Tschechische Banknoten sind Staatssymbol und Artefakt zugleich

Die Feierlichkeiten zum Tag der tschechischen Staatlichkeit werden seit drei Jahren mit einer staatssymbolischen Thematik begangen. In diesem Jahr sind es die tschechischen Banknoten, die im Blickpunkt des Interesses stehen.

Publikation „Tschechische Währung“
Im zurückliegenden Jahrzehnt haben die Tschechen den 28. September gern als freien Tag genutzt, weshalb sie es aber tun konnten, haben vermutlich die wenigsten von ihnen so recht gewusst. Das meint jedenfalls die Vorsitzende der gemeinnützigen Gesellschaft Dny české státnosti o.p.s., Lucie Wittlichová:

„Es ist natürlich ein noch recht junger Feiertag. Erst im Jahr 2000 wurde der 28. September per Gesetz dazu erhoben. Aber ich habe das Gefühl, dass in den vergangenen Jahren niemand so recht wusste, wie dieser Feiertag eigentlich zu verstehen ist und was er für unseren Staat überhaupt bedeutet.“

Jiří Besser  (Foto: ČTK)
Aus diesem Grund werden seit dem Jahr 2008 unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Ministerpräsidenten staatliche Feierlichkeiten organisiert, die sich thematisch mit diesem Feiertag auseinandersetzen. Im Jahr 2008 erschien beispielsweise eine Publikation zur tschechischen Nationalhymne, ein Jahr später eine CD zur Oper „Die verkaufte Braut“ von Bedřich Smetana und im vergangenen Jahr wurde ein Film über den Schutzpatron der Tschechen, den heiligen Wenzel, projiziert. Für ihn seien das alles Dinge, die bei den Tschechen die zuletzt vielfach vermissten Gefühle von Nationalstolz und nationaler Identität wieder etwas mehr wecken sollten, sagte dazu Kulturminister Jiří Besser. Die Organisation dieser staatlichen Feierlichkeiten war und ist kein Selbstläufer, und so haben sich die Leute, die die Ausrichtung drei Jahre lang durchgeführt haben, zu einem Verein zusammengeschlossen. Es ist die bereits erwähnte gemeinnützige Gesellschaft, die den Zweck ihrer Gründung bereits im Namen trägt: die Ausrichtung des Tages der tschechischen Staatlichkeit.

Lucie Wittlichová
Um diesem Zweck auch in diesem Jahr gerecht zu werden, hat die Vereinigung den Feiertag erneut unter ein ganz spezielles Motto gestellt – die tschechischen Banknoten. Lucie Wittlichová erklärt den Grund:

„Wir haben die Banknoten genommen, um den Menschen die acht Personen, die darauf verewigt sind, etwas näher zu bringen. Diese Persönlichkeiten aus der tschechischen Geschichte sind von der Tschechischen Nationalbank im Jahr 1993 ausgesucht wurden, als die Herausgabe der aktuellen tschechischen Banknoten vorbereitet wurde. Mit der Veröffentlichung einer entsprechenden Publikation zu diesen Banknoten wollen wir gleich mehrere Fragen beantworten: Warum wurden gerade diese Persönlichkeiten dafür ausgewählt? Was können sie uns heute eigentlich noch sagen? Was bedeuten sie für uns? Und was ist ihr Vermächtnis?“

Um diese Fragen möglichst vielschichtig zu beantworten, hat die Vereinigung mehrere namhafte Persönlichkeiten aus der heutigen tschechischen Gesellschaft angesprochen, sich mit den historischen Figuren auseinanderzusetzen. Als Autoren erhielten sie laut Wittlichová die Aufgabenstellung, jeweils ein Essay über die auf den Banknoten verkörperten Personen zu schreiben. Lucie Wittlichová nennt einige der Autoren:

„Einer der Autoren ist Erzbischof Dominik Duka, der das Kapitel über die heilige Agnes übernommen hat. Weitere Autoren sind zum Beispiel der Arzt und Professor Josef Koutecký, der Journalist Erik Tabery oder der Ökonom Tomáš Sedláček, der über Jan Amos Komenský geschrieben hat. Die einführende Studie über die Währung hat der bekannte Philosoph, Professor Jan Sokol geschrieben.“

Dominik Duka
Erzbischof Dominik Duka hat seine Aufgabe mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachtet. Gegenüber Radio Prag sagte er:

„Es ist eigentlich ein Paradox: In diesem Jahr feiern wir das 800-jährige Jubiläum seit der Geburt der heiligen Agnes von Prag, doch ihre Banknote ist eben in diesem Jahr ´ausgestorben´. Das ist aber nicht aus politischen oder antichristlichen Gründen geschehen, sondern war eine Entwicklung der Banknoten in unserem Land. Der Generalgouverneur der Nationalbank hat mir jedoch versprochen, dass er die heilige Agnes nicht vergisst, sondern an sie denkt, wenn es in Zukunft zu weiteren Veränderungen kommt. Und das Gleiche gilt auch für den heiligen Wenzel.“

Ottokar I. Přemysl
In der Tat, den 50-Kronen-Schein, auf dem Agnes von Böhmen abgebildet war, gibt es nicht mehr. Am 31. März dieses Jahres endete seine Gültigkeit, die Tschechische Nationalbank hat ihn durch zuvor schon weit verbreitete Münzen ersetzt. Das gleiche Schicksal hat den 20-Kronen-Schein, auf dem Ottokar I. Přemysl zu sehen war, schon vor drei Jahren ereilt. Diese Banknote wurde zum 1. September 2008 aus dem Verkehr gezogen. Doch wer waren Ottokar I. Přemysl, Agnes von Böhmen und die anderen auf den Banknoten verewigten Persönlichkeiten eigentlich?



Agnes von Böhmen
Ottokar I. Přemysl: Ottokar I. Přemysl, geboren um 1155, war König von Böhmen aus der Dynastie der Přemysliden. Er setzte die Erhebung seines Landes zum erblichen Königreich um.

Agnes von Böhmen: Agnes von Böhmen, geboren 1211 in Prag, war eine Klostergründerin und böhmische Prinzessin, die jüngste Tochter von Ottokar I. Přemysl und Konstanze von Ungarn. Sie wird in der römisch-katholischen Kirche seit 1989 als Heilige verehrt.

Weitere sechs Personen sind auf den aktuellen tschechischen Banknoten porträtiert:

Karl IV.
Karl IV. (100-Kronen-Schein): Karl IV., geboren 1316 in Prag, war römisch-deutscher König (ab 1346), König von Böhmen (ab 1347) und römisch-deutscher Kaiser (ab 1355). Er stammte aus dem Geschlecht der Luxemburger und gilt gemeinhin als der bedeutendste Kaiser des Spätmittelalters sowie als einer der bedeutendsten europäischen Herrscher seiner Zeit.

Jan Amos Komenský (200-Kronen-Schein): Jan Amos Komenský, auch Johann Amos Comenius, geboren 1592 in Südostmähren, war ein Philosoph, Theologe und Pädagoge sowie Bischof der Unität der Böhmischen Brüder.

Božena Němcová
Božena Němcová (500-Kronen-Schein): Božena Němcová, geboren 1820 in Wien, war eine tschechische Schriftstellerin.

František Palacký (1000-Kronen-Schein): František Palacký, geboren 1798 in Hodslavice, war ein tschechischer Historiker und Politiker.

Ema Destinnová (2000-Kronen-Schein): Ema Destinnová, geboren 1878 in Prag als Emilie Pavlína Věnceslava Kittlová, war eine weltberühmte tschechische Opernsängerin und anerkannte Persönlichkeit. Ema Destinnová beziehungsweise Emmy Destinn war ihr späterer Künstlername.

Tomáš Garrigue Masaryk
Tomáš Garrigue Masaryk (T.G.M., 5000-Kronen-Schein): Tomáš Garrigue Masaryk, geboren 1850 in Hodonín, war ein tschechischer Pädagoge, Politiker und Philosoph. Er gilt als einer der Staatsgründer und wurde im Jahr 1918 erster Präsident der neu entstandenen Tschechoslowakei.

Die Porträts der eben genannten Persönlichkeiten für die Banknoten hat der tschechische Grafiker und Maler Oldřich Kulhánek geschaffen. Als er vor mehr als 18 Jahren den Auftrag dazu erhielt, musste er unter großem Zeitdruck arbeiten:

„Das schwierigste für mich war damals, dass ich die Grafiken zu den Banknoten in einer enorm kurzen Zeit erstellen musste. Ich hatte für jede Banknote etwa nur einen Monat Zeit, und zwar sowohl für die Vorder- als auch Rückseite jedes Scheins. Ich steckte also bis über den Kopf in Arbeit.“

Oldřich Kulhánek  (Foto: Archiv von Oldřich Kulhánek)
Andererseits ist er noch heute stolz darauf, dass er sich dieser Herausforderung damals gestellt hat:

„Ich denke, dass die Währung und ganz speziell die Banknoten ein Attribut der Staatlichkeit sind. Wenn wir zum Beispiel ins Ausland verreisen, dann ist das erste, was wir in den Händen halten, die Währung des jeweiligen Gastlandes. Für mich ist die Währung ein sehr wesentliches Moment im Leben einer Nation. Von daher war der Auftrag, die Banknoten der Tschechischen Republik zu schaffen, für mich auch eine Sache, die mit viel Prestige verbunden war.“

Für Peter Duhan, den neuen Generaldirektor des Tschechischen Rundfunks, haben die von Kulhánek porträtierten Banknoten jedoch noch eine andere Bedeutung:

Peter Duhan
„Geld ist ein Artefakt oder besser gesagt ein künstlerisches Artefakt. Aus diesem Grund bedauere ich es sehr, dass heutzutage immer weniger Leute auch aus dieser Perspektive auf eine Banknote schauen.“

Erzbischof Duka wiederum betrachtet die frisch entstandene Publikation zusinger den tschechischen Banknoten noch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt:

„Es ist sicher interessant, zu beobachten, ob auch die handelnden Personen in den Banken und Sparkassen ein spirituelles und geistliches Interesse haben.“

Miroslav Singer
Projektleiterin Lucie Wittlichová verwies in ihren Ausführungen schließlich darauf, dass man für das Buch zudem etliche Schirmherren gewonnen habe:

„Wir haben natürlich die führenden Repräsentanten aus der Finanzwelt angesprochen – den Gouverneur der Zentralbank Miroslav Singer und den Finanzminister Miroslav Kalousek. Aber dann wollten wir auch, dass jedes Kapitel, indem eine geschichtliche Persönlichkeit abgehandelt wird, seinen eigenen Schirmherren hat. Dafür haben wir beispielsweise Kulturminister Jiří Besser, Wirtschaftsminister Martin Kocourek, Innenminister Jan Kubice oder den Prager Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda gewinnen können.“

Am Montag ist das erste Exemplar des Buches „Tschechische Währung“ – wie es sich für die tschechische Literaturwelt gehört – feierlich getauft worden. Das geschah im Foyer des Tschechischen Rundfunks, der sich die mediale Betreuung des Feiertags schon länger auf seine Fahnen geheftet hat. Bei dieser Gelegenheit konnte Lucie Wittlichová dann auch zufrieden konstatieren:

„Mit dem Buch erhält der Leser ein sehr interessantes Spektrum an Informationen in seine Hände. Darin werden zum einen die gegenwärtige tschechische Währung als auch die Personen, die auf ihren Banknoten verewigt sind, beschrieben.“