Kein Fachmann, aber offen für den Dialog – der neue Umweltminister Chalupa
Am Montag wurde Tomáš Chalupa zum neuen Umweltminister ernannt. Der bürgerdemokratische Politiker wird um die vielen Baustellen in seinem Ressort nicht zu beneiden sein. Das Vertrauen in das Umweltministerium gilt nicht zuletzt wegen der Korruptionsaffäre im Staatlichen Umweltfonds, die seit Wochen zu den wichtigsten innenpolitischen Themen im Land gehört, als erschüttert.
Dem bisherigen Bürgermeister im sechsten Prager Stadtbezirk Chalupa eilt der Ruf voraus, nicht zu polarisieren und eher auf Ausgleich zu setzen. Wenig überraschend plädiert er erst einmal für eine offene Diskussion mit allen relevanten Gruppen, wie er gegenüber dem Tschechischen Rundfunk erklärte:
„Ich muss gleich zu Beginn sagen, dass ich – und ich denke, dafür bin ich auch bekannt – nichts dagegen habe, wenn eine Debatte völlig offen geführt wird und dabei verschiedene Meinungen zu hören sind. Auch jene Meinungen, mit denen man nicht übereinstimmen muss.“
Bedeutet das auch ein Zugehen auf die Umweltverbände, die spätestens seit dem Abgang des letzten, von den Grünen nominierten Umweltministers Jan Dusík im Frühjahr vergangenen Jahres, einen Rückschritt in der tschechischen Umweltpolitik beklagen?
„Ich will mit jedem den Dialog aufnehmen, der dafür Interesse zeigt, aber gleichzeitig nicht allzu stark auf seinen Dogmen beharrt. Ich will vernünftige Lösungen für die Probleme der Umwelt finden, denn diese bestimmen das Leben um uns herum und sind völlig normal.“
Dieses Angebot werden die zahlreichen tschechischen Umweltgruppen wohl sehr gerne annehmen. Stellvertretend dazu die Meinung von Vojtěch Kotecký vom größten tschechischen Umweltverband, der Vereinigung „Hnutí duha“ (Bewegung Regenbogen). Gegenüber Radio Prag sagte Kotecký zur Person des neuen Umweltministers:
„Wir wollen natürlich mit dem Umweltminister darüber ins Gespräch kommen, welche Schritte er in seinem Ministerium plant. Das haben wir in den vergangenen Jahren auch mit allen seinen Vorgängern getan. Ich hoffe, dass eine Zusammenarbeit bei konkreten Projekten möglich sein wird, weil die Tschechischen Republik im Rahmen der Europäischen Union zu den Ländern mit den größten Umweltproblemen gehört. Das betrifft den hohen Ausstoß von Kohlendioxid, und wir haben einen viel zu geringen Grad am Recycling von Müll. Auch der Zustand der Wälder verschlechtert sich allmählich. Und nicht zu vergessen hat Tschechien einen sehr hohen Energieverbrauch, was zu einem erhöhten Import von Erdöl und Erdgas führt. Die Folgen sind hohe Kosten für die Industrie und auch zu hohe Energierechnungen der Haushalte.“
Abgesehen vom Korruptionsfall im Umweltministerium, der das Kabinett vor Weihnachten in seine erste große Krise gestürzt hatte, sind die Probleme im Umweltressort vielfältig. Neben der Frage nach der künftigen Finanzierung des Wohnungsbausanierungsprogramms „Zelená úsporám“, auf Deutsch „Grünes Licht für Einsparungen“, sorgen auch so manche umweltpolitische Evergreens für ausreichend Diskussionsstoff. Hier ist wohl an erster Stelle die konstant hohe Luftverschmutzung in der Schwerindustrieregion Nordmähren zu erwähnen. Regelmäßig werden dort in den Wintermonaten die zulässigen Grenzwerte vor allem für Feinstaubpartikel um das Mehrfache überstiegen.
Gerade bei diesem Thema konnte der frühere Minister Drobil nicht sonderlich überzeugen. Seine Kritiker meinen sogar, der Minister hätte es versäumt, die größten Luftverschmutzer Nordmähens stärker in die Pflicht zu nehmen und wollte wohl nicht ihre Wettbewerbsfähigkeit durch zusätzliche Auflagen gefährden. Dazu sagt Vojtěch Kotecký von Hnutí Duha:„Pavel Drobil konnte die Öffentlichkeit nicht ganz davon überzeugen, dass seine wichtigste Priorität als Minister tatsächlich die Sicherung der Gesundheit und Lebensqualität jedes einzelnen Bürgers ist. Es war offensichtlich, dass sich sein Engagement auf die Wahrung der Interessen einiger großer Unternehmen beschränkte. Zudem mündete seine Tätigkeit in einem riesigen Korruptionsskandal. Deshalb liegt es auch im Interesse der Regierung, die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass der neue Umweltminister tatsächlich bessere Luft, bessere Müllverwertung und eine schönere Landschaft im Sinn hat. Die ersten Aussagen zeigen, dass man mit dem neuen Minister reden kann, aber seine Erfahrung gerade in der Umweltpolitik ist sehr gering und er ist auch erst seit einem halben Jahr Parlamentsabgeordneter.“
Ein weiterer Dauerbrenner im Umweltressort ist die Haltung des Ministeriums zur Lage im Nationalpark Böhmerwald. Seit Jahren streiten sich dort Experten darüber, ob die vom Borkenkäfer befallenen Bäume gerodet werden sollen, um so einer Ausweitung der Plage zuvorzukommen, oder die Bäume sich selbst überlassen werden sollen, um so zu einer natürlichen Lösung des Problems zu gelangen. Dazu sagt der künftige Umweltminister Chalupa im Gespräch mit dem Tschechischen Rundfunk:„Ich habe ungefähr eine Vorstellung, aber bitte noch um Geduld, weil ich es korrekt finde, darüber zunächst mit meinen Mitarbeitern im Umweltministerium zu sprechen und deren Meinung einzuholen. Mich interessiert auch die bisherige Diskussion im Rahmen des Ministeriums. Ich will mir ein Bild über den Stand der Meinungen machen und erst auf Grund dieser Analysen eine Entscheidung treffen. Das Auswahlverfahren für den neuen Direktor des Nationalparks soll nicht nur den Namen seines künftigen Leiters hervorbringen, sondern auch den Weg aufzeigen, wie das Problem mit dem Borkenkäfer gelöst werden soll. In dieser Hinsicht sehe ich das alles komplexer, es geht nicht nur um die Auswahl einer konkreten Person.“
Für die Einbindung von Kritikern aus Nichtregierungsorganisationen könnte sich Chalupa bei einem Kabinettskollegen inspirieren lassen: bei Verkehrsminister Vít Bárta. Er hat einen Aktivisten der Umweltorganisation „Kinder der Erde“ zu einem seiner Berater für Fragen des Autobahnausbaus in Tschechien ernannt. Wäre dies auch eine mögliche Idee für das Umweltministerium? Abschließend noch einmal Vojtěch Kotecký von Hnutí Duha:„Mit dem Verkehrsministerium, dem Umweltministerium, wie auch mit den anderen Ressorts arbeiten wir seit langem zusammen. Und das sowohl mit den zuständigen Ministern, als auch auf fachlicher Ebene mit einzelnen Beamten. Wenn natürlich im Rahmen eines Ministeriums jemand auftaucht, der in der Vergangenheit eng mit verschiedenen Umweltgruppen zusammengearbeitet hat, dann ist das von Vorteil. Aber es ist nicht alles entscheidend. Ähnliche Kontakte zwischen den einzelnen Ministerien und Umweltgruppen gab es immer wieder, und ich gehe davon aus, dass es sie auch in Zukunft geben wird.“