. Özdemir findet aber nicht, Deutschland sei nun verrückt geworden:

„Das ist ja nicht ganz so alltäglich, dass sich Regierung und Opposition auf einen gemeinsamen Weg verständigen. Und wenn Siemens-Chef Löscher, Bosch-Chef Fehrenbach und viele andere in der Wirtschaft diesen Weg mitgehen und uns dabei unterstützen, dann – glaube ich – spricht es doch dafür, dass wir alle offensichtlich davon ausgehen, dass das viel mit wirtschaftlicher Stärke und Zukunft zu tun hat und wenig mit Vergangenheit.“