Außenminister Schwarzenberg: Totalitäre Systeme mit gleichem Maßstab messen
Es ist gerade einmal 21 Jahre her, da war das heutige Europa noch in zwei große verfeindete Lager gespalten. 40 Jahre hatte dieser Zustand angehalten. Auf der einen Seite die Länder des demokratischen Westens, auf der anderen Seite das Bündnis der sozialistischen Staaten unter sowjetischer Führung. Beide Lager waren voneinander getrennt durch den so genannten Eisernen Vorhang. Links und rechts des Vorhangs liefen unterschiedliche Prozesse ab. In den totalitären Regimen des Ostens wurden die Menschenrechte zumeist mit Füßen getreten. In Europa soll es künftig verboten sein, die Verbrechen des Kommunismus zu leugnen. Eine entsprechende Forderung haben jedenfalls am Dienstag sechs jüngere EU-Staaten in Brüssel gestellt, darunter Tschechien.
Die Tschechische Republik und weitere fünf EU-Länder haben die Europäische Kommission in einem Schreiben aufgefordert, ein europaweites Verbot zur Leugnung der Verbrechen des Kommunismus auszusprechen. Das Schreiben wurde auf Initiative des litauischen Außenministers Audronius Ažubalis aufgesetzt mit dem Zweck, führende EU-Politiker erneut für dieses Thema zu sensibilisieren. Neben Tschechien und Litauen scheinen auch die anderen Unterzeichner-Staaten Bulgarien, Lettland, Rumänien und Ungarn den Eindruck zu haben, dass die Verbrechen der kommunistischen Diktaturen allzu schnell in Vergessenheit geraten. Der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg erklärt, worum es den sechs Unterzeichner-Staaten geht:
„Es ist eine grundlegende Sache, dass wir totalitäre Systeme mit dem gleichen Maßstab messen sollten. Und so wie wir gegen totalitäre Systeme mit einer verdrehten Ideologie in gleicher Weise vorgehen müssen, so müssen wir auch gegen die Verbrecher vorgehen, die in ihren Diensten stehen.“Eine Leugnung der Verbrechen des Kommunismus sei völlig vergleichbar mit der Leugnung der NS-Verbrechen, betonte Schwarzenberg und wurde deutlich: Der sowjetische Diktator Stalin habe letztlich noch mehr Menschen umgebracht als Hitler. Beide seien Massenmörder, ergänzte Schwarzenberg.
Jeder in Europa wisse um die Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus, aber nur ein Teil von Europa sei sich der Verbrechen des Kommunismus bewusst, begründete Litauens Außenminister Ažubalis seine Initiative. Es ist aber nicht das erste Mal, dass Tschechien und einige weitere Länder darum bemüht sind, dass die Regime des Nationalsozialismus und Kommunismus in gleicher Weise wahrgenommen und verurteilt werden. So hat die Tschechische Republik im vorigen Jahr während ihrer EU-Ratspräsidentschaft den Versuch unternommen, eine internationale Plattform für die Erforschung totalitärer Regime zu schaffen. Allerdings ohne größeren Erfolg. Auch diesmal sind die Unterzeichner der neuerlichen Initiative europaweit in der Minderheit. In ihrem Schreiben an die EU-Kommission äußern sie jedoch die Hoffnung, dass die Union eines Tages auch ein Gesetz verabschiedet, wonach es strafbar ist, die Verbrechen des Kommunismus zu leugnen.