Freeze den Wenzelsplatz!

Wenzelsplatz in Prag
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Facebook, Twitter und die ganzen anderen virtuelle Kontakthöfe sind in Tschechien äußerst beliebt. Gerade die Facebook-Foren haben hier Furore gemacht, als es der jungen Generation darum ging, die Sozialdemokraten mit ihrem verhassten damaligen Chef Jiří Paroubek an den öffentlichen Pranger zu stellen. Bei allen Wahlkampfterminen der Sozialdemokraten erschienen 2009 junge Leute und bewarfen die Politiker mit Eiern. Verabredet hatten sie sich über Facebook. Donnerstag dieser Woche war die tschechische Facebook-Comunity wieder am Werk, aber wesentlich zivilisierter.

Auf dem Marktplatz in Pilsen haben sich über Facebook Hunderte von Menschen zum so genannten „freezing“ verabredet. Auf ein bestimmtes Signal hin und auf die Sekunde genau versteifen alle Eingeweihten für zwei Minuten in der Bewegung, die sie gerade ausführen. Wenn sie sich küssen, dann küssen sie sich zwei Minuten, wenn sie gerade aus einer Flasche trinken, dann tun sie das ganze zwei Minuten lang. Das Aufregende an einer solchen virtuellen Verabredung: Man kennt sich nicht, teilt dennoch ein Geheimnis, wird Teil eines kurzen, aber großen, stillen Schauspiels, gehört dazu, ist dabei, wenn sich das Virtuelle materialisiert und der Rest der Anwesenden nichts kapiert.

Wenzelsplatz in Prag
An diesem Donnerstag war ich nicht auf dem Marktplatz in Pilsen unterwegs, sondern auf dem bekanntesten Platz von Prag. Die Tschechen nennen ihn liebevoll Václavák. Aber dass der Wenzelsplatz besonders liebenswürdig wäre, das kann man nicht behaupten. Erst ließ ich mich von einer Kioskbesitzerin anschnauzen, die ihr Büdchen unweit vom Heiligen Wenzel zwar geöffnet hatte, aber partout nichts verkaufen wollte. Ich hätte gern mein „Guten Tag“ rückgängig gemacht, aber gesagt war gesagt. Gleich beim Nadelöhr neben dem Metroeingang läuft man dann in alle möglichen und unmöglichen Figuren hinein, deren Geschäfte ganz offensichtlich krumm sind. An dieser Stelle behalte ich irgendwie im Augenwinkel, wer hinter mir geht und sage mir: Falls mal der soziale Abstieg droht – hier kann ich hinkommen, hier finde Leidensgenossen, kann mich informieren, wie man krumme Dinger dreht ohne von der Polizei behelligt zu werden.

Wenzelsplatz in Prag
An diesem Donnerstag führte mich mein Weg in den Schauspielklub in einer Seitenstraße vom Wenzelsplatz. Doch bevor man da ankommt, muss man eine Bordellmeile durchkreuzen, wobei man immer der Gefahr ausgesetzt ist, in das Scharmützel zweier Türsteher von konkurrierenden Unternehmen zu geraten, die sich just um eine besoffene Gruppe von englischen Kunden kloppen. Eine aufgeheizte Atmosphäre im schlechtesten Sinne des Wortes. Bei diesem Spaziergang durch Prag habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als dass der ganze verdammte Wenzelsplatz – freeze! – einfriert. Auf Ewigkeit!