Der Staat im Würgegriff privater Sicherheitsdienste?

Ist das Innenministerium oder gar der gesamte tschechische Staat im Würgegriff privater Sicherheitsdienste? Diese Frage stellt sich einmal mehr seit der vergangenen Woche, seit bekannt wurde, dass mehrere Prager Kommunalpolitiker von der größten heimischen Sicherheitsagentur bespitzelt wurden. Die Firma weist den Vorwurf zurück und zeigt jene Journalisten an, die die Causa aufgedeckt haben. Die Regierung, in der mehrere ehemalige Mitarbeiter und auch der frühere Besitzer eben jener Firma sitzen, beschwichtigt und verspricht rasche Aufklärung. Die Opposition wiederum schäumt und sieht ihre Befürchtungen bestätigt, dass die Mitte-Rechts-Koalition unter dem Kommando privater Sicherheitsdienste steht.

Vít Bárta  (Foto: ČTK)
ABL. Diese drei Buchstaben stehen für die größte tschechische Sicherheitsfirma. Jahrelang bekam das Unternehmen mit dem grimmigen Löwen im Firmenlogo auch staatliche Aufträge. So beruht etwa das umstrittene Konzept, Obdachlose in eine Art Auffanglager am Prager Stadtrand zu verbannen, auf einer Studie des Sicherheitsunternehmens. Eigentümer und Firmenchef von ABL war bis vor Kurzem niemand geringerer als Verkehrsminister Vít Bárta, der auch als Hauptfinanzier der Partei der öffentlichen Angelegenheiten gilt. Deren Parteichef Radek John wiederum ist Innenminister. Und auch zwei von Johns Stellvertretern kommen aus der privaten Sicherheitsbranche. Soweit die Vorgeschichte.



Dalibor Mlejnský
Nun zum konkreten Anlass für die Aufregung: In der vergangenen Woche berichtete die Tageszeitung „Mladá Fronta Dnes“, mehrere Prager Kommunalpolitiker der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) seien im Jahr 2006 von der Firma ABL bespitzelt worden. Darunter der Bürgermeister des Stadtbezirks Prag 11, Dalibor Mlejnský. Er zeigte sich entsetzt über die von der Zeitung veröffentlichten Informationen.

Dass jemand eine Akte über ihn angelegt, seine Eigentums- und Familienverhältnisse überprüft und sogar seine Kinder verfolgt habe, sei ihm natürlich sehr unangenehm, so der Politiker. Als Hintergrund für die Aktion vermutet Mlejnský den Wahlkampf zu den Kommunalwahlen im Jahr 2006. Dies könnte tatsächlich eine der Ursachen für die Spitzelaktion sein. Denn vor vier Jahren tobte innerhalb der örtlichen ODS ein erbitterter Kampf um den Bürgermeisterposten. Die Amtsinhaberin Marta Šorfová unterlag schließlich ihrem parteiinternen Rivalen Mlejnský. Und auch Šorfová und ihre Familie wurden von Privatdetektiven ausspioniert.

Marta Šorfová
Die Zeitung „MF Dnes“ belegt die Vorwürfe gegen die Agentur ABL mit Fotos und E-Mails. Verkehrsminister Bárta, der das Unternehmen inzwischen an seinen Bruder verkauft hat, bestreitet dennoch, etwas mit der Sache zu tun zu haben: Er sei der Meinung, es handle sich um Fälschungen und sein Bruder habe ihm das mittlerweile bestätigt. Matěj Bárta, der neue Eigentümer und Generaldirektor von ABL, hat angekündigt, die Tageszeitung „MF Dnes“ wegen der falschen Vorwürfe anzuzeigen. Zeitungsreporter Jaroslav Kmenta beteuert hingegen, die Beweise seien echt: man habe alles in elektronischer Form. Und elektronische Dokumente hinterließen digitale Spuren, die klar beweisen würden, dass die Aufnahmen und Spitzelprotokolle durch die Firma ABL angefertigt wurden.

Wer nun tatsächlich die Kommunalpolitiker verfolgt hat, werden wohl die Gerichte klären müssen. Unklar bleibt auch weiterhin, wer den Auftrag dazu erteilt hat und warum. Premier Petr Nečas (ODS) versprach jedenfalls gleich nach Bekanntwerden der Affäre Aufklärung: Seine Demokratische Bürgerpartei ODS erwarte eine ordentliche und schnelle Aufklärung ohne Ansehen von Parteien oder Personen. Der sozialdemokratische Abgeordnete und Rechtsanwalt Jeroným Tejc rechnet hingegen nicht mit einer unabhängigen Untersuchung der Causa:

„Die Ankündigung von Premier Nečas, man werde alles rasch und objektiv untersuchen, lässt sich nicht ernst nehmen. Ermitteln wird die Polizei und die steht unter der Kontrolle von Radek John und seinen beiden Stellvertretern, die direkt aus der privaten Sicherheitsbranche kommen.“

Michal Moroz  (Foto: www.ct24.cz)
Einer dieser beiden stellvertretenden Innenminister ist Michal Moroz, bis vor Kurzem Eigentümer von zwei privaten Sicherheitsunternehmen. In einer Diskussionssendung im Tschechischen Fernsehen nahm er am Wochenende Stellung zu den Vorwürfen, er handle im Interesse seiner Branche:

„Ich habe gleich nach meinem Eintritt ins Ministerium alle Leitungsfunktionen in meinem Unternehmen niedergelegt. Eine meiner beiden Firmen habe ich bereits verkauft, für die zweite werde ich in Kürze den Kaufvertrag unterzeichnen.“

Martin Pecina
Als Berater ins Innenministerium geholt hat Moroz übrigens noch der von den Sozialdemokraten nominierte Übergangs-Innenminister Martin Pecina. Der Abgeordnete und sicherheitspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Jeroným Tejc, kann darin nichts Verwerfliches erkennen:

„Ja, Herr Moroz hat tatsächlich als Berater von Minister Pecina gearbeitet. Aber ich denke, es ist in Ordnung, wenn sich Minister Menschen als Berater aussuchen, die aus verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens kommen. Aber nun ist Herr Moroz Minister-Stellvertreter und kann im Ministerium Entscheidungen treffen. Was uns an der ganzen Sache am meisten stört, ist die enge Bindung von Innenminister John an Verkehrsminister Bárta.“

Miroslav Zahálka
Doch nicht nur Minister Bárta hat als ehemaliger Eigentümer und Firmenchef eine enge Verbindung zu dem Sicherheitsunternehmen ABL. Auch der zweite Stellvertreter des Innenministers, Miroslav Zahálka, hat für Bártas Firma gearbeitet. Zahálka denke nun daran zurückzutreten, wie der stellvertretende Innenminister Michal Moroz am Sonntag im Tschechischen Fernsehen sagte: Er habe die Information, dass sein Kollege Zahálka sein Engagement im Innenministerium aus gesundheitlichen Gründen beenden werde. Dies müsse Zahálka selbst aber noch bestätigen, so Moroz.

Die zahlreichen Verbindungen zwischen der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten, die Teil der regierenden Mitte-Rechts-Koalition ist, und dem größten Sicherheitsunternehmen des Landes zeigten einmal mehr die Notwendigkeit, die Tätigkeit der privaten Sicherheitsdienste endlich per Gesetz zu regeln, findet Sozialdemokrat Tejc:

„Diese Sache ist in den 1990er Jahren vernachlässigt worden, als die ersten privaten Sicherheitsfirmen ins Geschäft eingestiegen sind. Die haben sich schnell entwickelt und viele von ihnen haben heute tausende Mitarbeiter. Mir ist bewusst, dass man in den Neunzigern knapp nach der Wende nicht alles auf einmal regeln konnte. Trotzdem haben die damaligen Politiker in dieser Angelegenheit versagt. Seit vier Jahren bemühe ich mich als Oppositionsabgeordneter darum, dass im Rahmen der Reform der tschechischen Polizei auch ein Gesetz über die privaten Sicherheitsdienste verabschiedet wird, das klare Verhaltensregeln für diese Firmen aufstellt und Kontrollmechanismen definiert. Leider ist bisher nichts geschehen. Ich bin überzeugt, dass die jüngste Causa um die Bespitzelung von Politikern nun Bewegung in die Sache bringen wird.“

Er hoffe nur, dass nicht das Innenministerium mit der Ausarbeitung des Gesetzes über die privaten Sicherheitsdienste beauftragt werde, so Sozialdemokrat Tejc im Tschechischen Fernsehen. Denn durch die engen Verbindungen des Ressorts zur Sicherheitsbranche bestehe ein eindeutiger Interessenskonflikt. Man sollte die Agenda daher dem Justizministerium übertragen. Minister Stellvertreter Moroz betont, Angelegenheiten der inneren Sicherheit seien in der Zuständigkeit des Innenministeriums. Er könne sich aber eine Zusammenarbeit mit dem Justizministerium bei der Ausarbeitung eines Gesetzes über private Sicherheitsdienstleistungen vorstellen.

Die großen heimischen Sicherheitsunternehmen seien übrigens für eine gesetzliche Regelung ihrer Tätigkeit. Auch mit strengerer staatlicher Kontrolle hätten sie kein Problem, helfe sie doch, schwarze Schafe in der Branche aufzuspüren, sagte der stellvertretende Innenminister Michal Moroz, der bis vor Kurzem noch im Branchenverband der privaten Sicherheitsdienste aktiv war.