„Fokus DDR – ČSSR“ – das Tschechische Zentrum Berlin präsentiert
Es ist wieder Zeit für einen Blick ins Ausland, an die Tschechischen Zentren, die die erste und offizielle Adresse für den tschechischen Kulturexport sind. Wir schauen heute nach Berlin. Da hat nämlich der Leiter des Tschechischen Zentrums, Martin Krafl, eine ziemlich spannende Geschichte in die Tat umgesetzt. Christian Rühmkorf sprach mit ihm.
Herr Krafl, das Tschechische Zentrum in Berlin hat in den kommenden Monaten ein außergewöhnlich spannendes Programm zu bieten. Sie schauen mit einer ganzen Reihe hochkarätiger Veranstaltungen in die Vergangenheit, sind damit aber zugleich hochaktuell: „Fokus DDR – ČSSR“ – so heißt diese Veranstaltungsreihe, die bereits am 3. März mit einer Ausstellung startete: „Prag durch das Objektiv der Geheimpolizei“. „Objektiv“ ist in diesem Falle wortwörtlich zu verstehen, oder?
„Das stimmt. Es geht nämlich um eine sehr spezielle Ausstellung, die eigentlich ganz interessante Fotos zeigt. In den manchmal leicht verwackelten, aus ungewöhnlichen Blickwinkeln aufgenommenen Fotos sind die Bespitzelten in ihrem Alltag zu sehen. Zum Beispiel auf der Straßen, beim Einkaufen oder zusammen mit Freunden. Zu ihnen gehörten auch prominente Persönlichkeiten, wie zum Beispiel der Regisseur Miloš Forman, der britische Historiker Timothy Garton Ash oder Kardinal František Tomášek. Und ich muss auch sagen, dass die Observierungsfotos sogar ganz ungeschönt die Atmosphäre im Prag der 70er und 80er Jahre dokumentieren. Diese Ausstellung wurde eigentlich in Zusammenarbeit mit dem Institut für das Studium totalitärer Regime und dem Archiv der Sicherheitsorgane in Prag vorbereitet.“
Für die Präsentation der Ausstellung zeichnen aber verantwortlich das Tschechische Zentrum Berlin und die so genannte Birthler-Behörde. Wie kam es eigentlich zu dieser Zusammenarbeit?„Das ist eine Zusammenarbeit, die eigentlich im letzten Sommer in meinem Kopf zur Idee gereift ist. Und zwar deswegen, weil wir in den letzten zwei Jahren ein sehr erfolgreiches Projekt mit dem Bundesbeauftragten für soziale Belange der Behinderten in Deutschland gemacht haben. Und das war ein Programmkonzept für das ganze Jahr. Das Amt war bereit, bei verschiedenen Veranstaltungen, uns nicht nur zu unterstützen, sondern auch Geld draufzulegen. Und es war mir klar, dass gerade in der jetzigen Zeit, in der die Tschechischen Zentren immer weniger Geld aus dem Staatsbudget der Tschechischen Republik bekommen, wir auch neue Wege suchen müssen. Und es war mir auch klar, dass dieses Thema sehr spannend ist. Denn wir haben diese Ausstellung im letzten Herbst schon an der Universität in Frankfurt am Main gezeigt. Und da hat sie ein riesiges Interesse geweckt. Und ich bin dann mit dieser Idee zu den Kollegen von der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Stasi gekommen, und sie waren begeistert. Meine Idee war, nicht nur die Ausstellung zu zeigen, sondern eine Reihe bis Ende November vorzubereiten und dazu sogar das slowakische Institut hier in Berlin einzuladen, denn es geht ja um die Vergangenheit der Tschechoslowakei. Und sie waren von dieser Idee begeistert und so ist eigentlich die Reihe entstanden.“
Und die Beauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, war ja auch am 3. März bei der Eröffnung der Ausstellung anwesend – eine ihrer letzten Amtshandlungen übrigens.„Das stimmt! Und es freut mich auch zu sagen, dass wir am Dienstag bei der darauf folgenden Veranstaltung schon den neuen Bundesbeauftragten hatten. Und zwar den ehemaligen Dissidenten Roland Jahn. Und er hat persönlich die Veranstaltung eröffnet und das hat mich sehr gefreut.“
Die gesamte Veranstaltungsreihe „Fokus DDR – ČSSR“ hatte und hat noch einige andere Höhepunkte zu bieten. Zum Beispiel ging es auch um die Zusammenarbeit zwischen der Stasi und dem tschechoslowakischem Geheimdienst. Sie bringen aber auch Diskussionen mit früheren Dissidenten und zeigen sogar Filme aus dieser Zeit…
„Genau. Ich kann zum Beispiel mal einen Tipp geben, was diese Reihe in Zukunft noch zu bieten hat. Wir laden zum Beispiel zwei Mal den Historiker Tomáš Vilímek vom Prager Institut für Zeitgeschichte nach Berlin ein, und er wird über die Kontakte der Staatsicherheit sowie über die Zusammenarbeit von Bürgerrechtlern aus der DDR und der ČSSR sprechen. Von den Zeitzeugen wird zum Beispiel bei den Veranstaltungen Gerd Poppe, das ehemalige Mitglied der Initiative für Frieden und Menschenrechte aus Berlin, sein. Oder Ján Čarnogurský, der ehemalige Rechtsberater der Charta 77 aus Bratislava. Im Tschechischen Zentrum Berlin bieten wir dann ein sehr interessantes Gespräch mit Schriftstellern an, die in der Opposition tätig waren, und zwar mit Jáchym Topol und Jan Faktor. Beide haben ja schon viele Preise bekommen. Aber beide engagierten sich auch in ihrer Jugend im literarischen Untergrund. Jáchym Topol in Prag und der ebenfalls in Prag geborene Jan Faktor nach seiner Übersiedlung in die DDR dann in Ostberlin. Also, ich glaube, das wird auch sehr spannend sein. Sie haben ja auch Filme erwähnt…“
Das sind ja Filme direkt aus der Zeit der Dissidenten, aus den 70er Jahren, oder?„Aus den 70er Jahren kommt der Hauptfilm. Der Titel ist ´Ucho´ (Das Ohr) und das ist ein sehr bekannter tschechoslowakischer Film vom Regisseur Karel Kachyňa. Und der führt zurück in die 50er Jahre, in eine Zeit der Verfolgung und politischen Prozesse – in den Hauptrollen mit Jiřina Bohdalová und Radoslav Brzobohatý. Und vor diesem Hauptfilm zeigen unsere slowakischen Kollegen zwei Dokumentarfilme. Der eine, „Die Burschen aus dem Staub“, handelt von der Zwangsauflösung der Pfadfinderbewegung, und der andere Film, „Brainwashing“, von der Verfolgung der Kirche in der Tschechoslowakei in den 50er Jahren.“
Die entsprechenden Termine für diese Veranstaltungen finden Interessierte auf der Webseite des Tschechischen Zentrums Berlin (berlin.czechcentres.cz). Die Ausstellung „Prag durch das Objektiv der Geheimpolizei“ läuft noch bis zum 30. Juni 2011, da bleibt also noch ein bisschen Zeit.
„Genau. Und am 7. Juli fängt schon die zweite Hälfte dieser Veranstaltungsreihe an, die dann am 17. November endet. Und ich glaube, wir werden gerade auch bei Ihrem Sender noch die Möglichkeit haben, den Hörern das Programm für die zweite Hälfte des Jahres vorzustellen.“
Ganz sicher, wir halten die Hörer und Leser auf dem Laufenden. Herr Krafl, Leiter des Tschechischen Zentrums Berlin, herzlichen Dank für das Gespräch!
„Danke, auf Wiederhören.“