Kommunale Willkür und die Willkür der anderen
Zufall oder nicht? Die Kommentarspalten der tschechischen Tageszeitungen jedenfalls befassten sich auch am Freitag mit den zwei Themen, die viele ihrer Leser derzeit sehr wohl emotional beschäftigen: der Ausgang der Koalitionsverhandlungen in mehreren Stadtkommunen, allen voran im Prager Rathaus, sowie die Rede von Präsident Václav Klaus zum Staatsfeiertag am Mittwoch.
„Die Koalition haben alte Bekannte geschlossen, auch wenn sie sich gestern noch scheinbar als ideologische Feinde gegenüberstanden. Oft wird solch eine Liaison verteidigt mit den Worten: dem Bürgersteig ist es egal, von wem er gebaut wird. Warum kandidieren diese Leute dann aber für eine politische Partei? Warum werden dann nicht in den Gemeinden die Einheitskandidaten der Nationalen Front aufgestellt?“
Unter dem Deckmantel der „Nationalen Front“ wurden in der sozialistischen Zeit die Einheitskandidaten der Kommunisten aufgestellt, auch wenn sie angeblich „allen Schichten des werktätigen Volkes“ angehörten.
Die tendenziösen, weil ziemlich eindeutigen Kommentare der Mladá fronta Dnes und anderer Zeitungen zu diesem Thema aber geben der Hospodářské noviny sehr zu denken. In einem selbstkritischen Kommentar zur eigenen Branche schreibt Petr Honzejk unter anderem:„Die Editoren der Tageszeitungen lassen sich von ihrer eigenen Meinung leiten und zwingen den Lesern auf, was sie denken sollen. Nämlich, dass die Liaison der Bürger- und der Sozialdemokraten eine kleine Verbrechergemeinschaft ist.“
Mit den Verbrechen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich in seiner Rede zum Staatsfeiertag auch Präsident Klaus auseinandergesetzt. Die von Klaus dabei aufgemachte Rechnung, dass die Verbrechen der deutschen Nazis in keiner Relation zu den nach dem Krieg von Tschechen an Deutschen verübten Gewalttaten stehen, stößt bei mehreren Kommentatoren auf Kritik. In der Lidové noviny schreibt Politologe Bohumil Doležal dazu:
„Und wenn der Herr Präsident behauptet, dass auf unserem Gebiet im letzten Monat der Okkupation von den Okkupanten mehr Menschen ermordet wurden als Leute, die im ersten Monat nach Kriegsende umgekommen sind, dann gibt es immer noch zu bedenken: Wenn jemand mordet, hat der andere nicht das Recht, auch zu morden, auch wenn er das etwas weniger tut. Und ganz besonders dann nicht, wenn die dann Ermordeten in übergroßer Mehrheit zu denen zählen, die vorher nicht gemordet haben.“