Wirtschaftsexperte Švejnar: Japan wird große Hilfe erhalten und sich schnell aufraffen
Die Weltwirtschaft hat ihre schwere Krise aus dem Jahr 2009 hinter sich. Alle nationalen Ökonomien einschließlich der tschechischen bewegen sich weiter in Richtung Konjunkturaufschwung. Seit vergangenen Freitag aber, als das schwere Erdbeben und der nachfolgende Tsunami über Japan hereingebrochen sind, bewegt die Wirtschaftsbosse eine neue Frage: Werden sich die mit der Katastrophe verbundenen Einbrüche der japanischen Wirtschaft auch in Europa und damit ebenso in Tschechien bemerkbar machen?
Japan hat die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Werden die Folgen der Katastrophe also nicht doch den Weltmarkt nachhaltig beeinflussen? Wirtschaftsexperte Jan Švejnar:
„Natürlich beeinflusst dies den Markt. Das sehen wir zum Beispiel an der Börse, wo die Indices vor allem in den Bereichen, in denen Japan Schaden genommen hat, deutlich zurückgegangen sind. Auf der anderen Seite, so denke ich, ist die Weltwirtschaft so stark, dass sie die Belastungen, die jetzt auf sie zukommen, verkraften wird. Auch wenn diese Belastungen spürbar sein werden, so sollten sie den derzeitigen Trend des Aufschwungs nicht umkehren können. Im Gegenteil, es ist zu erwarten, dass die Hilfe, die Japan jetzt von anderen Ländern braucht, sehr groß sein wird. Japan wird sich meiner Meinung nach auch schneller wieder aufraffen, als wir es jetzt aufgrund der trüben Nachrichten vermuten würden.“
Der von ihm bereits zitierte Aufschwung in der Weltwirtschaft werde sich global gesehen jedoch nicht gleichmäßig vollziehen, so Švejnar:
„Es findet eine Wiederbelebung statt, das ist positiv. Aber sie läuft in zwei Geschwindigkeiten ab: Ärmere Länder verzeichnen ein schnelleres Wachstum und bestimmen so auch das Tempo des Aufschwungs. Und dieses Tempo unterscheidet sich stark von dem der entwickelten Ökonomien. Bei den entwickelten Ökonomien wiederum liegt das interessante Moment darin, dass die Wirtschaft der Vereinigten Staaten schneller wächst als die in Europa. Europa ist also gefordert, sich zu stabilisieren und danach das Wachstumstempo aufzunehmen, das der Rest der Welt vorgibt.“
Die Länder, die jetzt in der Welt das Tempo vorgeben, sind – wie hinlänglich bekannt – insbesondere China und Indien. Japan hingegen gehöre wie Europa zu den Ländern, die nach der Krise nur allmählich vorankommen, sagt Švejnar. Neben der Erdbebenkatastrophe hat das Land der aufgehenden Sonne zudem auch einige finanzielle Probleme zu schultern. Es heißt, dass die dortigen Versicherungen sehr große Schulden angehäuft haben. Droht den Japanern also jetzt auch noch ein finanzielles Negativ-Szenario wie es im vergangenen Jahr über Griechenland oder Portugal hereingebrochen ist? Jan Švejnar sieht es so:„Die Frage wird sein, wie stark die Katastrophe das Land im Inneren getroffen hat. Ich denke aber, wenn einzelne Versicherungen in Schwierigkeiten geraten sollten, dann wird die japanische Regierung diese Unternehmen nicht fallen lassen, sondern helfen, sie zu sanieren. Sie wird nicht zulassen, dass dieser Sektor kollabiert. Investoren werden in ähnlicher Weise bereit sein, mögliche Probleme dieser Art aus der Welt zu schaffen. Man kann davon ausgehen, dass Investoren die Zeche zahlen werden, sollte sich Japan etwas längerfristig weiter verschulden. Japan ist ein Land, das in fiskalischen Dingen sehr verantwortungsbewusst ist.“
Und dennoch: Das komplette Ausmaß der Katastrophe in Japan kann man derzeit nur schwer erahnen. Deshalb gibt der ehemalige tschechische Präsidentschaftskandidat zum Thema Japan abschließend auch zu bedenken:„Sollten die Auswirkungen der Katastrophe allerdings viel tiefgehender und größer sein, als wir jetzt zu erkennen vermögen, dann müssen natürlich alle durch eine ganz andere Optik schauen.“
Ganz anders, nämlich viel erfreulicher, sind nach der Krise wieder die Aussichten für die tschechische Wirtschaft. Zur ihrer weiteren Entwicklung gab Švejnar folgende Prognose ab:
„Ich erwarte in diesem Jahr ein positives Wachstum, das allerdings etwas geringer sein wird als das im vergangenen Jahr. Ich rechne also mit einem kleinen Dämpfer, der auch auf die Reformen zurückzuführen sein wird, die die Regierung anstrebt. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer und andere Einflüsse werden dafür mitverantwortlich sein. Die Familien sind weiterhin zögerlich bei ihren Ausgaben und die Investoren schaffen eher Reserven anstatt in die notwendige Produktion zu investieren. Daraus ergibt sich für mich ein vorsichtiger Optimismus und meine Einschätzung ist die: die tschechische Wirtschaft wächst weiter, aber nicht sehr schnell.“ Den von Professor Jan Švejnar und seinem Wissenschaftler-Team vom Institut Idea in einer Expertise vorgelegten Zahlen zufolge, ist das tschechische Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent gegenüber dem Krisenjahr 2009 gestiegen. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 ist die tschechische Wirtschaft um ganze vier Prozent geschrumpft. Für dieses Jahr prognostizieren die Wissenschaftler allerdings nur ein Wachstum von 1,9 bis 2,1 Prozent. Die Tschechische Nationalbank (ČNB) sieht den Aufschwung mit ihrer Prognose von 1,6 Prozent etwas skeptischer, das Finanzministerium ist mit 2,2 Prozent am optimistischsten. Für das kommende Jahr aber rechnen alle drei Institute mit einem größeren Sprung. Dann soll der Zuwachs des Bruttoinlandproduktes bereits wieder bei 2,7 bis 3,0 Prozent liegen.