Wird Tschechien zum Standort islamistischer Terroristen?

Einen Tag nachdem der Terrorist Osama bin Laden von amerikanischen Spezialeinheiten in Pakistan getötet wurde, wurden auch in Tschechien erstmals Personen verhaftet, die unter Terrorismus-Verdacht stehen. Sie sollen mit islamistischen Terroristen aus dem Nordkaukasus verbunden zu sein. Wie real die Terrorgefahr in Tschechien tatsächlich ist, erfahren Sie von Robert Schuster in der folgenden Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz.

Kaukasische Terroristen
Die tschechische Polizei hat am vergangenen Dienstag bekannt gegeben, dass sie eine organisierte Gruppe enttarnen konnte, die in Tschechien im Auftrag von kaukasischen Terroristen tätig war. Es soll sich um eine Gruppe von Ausländern gehandelt haben, die falsche Papiere und Falschgeld hergestellt haben. Außerdem konnten bei der Razzia größere Mengen Heroin, Sprengstoff sowie Waffen gesichert werden.

Robert Šlachta  (Foto: ČTK)
Zu den Delikten der Festgenommenen erklärte der Chef der Polizei-Einheit zur Aufdeckung organisierten Verbrechens, Robert Šlachta, vor Vertretern der Medien:

„Es handelt sich um Urkundenfälschung. In diesem Zusammenhang wird gegen zwei bulgarische Staatsangehörige ermittelt. Weitere vier Personen stehen unter Verdacht, sich an einem terroristischen Anschlag beteiligt zu haben. Wir verfügen über Beweise, wonach diese Personen in Ausbildungslagern in Afghanistan und Pakistan waren.“

Jan Kubice  (Foto: ČTK)
Ist nun Tschechien, das sich in der Vergangenheit als sicherer Ort gewähnt hatte, zur Gefahrenzone terroristischer Anschläge geworden? Der neue Innenminister Jan Kubice, der erst wenige Wochen im Amt ist, versuchte die jüngsten Ereignisse zu relativieren und die Öffentlichkeit zu beruhigen. So sagte er in einer Diskussionssendung im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen am Sonntag:

„Was die Gefahr eines Terroranschlags betrifft, ist die Lage zum jetzigen Zeitpunkt stabil. Wir verfügen über keine Informationen, dass ein Terroranschlag akut droht – weder in Tschechien, noch in einem anderen Land der Europäischen Union.“

Doch Innenminister Kubice musste eingestehen, dass Tschechien in letzter Zeit für Terroristen attraktiver geworden ist. Denn vergangenes Wochenende kam es in Tschechien zu einer weiteren Festnahme im Zusammenhang mit möglichen Terror-Aktivitäten. Diesmal handelte es sich um einen Pakistani. Einen Zusammenhang zwischen den beiden jüngsten Fällen gebe es laut dem Innenminister allerdings nicht:

„Ich kann einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Fällen so gut wie ausschließen. Der verhaftete Pakistani hatte einen Asylantrag in Tschechien gestellt. Die Behörden haben allerdings erfahren, dass gegen ihn ein internationaler Haftbefehl vorliegt und zwar wegen des Verdachts von Mord, Terrorismus und weiteren Straftaten. Derzeit befindet sich diese Person in Abschiebehaft, und Pakistan kann seine Auslieferung beantragen. Das ist bislang nicht geschehen.“

Muss sich nun Tschechien künftig auf weitere solche Fälle vorbereiten und etwa die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen? Oder ist es sogar an der Zeit, eine Art Anti-Terror-Gesetz zu verabschieden so wie in einigen anderen europäischen Ländern? Die tschechischen Politiker und Sicherheitsexperten werden in den nächsten Wochen zumindest wohl die eine oder andere Maßnahme ergreifen müssen, auch um die Öffentlichkeit zu beruhigen.

Doch gibt es auch besonnene Stimmen, die vor einer Überreaktion warnen. Dazu gehört, vielleicht ein wenig überraschend, der Sozialdemokrat František Bublan. Bevor er Innenminister in der letzen sozialdemokratischen Regierung wurde, war er einige Jahre lang Chef des tschechischen Inlandsgeheimdienstes und somit auch stets als erster über potentielle terroristische Gefahren informiert. Gegenüber dem Tschechischen Rundfunk erklärte Bublan:

„Es ist nicht unbedingt notwendig, dass immer gleich der Nationale Sicherheitsrat Tschechiens zusammentritt. So viel ich weiß, traf sich aber die so genannte nachrichtendienstliche Gruppe, die aus Experten und Analytikern aller tschechischen Geheimdienste besteht sowie aus Vertretern des Innenministeriums und des Außenministeriums. Auf dieser Ebenen werden die zur Verfügung stehenden Informationen ausgewertet, es entstehen Analysen und sicher wird dann in der Folgezeit auch die Kommunikation zwischen den Geheimdiensten verstärkt, und zwar im Rahmen der Nato oder der EU.“

Wie ist es zu erklären, dass ausgerechnet ein so kleines und überschaubares Land wie Tschechien von Terroristen scheinbar für logistische Zwecke auserkoren wird? Vermutet man vielleicht, dass die dortigen Sicherheitsorgane unerfahren und schlecht vorbereitet sind? Der frühere Innenminister Bublan will die Attraktivität Tschechiens für Terroristen nicht überbewerten, gibt aber zu bedenken, dass nach wie vor noch Verbindung bestehen könnten, die bis in die Zeit vor der Wende zurückreichen.

Illustrationsfoto: ČTK
„Unsere geographische Lage, die ein wenig abseits ist, und somit Ruhe verspricht, wirkt schon seit vielen Jahren attraktiv. Tschechien war schon immer eine Drehscheibe für Araber aus der ganzen Welt. Auch vor der Wende wurden hier arabische Terroristen ausgebildet, einige haben hier studiert und verfügen seit dieser Zeit über persönliche Kontakte, was aber keine neue Information ist. So viel ich weiß, sollte aber die Tätigkeit dieser nun aufgeflogenen Gruppe in ein anderes Land verlegt werden. Und das bedeutet, dass Tschechien wiederum doch nicht so ein ruhiges Pflaster ist, auf dem man unbehelligt wirken kann. Es ist immer eine Frage der jeweiligen Zeit.“