Abenteuer Rentenreform

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Tschechien hat sich vor kurzem zu der Gruppe jener Staaten gesellt, die ihr bisheriges Rentensystem einer grundlegenden Änderung unterziehen wollen. Das Schlüsselwort dabei lautet Eigenverantwortung, was bedeutet, dass ein Teil der künftigen Renten aus den Erträgen von Rentenfonds generiert werden soll. Ob sich allerdings die Tschechen auf das Abenteuer mit der teilweise durch den Kapitalmarkt gedeckten Rente einlassen werden, ist noch offen.

Tschechisches Abgeordnetenhaus  (Foto: ČTK)
Ende vergangener Woche hat das tschechische Abgeordnetenhaus die von der Koalition lange versprochene Rentenreform verabschiedet. Die Reform soll ab 2013 in Kraft treten. Wichtigste Neuerung ist dabei die Möglichkeit, dass die Versicherten drei Prozent ihrer Beiträge zur Rentenversicherung für die Anlage in private Versicherungsfonds abzweigen. Die Gedanke dahinter: Diese Mittel könnten auf dem Kapitalmarkt eine höhere Rendite einbringen und damit dem Versicherten eine höhere Rente bescheren.

Diese Möglichkeit einer stärkeren Eigenverantwortung für die Höhe der künftigen Rente wird als so genannter zweiter Pfeiler bezeichnet. Daneben wird aber das bisherige System mit einer durchgängig finanzierten Rentenkasse beibehalten. Der erste Pfeiler basiert unter anderem auf der Solidarität zwischen den Generationen.

Stanislav Polčák | Foto: TOP 09
Die Regierungsparteien halten die Entscheidung über den zweiten Pfeiler für ihren großen Erfolg, gleichzeitig sehen sie darin auch eines der wichtigsten Reformvorhaben dieser Legislaturperiode. Dazu sagte etwa der stellvertretende Fraktionschef der mitregierenden liberal-konservativen Partei TOP 09, Stanislav Polčák, gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:

„Das ist eine wichtige Botschaft an die Bürger dieses Landes. Würden wir die Hände in den Schoß legen, könnte es sein, dass wir dieses Land weiter verschulden und so wie Griechenland auf einen Staatsbankrott zusteuern. Die Rentensysteme in Tschechien haben sich in den letzten Jahren nicht positiv entwickelt und die nun beschlossene Reform kann ein wichtiger Schritt sein, um diesen negativen Trend umzukehren.“

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
Das beschlossene Reformgesetz geht nun an den Senat, wo allerdings die oppositionellen Sozialdemokraten über eine Mehrheit verfügen und das Gesetz höchstwahrscheinlich ablehnen. Da aber die Regierung im Abgeordnetenhaus eine satte Mehrheit hat, wird sie wohl mit ihren Abgeordneten in der ersten Kammer das Veto des Senats überstimmen. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Bohuslav Sobotka:

„Wir haben klar erklärt, dass wir im Falle eines Wahlsiegs die Flat-Tax aufheben und wieder eine progressive Einkommenssteuer einführen wollen, wir wollen erneut einen niedrigeren Satz für die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Medikamente einführen und wir wollen auch den so genannten zweiten Pfeiler der Rentenreform aufheben. Sollte Letzteres aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht zur Gänze gelingen, wollen wir zumindest den Umfang jener Mittel reduzieren, die aus dem bisherigen Rentensystem in den zweiten Pfeiler umgeleitet werden.“

Foto: Štěpánka Budková,  Radio Prague International
Oppositionschef Sobotka hat bereits angekündigt, bei einem Wahlsieg die Erhöhung der Mehrwertsteuer zurückzunehmen. Durch die Angleichung der bisher unterschiedlich hohen Steuersätze bis auf 17,5 Prozent soll nämlich die Rentenreform finanziert werden.

Der bereits erwähnte zweite Pfeiler des künftigen Rentensystems sorgt praktisch von Beginn an nicht nur für politische Kontroversen zwischen Regierung und Opposition, sondern ist auch unter Wirtschaftexperten umstritten. Vor allem das ursprüngliche Vorhaben der bürgerlichen Regierung, in der Zukunft ab einem gewissen Jahrgang der Rentenversicherten den zweite Pfeiler obligatorisch werden zu lassen, war häufiger Gegenstand von Kritik. In der nun beschlossenen Fassung wird es die Einzahlung in private Fonds nur auf freiwilliger Basis geben.

Aleš Rod
Doch damit hängt eine wichtige Frage zusammen: Wer wagt es angesichts der Turbulenzen auf den Kapitalmärkten überhaupt, die Höhe seiner künftigen Rente von den Kursschwankungen diverser Rentenfonds abhängig zu machen? Dazu sagt der Wirtschaftsforscher Aleš Rod vom Think-Tank „Liberales Institut“:

„Das Problem ist, dass sich nicht sicher sagen lässt, wie viele Bürger dieses neue System annehmen werden, und das ist sehr gravierend.“

Dennoch ist Rod davon überzeugt, dass der Weg, den die Regierung nun eingeschlagen hat, richtig ist:

„Jedes System, das die Abhängigkeit des Einzelnen vom Staat verringert, ist gut. Jedes System, das die Risiken gleichwertig verteilt, ist zu begrüßen. Daher habe ich einen Hauptkritikpunkt am ganzen System, nämlich, dass der zweite Pfeiler nicht für alle verpflichtend sein wird. Das kann dazu führen, dass der überwiegende Teil der Rentenversicherten letztlich beim alten System bleiben wird. Das ist auch mein Hauptkritikpunkt an der Regierung: Sie hat dem Druck der Opposition und der Medien nachgegeben und hatte Angst, diese harte, aber notwendige Maßnahme durchzusetzen.“

Die Idealvorstellung geht davon aus, dass sich jeder zweite Rentenversicherte am neuen, vom Kapitalmarkt getragenen System, beteiligt. Dazu meint der Chefvolkswirt der Postbank, Jan Bureš:

„Probleme sehe ich eher bei der konkreten Justierung des zweiten Pfeilers, denn die Motivation sich daran zu beteiligen, ist relativ klein. Die Risiken, dass irgendwann in naher Zukunft eine neue Regierung dieses System wieder zurücknimmt und die Erträge verstaatlicht, so wie das in Ungarn geschehen ist, sind relativ groß, und das trägt zugleich auch nicht gerade zur Akzeptanz der gesamte Rentenreform bei.“

Es ist jedoch, so Jan Bureš im Weiteren, auch eine Frage, wie sehr die Rentenversicherten motiviert sind, einen Teil ihrer Sozialbeiträge in Fonds zu überführen:

„Ich würde nicht ganz den freiwilligen Teil der Rentenreform ablehnen, weil ich denke, dass mit einem ähnlichen Modell wie beim Bausparen dieser zweite Pfeiler attraktiver werden könnte. Gerade beim Bausparen hat sich gezeigt, dass sich die Tschechen sehr verantwortungsvoll verhalten, wenn es ein Anlageprodukt gibt, dem sie vertrauen.“