Konjunkturumfrage 2011: Slowakei liegt vor Tschechien in der Gunst der deutschen Firmen
Die Unternehmen in Tschechien befinden sich wieder im Aufschwung. Diese Tatsache lässt sich auch aus der diesjährigen Konjunkturumfrage ablesen, die die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) in Prag unter den deutschen Investoren im Land durchgeführt hat. Die wichtigsten Aspekte der diesjährigen Umfrage, die Anfang April veröffentlicht wurde, erläutert der Leiter der Abteilung Unternehmenskommunikation bei der DTIHK, Hannes Lachmann, im Gespräch für Radio Prag.
„Wir haben keinen direkten Vergleich mit der Slowakei gemacht, sondern nur die Perspektive der in Tschechien ansässigen Unternehmen untersucht. Die Ergebnisse der Umfrage sagen ganz eindeutig: Es gibt weiterhin Probleme hier, die es in dieser Form in der Slowakei offensichtlich nicht gibt. Zum Beispiel: In Tschechien ist der Euro (noch) nicht die Zahlungswährung, sondern die tschechische Krone. Es gibt hierzulande auch kein solch stabiles und transparentes Steuersystem wie in der Slowakei. Das sind die zwei wesentlichen Unterschiede, die uns aufgefallen sind. Es gibt aber sicherlich auch noch andere Unzufriedenheitsfaktoren, die in beiden Ländern gleichermaßen bestehen. Man muss dazu sagen, die Differenz ist sehr gering – sie liegt bei 0,2 Punkten der für alle Länder ermittelten Durchschnittsnote.“
Würden Sie das vielleicht so einschätzen: Die Slowakei liegt regional ja auch noch relativ nah an Deutschland, so dass man Vergleiche ziehen kann. Und bei diesem Vergleich stellt sich heraus, dass der ehemalige Landesteil der Tschechoslowakei, die Slowakei, nun zu einer Art Spiegel geworden ist für die Tschechische Republik, der aufzeigt, was man es auch hier besser machen könnte?„Man kann natürlich die Entwicklung ganz interessant nachverfolgen seit der Teilung der Tschechoslowakei im Jahr 1993. Nach der Trennung der beiden Länder ist die Slowakei zunächst noch sehr hinterhergehinkt. Das hatte damals natürlich auch politische Gründe. Später aber ist die Slowakei dann als der Tatra-Tiger bezeichnet worden dank der Wachstumsraten, die fast mit China vergleichbar waren. Allerdings muss man dazu sagen, dass auch Tschechien vor einigen Jahren noch Wachstumsraten von bis zu sechs Prozent hatte. Dann kam die Krise, und jetzt ist, so glaube ich, die Euro-Einführung tatsächlich einer der wesentlichen Punkte, warum die Slowakei – zumindest aus Perspektive der in Tschechien oder in beiden Ländern ansässigen Unternehmen mit deutscher Beteiligung – die Nase vorn hat.“
Sie sagen, die Euro-Einführung ist einer der Punkte, der zwischen beiden Ländern vergleichbar ist. Nun ist aber der Euro etwas ins Wanken geraten nach Finanzproblemen in Griechenland, Irland und Portugal und der Euro-Rettungsschirm musste immer breiter aufgespannt werden. Das Vertrauen in den Euro ist nicht mehr so groß, und das drückt sich auch in Ihrer Umfrage aus. Welche Schlüsse kann man daraus ziehen?„Laut Umfrage sind nun mittlerweile 28 Prozent der Firmen, mit einigen Enthaltungen, gegen die Euro-Einführung. Das ist ein für uns überraschendes Ergebnis, denn bisher waren es immer zwischen 15 und 20 Prozent, teils noch weniger, die den Euro abgelehnt haben. Die absolute Mehrheit von zwei Dritteln spricht sich auch diesmal für die Euro-Einführung aus, aber bei früheren Umfragen war diese Mehrheit eben noch größer. Wir haben natürlich überlegt, woran das liegen könnte. Dabei sind wir zu dem Schluss gekommen, dass eine gewisse Resignation sich breitgemacht hat, nachdem die Nečas-Regierung eindeutig gesagt hat, während ihrer Regierungszeit werde es keine Euro-Einführung geben. Es wird nicht einmal ein Datum fixiert, zu dem wir mit der Euro-Einführung rechnen können. Das ist natürlich so klar und eindeutig, dass viele Unternehmen wahrscheinlich einfach sagen: ´Gut, diesen Punkt haben wir jetzt ad acta gelegt, und wir kümmern uns um die Dinge, die wir eher beeinflussen können. Damit müssen wir uns abfinden.´ Zugleich ist es natürlich rein spekulativ zu vermuten, dass die Schieflage, in die der Euro im letzten Jahr zeitweise geraten ist, auch Angst schürt, der Euro sei vielleicht doch nicht so stark als Gemeinschaftswährung, wie viele das vorher angenommen haben. Aber inwieweit das jetzt psychologische Phänomene Einzelner sind oder tatsächlich rationale, unternehmerische und strategische Perspektiven, vermag ich im Moment nicht zu sagen.“
In der Umfrage wird auch gesagt, dass viele Firmen daran festhalten wollen, hier längerfristig zu bleiben, besonders weil jetzt wieder eine gewisse optimistische Aufbruchsstimmung herrscht. Wie schlägt sich das nieder?„Es herrscht eine optimistische Aufbruchstimung, was die Wirtschaftslage in Tschechien und die eigene Geschäftslage angeht. Der Optimismus ist gegenüber den vergangenen beiden Jahren sehr viel größer, vor allen Dingen, was die eigene Geschäftslage angeht. Dabei können die eigenen Prognosen mit den Werten für das Jahr 2008 mithalten, das finden wir sehr erfreulich. Auch die Investitionspläne zeigen, dass es viele Unternehmen gibt, die ihre Investitionen in Tschechien steigern wollen, und zwar mindestens 30 Prozent der Firmen. Darüber hinaus sprechen dafür auch die Beschäftigungsprognosen. Das sind alles sehr positive Entwicklungen. Gleichzeitig aber sagen erstmals rund 30 Prozent der Unternehmen, sie würden nicht mehr in Tschechien investieren. Wir haben daraufhin gefragt, wo sie denn nun investieren würden. Viele haben auf diese Frage nicht geantwortet, und die meisten von jenen, die eine Antwort gegeben haben, nannten die Slowakei. Das ist einerseits interessant, andererseits aber beunruhigen uns diese 30 Prozent, denn das ist ein Wert, den wir in der Form noch nicht gehabt haben. Wir glauben daher eben, es könnte auch ein Zusammenhang mit der Resignation wegen des endlosen Wartens auf den Euro bestehen. Aber ein Zusammenhang besteht sicherlich auch mit anderen bestehenden problematische Faktoren wie der Rechtssicherheit, der Transparenz bei öffentlichen Ausschreibungen, der Effizienz des Verwaltungssektors und weiteren Punkten, die in unserem Sieben-Punkte-Plan zusammengefasst sind.“
Wie Sie eben gerade gesagt haben, gibt es immer noch Punkte, die kritikwürdig sind. Seit Sommer vergangenen Jahres aber gibt es hier in Tschechien eine neue Regierung. Wie sind die Firmen mit dieser Regierung bisher zufrieden?„In unserer Umfrage haben wir zwar nicht ganz konkret nach der Regierung gefragt, aber wir haben zumindest nach der politischen Stabilität gefragt. Und da geht es natürlich um Investitionsstabilität, um die Rahmenbedingungen, die die Regierung für ein stabiles, langfristiges und grenzübergreifendes Wirtschaften schafft. Hier ist ganz interessant, wenn auch wenig überraschend, dass die politische Stabilität in diesem Jahr von den Firmen deutlich bessere Noten als im vergangenen Jahr bekommen hat. Im letzten Jahr wies die Beurteilung dieses Faktors eine Durchschnittsnote von etwas über 4 aus, was eine der negativsten Noten war, die 2010 bei den Standortfaktoren vergeben worden sind. In diesem Jahr liegt die Note bei 3,1. Das ist auch nicht ganz optimal, aber man ist froh, dass einigermaßen stabile Verhältnisse herrschen. Zudem haben sich die Firmen schon etwas mehr erwartet, was die Flexibilisierung des Arbeitsrechts oder die Reform des Steuersystems angeht. Das geht alles etwas langsam, aber die Gesamtzahlen sprechen dafür, dass die Unternehmen hierzulande den Optimismus beziehungsweise ihre Hoffnung nicht aufgegeben haben.“
Ihr Resümee: Tschechien ist nach wie vor ein attraktiver Standort, aber muss Defizite konsequenter anpacken…
„…besser hätte ich das auch nicht sagen können.“
Anmerkung d. Red.: Die Konjunktur-Umfrage der DTIHK wurde vor der jüngsten Regierungskrise durchgeführt.