Flexibel und anpassungsfähig: Der kleine und mittlere Sektor der tschechischen Wirtschaft

Foto: www.firmaroku.cz

Auch 2010 findet wieder der republikweite Wettbewerb Firma des Jahres / Unternehmer des Jahres statt, ausgerichtet von Vodafone und den Gelben Seiten, auf Tschechisch Goldene Seiten. 14 Firmen und 14 Einzelunternehmer sind nach der Kreisausscheidung im Finale gelandet. Über den Unternehmer des Jahres entscheidet bis zum 21. November die Öffentlichkeit per SMS. In der Zwischenzeit senden der Tschechische Rundfunk und das Tschechische Fernsehen Portraits der Unternehmer. Über die Firma des Jahres entscheidet eine Fachjury. Die Sieger beider Wettbewerbe werden am 2. Dezember in Prag bekannt gegeben. Bis dahin können alle noch einmal Gas geben. Dieser Wettbewerb mit seinen Befragungen und Analysen gibt Aufschluss darüber, wie es dem kleinen und mittleren Sektor der tschechischen Wirtschaft geht. Über die ersten Erkenntnisse sprach Christian Rühmkorf mit Zdeněk Strnad von der Agentur Bison & Rose.

Firma des Jahres
Herr Strnad, Firma des Jahres, Unternehmer des Jahres beziehungsweise Gewerbetreibender des Jahres - das ist der Wettbewerb, der jetzt gerade stattfindet. Sie analysieren, wie es den Firmen im kleinen und mittleren Sektor gerade geht. Wie sehen die Ergebnisse des Wettbewerbs in diesem Jahr aus? Wie geht es den kleinen und mittleren Unternehmen in Tschechien?

„Die kleinen und mittleren Unternehmen, die sich an unserem Wettbewerb beteiligen, rappeln sich – wie die Wirtschaft insgesamt – wieder auf, nachdem die Krise zugeschlagen hatte. Für mich ist erfreulich, dass die Krise bei keinem dieser Unternehmen wirklich liquidierend gewirkt hat. Ein paar Firmen sind natürlich eingegangen, einige haben die Produktion eingeschränkt. Aber keine der beteiligten Firmen hat sich außergewöhnlich über die Krise beschwert. Sie nehmen das als eine Hürde, zu der es immer mal kommen kann, die es aber zu bewältigen gilt. Sie haben den starken Willen, in dieser Konkurrenz erfolgreich zu sein allen unangenehmen Bedingungen zum Trotz.“

Unternehmer des Jahres
Haben Sie bestimmte Strategien verzeichnet, wie die kleinen und mittleren Unternehmen mit der Krise umgegangen sind hier in Tschechien?

„Die Einzelunternehmer ohne Angestellte denken nicht in denselben finanziellen Kategorien wie Firmen. Sehr gut hat das einer der an der Analyse beteiligten Unternehmer formuliert: ´Wir sind uns bewusst, dass unser Produkt kein Unikat ist. Deshalb muss alles drum herum herausragend sein.´ Diese Unternehmer haben eine sehr kernige Herangehensweise. Was die Firmen wiederum betrifft, so müssen sie auf ihre Angestellten acht geben, sie müssen den Kontakt mit den staatlichen Ämtern pflegen, den Cashflow im Auge behalten, mehr darauf achten, dass sie im Spiel bleiben. Eine Baufirma im Familienbesitz zum Beispiel, die sich auch am Wettbewerb beteiligt, kümmert sich in außergewöhnlicher Weise um ihre Angestellten, auch in Krisenzeiten. Die Firma hat nicht einen einzigen Angestellten entlassen und zahlt ihren Mitarbeitern zum Beispiel eine Abfindung, wenn sie in Rente gehen. Eine sehr soziale Firma also. Wir haben uns gesagt: Wenn sich auch die großen Arbeitgeber in dieser Weise um ihre Angestellten kümmern würde, dann bräuchten wir in dieser Republik keine Gewerkschaften.“

Firma des Jahres
Hat das diesem Unternehmen geholfen sich so gut um die Angestellten zu kümmern?

„Sicher hat das dem Unternehmen geholfen. Die Angestellten sehen, dass sich ihr Arbeitgeber um sie kümmert, auch in Zeiten der Krise. Der Chef entlässt niemanden, verzichtet darauf, sich einen neuen Mercedes zu kaufen und investiert das Geld lieber in das Sozialprogramm seiner Firma. Die Angestellten bleiben ihm dann auch in Zukunft treu. Und wenn die Krise ein Ende hat, dann hat der Unternehmer ein Personal, auf das er sich verlassen kann. Das ist ein riesiger Vorteil und das spricht sich auch herum. Alles in allem denke ich, der Vorteil tschechischer Unternehmer ist ihre Flexibilität und die Fähigkeit, sich auch in Krisenzeiten über Wasser zu halten.“

Absurdität des Jahres
Wie sieht es denn aus in Tschechien? Welche Barrieren gibt es hier insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen? Es gibt auch eine Frage in dieser Analyse nach der „Absurdität des Jahres“. Was ist die größte Absurdität des Jahres?

„Die meisten der kleinen und mittleren Unternehmen beschweren sich über zu viel Verwaltung und Bürokratie. Die hindere sie daran, ihr Unternehmen auszubauen. Steuerfragen gehören auch zu einem großen Problem: Tschechische Unternehmen müssen zum Beispiel die Mehrwertsteuer abführen noch bevor sie von ihrem Kunden überhaupt die Rechnung bezahlt bekommen haben. Wenn viele Kunden ihre Rechnungen zu spät begleichen, kann dadurch das Unternehmen in existenzielle Schwierigkeiten geraten. Was die ´Absurdität des Jahres´ betrifft: Wir befragen die Firmen, welche Vorschrift sie daran hindert, sich unternehmerisch zu verbessern. Im vergangenen Jahr hat zum Beispiel die Vorschrift ´gewonnen´, ein Fahrtenbuch zu führen, auch wenn die Firma weniger als drei Autos in Betrieb hat. Unter anderem aufgrund unserer Umfrage und der Medialisierung wurde diese Vorschrift dann abgeschafft.“

Vor der Wende gab es keinen privaten Sektor. Der kleine und mittlere Sektor muss ja ein stabiler Sektor der Staatswirtschaft sein. Ist er das geworden? Ist in Tschechien der kleine und mittlere Sektor ein stabiler, ein tragender Sektor für die hiesige Wirtschaft?

„Gerade wegen des Unternehmergeistes, den die Tschechen im Blut haben, wird es hier einen starken Sektor gerade kleiner und mittlerer Firmen geben. Firmen gehen ein, Firmen werden gegründet, werden an die Nachkommen übergeben. Und gerade hier gibt es eigentlich eine große Tradition bei kleinen und mittleren Firmen. Und deshalb bin ich überzeugt, dass – wie in anderen Staaten – dieser Sektor jene Säule ist, auf der die nationale Wirtschaft stabil stehen wird.“

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