Tschechiens Ärzte drohen mit Massenkündigungen wegen Stress und wenig Gehalt
Es brodelt im tschechischen Gesundheitswesen. Viele Ärzte sind unzufrieden mit dem Gehalt, das sie für ihre oft stressige Arbeit bekommen. Überstunden eingeschlossen. Sie machen deshalb klar, dass sie bis Jahresende kündigen und so ab März die Krankenhäuser in Scharen verlassen werden. Dies ist das Ziel einer Kampagne der Ärztegewerkschaft, über die wir auch schon bereits berichtet haben. Die Kampagne „Danke, wir gehen“ wurde am Montag nun auch in Prag gestartet.
„Im Kreis Böhmisch-Mährische Höhe hat bislang der größte Anteil von Krankenhausärzten das Entlassungsgesuch bei einer Rechtsanwaltskanzlei hinterlegt. Die Kampagne wird von mehr als 500 der 600 Ärzte im Kreis unterstützt, also von über 80 Prozent. Es gibt aber auch Krankenhäuser, wo uns 90 und mehr Prozent unterstützen. Das ist ein hervorragendes Ergebnis.“
In Prag wird die Kampagne von zwei namhaften Medizinern unterstützt: von Chirurg Pavel Pafko und vom Neurologen Pavel Kalvach. Pafko erklärt, weshalb die Zustände in den Krankenhäusern nicht mehr tragbar sind:„Wir haben unter den chirurgischen Abteilungen aller Krankenhäuer in Tschechien eine Umfrage durchgeführt und mussten erfahren, dass 58 Prozent dieser Abteilungen unterbesetzt sind. 68 Prozent der Chefärzte gab an, dass ihre Ärzte nach einem Nachtdienst weiterarbeiten müssen, um einen normalen Betrieb zu sichern. Wir Chirurgen halten die Lage schon jetzt für sehr ernst.“
Weil viele Ärzte solche Zustände nicht mehr länger mittragen oder besser für ihren Dauereinsatz bezahlt werden wollen, schließen sich immer mehr der Kampagne an. Sie fordern bis zum Dreifachen des derzeitigen Lohns. Das kann der Prager Kardiologe Jan Pirk jedoch nicht ganz nachvollziehen:
„Ich bin damit nicht einverstanden. Man muss bei den Gehältern zudem unterscheiden zwischen den Gehältern für junge Ärzte mit geringer Qualifikation und den Gehältern für qualifizierte Fachärzte mit verantwortlicher Funktion. Junge, unqualifizierte Ärzte haben in der ganzen Welt keine hohen Gehälter. Aber sobald sie die Qualifikation und eine verantwortliche Stelle erreicht haben, erhalten sie tatsächlich das Dreifache von dem, was im Durchschnitt hier gezahlt wird.“
Die tschechischen Ärzte erhalten derzeit ein durchschnittliches Monatsgehalt von umgerechnet 2000 Euro inklusive Überstunden und Schichtdienste. Sie fordern aber 2800 Euro Grundgehalt, ohne Überstunden und Schichtdienste. Der Leiter der Uniklinik im Prager Stadtteil Vinohrady, Marek Zeman, hält dies jedoch für unrealistisch:„In der gegenwärtigen Lage, in der der Staat bei allem sparen muss und will, bezweifle ich, dass der Staat dazu bereit wäre, gerade dem Gesundheitswesen und so auch den Ärzten mehr Geld zu geben. Wahr aber ist, dass langfristig gesehen mit den Ärztegehältern etwas passieren muss. Dafür sollten meiner Meinung nach grundlegende Reformen im Gesundheitswesen sorgen.“
Reformen hat die Regierung bereits geplant. Dazu gehört immer öfter auch die Überlegung, die stationäre Behandlung in den Krankenhäusern verstärkt durch eine ambulante Behandlung zu ersetzen. Das würde Kosten sparen. Deshalb holen die Krankenversicherungen nun auch zum den Konter auf die Massenkündigungen aus. Der mögliche Exodus der Ärzte sei schließlich eine gute Möglichkeit, um die stationäre Behandlung in Tschechien umzustrukturieren, sagte der Präsident des Verbandes der Krankenversicherungen, Jaromír Gajdáček. Nach Einschätzung des Verbandes könnten bei einem massenhaften Weggang von Ärzten und Schwestern gleich ganze Abteilungen geschlossen werden. Gesundheitsminister Leoš Heger aber hält noch nichts von derlei Spekulationen:„Diese Pläne sind momentan hypothetisch, wie auch die Pläne, die das Ministerium jetzt entwirft. Alles hängt letztlich davon ab, wie viele Ärzte tatsächlich gehen werden.“Sollten 3000 der 16.000 Krankenhausärzte ihre Kliniken verlassen, dann sei die medizinische Versorgung der Patienten noch zu meistern. Sollten aber 7000 Ärzte die Krankenhäuser verlassen, dann werde er seinen Rücktritt einreichen, erklärte Heger.