Evergreen Korruption: Maßnahmenpaket von Innenminister Radek John erntet Kritik
Sie werden sich vielleicht noch erinnern, dass wir uns vor einigen Wochen im Schauplatz mit dem vermeintlichen Korruptionssumpf im tschechischen Verteidigungsministerium befasst haben. Damals konnte jedoch Niemand ahnen, dass das Dauerproblem Korruption auch vor den bevorstehenden landesweiten Kommunalwahlen ein Thema sein wird. Mehr dazu und der geplanten Anti-Korruptions-Strategie von Innenminister Radek John erfahren Sie in der folgenden Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz. Am Mikrophon ist Robert Schuster.
Fast zeitgleich wurden in der vergangenen Woche zwei neue Fälle von Korruption auf kommunaler Ebene bekannt. Der eine betraf die südmährische Stadt Znojmo/Znaim. Dort wurden insgesamt fünf Personen verhaftet wegen des Verdachts auf Manipulierung von öffentlichen Aufträgen. An der Spitze der örtliche Stadtdirektor. Im mittelböhmischen Kolín ermittelt die Polizei wiederum gegen den Bürgermeister und dessen Stellvertreter wegen des Verdachts auf Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Grundstücks an eine private Firma.
Fälle wie diese zeigen, dass Korruption nicht nur ein Thema von großen Kommunen, wie Prag oder anderen ist. Im Gegenteil. Aber in kleineren Gemeinden war es oft schwierig etwas aufzuklären, schließlich kennt dort jeder jeden und man weiß nie, wann man den Anderen selber einmal brauchen wird.Wenige Tage vor dem Auffliegen dieser neuen Korruptionsfälle stellte Innenminister Radek John der Öffentlichkeit ein Maßnahmenpaket im Kampf gegen die Korruption vor. Dessen Herzstück bilden Anleitungen an Mitbürger und Polizisten, wie sie sich in solchen Fällen zu verhalten haben. Bestandteil ist auch ein vorgesehener Integritätstest, bei dem ermittelt werden soll, ob Polizisten, oder Beamte anfällig für Korruption sind.
Die Reaktion der fachkundigen Öffentlichkeit fiel allerdings vernichtend aus. Seiner Kritik ließ allen voran Jeroným Tejc, innenpolitischer Experte der Sozialdemokraten und Schatten-Innenminister freien Lauf:
„Mir kommt das eher vor wie eine Fortsetzung in der Serie der nicht ganz glücklichen und manchmal vielleicht witzigen Auftritte von Minister John. Es wäre schade, wenn die ganze Anti-Korruptions-Strategie des Innenministerium sich lediglich auf eine Broschüre beschränken würde, bei der wir dann alle DVDs mit Filmausschnitten erhalten würden, versehen mit einer Anleitung, was man schon als Korruption bezeichnen könnte und was nicht mehr. Jede Art von Kenntnis über Korruption und wie gegen sie anzukämpfen ist, ist sicher wichtig, aber ich denke, dass es da wichtigere Aufgaben gibt. Eine einzige Broschüre allein wird dieses Problem meiner Meinung nach nicht lösen können.“
Das Paket des Innenministers sieht unter anderem höhere Strafen für korruptes Verhalten vor. Geschaffen werden soll auch eine Anlaufstelle für Polizisten, die sich dem Druck von örtlichen Politikern ausgesetzt fühlen, weil sie gegen sie wegen des Verdachts auf Korruption ermitteln. In den Augen Tejc´ ist das aber zu wenig, der dahinter sogar einen Rückschritt im Vergleich zu früheren Anti-Korruptions-Maßnahmen sieht:
„Es ist wenig ambitioniert und zwar vielleicht noch weniger, als vergleichbare Vorhaben der früheren Regierung von Mirek Topolánek. Letzten Endes wird nicht entscheidend sein, was der Minister heute verkünden wird, sondern, ob er auch ganz konkrete Gesetzesentwürfe folgen lässt. Die vorgestellten Maßnahmen kann man gut finden, oder sie ablehnen – aber zu sagen, dass man höhere Strafen für korruptes Verhalten will, bringt allein keine Lösung des Problems. Auch wenn der Strafsatz bei hundert Jahren liegen sollten, wird es nicht helfen, solange niemand auch tatsächlich verhaftet und vor Gericht gestellt wird.“
Vor allem eine Maßnahme fehlt dem Oppositionspolitiker ganz besonders, wie er gegenüber dem Tschechischen Rundfunk erläutert:„Ich bin enttäuscht, dass der Entwurf, so wie er bisher präsentiert wurde, nicht die Kronzeugen- Regelung enthält, wie auch das Verbot von anonymen Aktien bei Firmen, die an öffentliche Aufträge gelangen wollen. Das sind meines Erachtens zwei Schlüsselfragen, die wir als Opposition durchsetzen wollen – vielleicht auch in Zusammenarbeit mit dem Innenminister. Das Problem ist, dass viele seiner jetzt vorgestellten Vorhaben, wie zum Beispiel der Integritätstest, nicht ausgereift sind und viele nur in einer ideellen Ebene bestehen und ihnen jegliche konkrete Form fehlt. Das hindert uns daran über die Vorschläge mit dem Minister zu verhandeln.“
Dass die Opposition die geplanten Schritte im Kampf gegen die Korruption unausreichend findet, ist wohl wenig überraschend und gehört zum täglichen innenpolitischen Kleinkrieg in Tschechien. Weitaus schwerer wiegen allerdings die Bedenken von unabhängigen Stellen, wie etwa Transparency International. Diese weltweit agierende Vereinigung war ursprünglich mit im Team des Innenministers, welches das neue Anti-Korruptions-Paket ausarbeiten sollte. Doch kurz vor dessen Bekanntgabe zogen sich die Experten von Transparency mit der Begründung zurück, der Minister setze in erster Linie auf das Verstärken von Repression, anstatt präventive Maßnahmen zu fördern.Der Chef des Verwaltungsrats von Transparency International Václav Láska sagt daher zu dem vorgestellten Maßnahmenpaket:
„Ich würde das gar nicht als eine programmatische Ansage im Kampf gegen Korruption sehen, sondern als eine Anhäufung von verbalen Allgemeinplätzen, oder ethischen Kodizes, die meines Erachtens keinen wirklichen Beitrag leisten können. Das Wesentliche, was wir erwartet haben, das heißt Präventivmaßnahmen, oder konkrete Gesetzesinitiativen, davon ist in dem Paket nichts zu finden.“Láska, der früher hochrangiger Polizist und Leiter eines speziellen Ermittlerteams im Kampf gegen die Korruption war, misst dem Schutz derjenige Bürger, die solche Fälle melden, eine Schlüsselrolle zu:
„Bei uns fehlt zur Gänze ein faktischer Schutz derjenigen, die Korruption anzeigen und es droht im Gegenteil, dass sie selber zu Zielscheiben von Repression von Seiten derer werden, deren geschäftliche Interessen gefährdet sind.“Die Beispiele können helfen, Misstrauen in der Öffentlichkeit abzubauen. Es wäre, so Láska, wünschenswert, wenn die Polizei regelmäßig Fälle veröffentlichen würde, wo es um Korruption ging und den Fall dokumentieren könnte. Wichtig wäre es, zu zeigen, wie es zur korrupten Verhaltensweise gekommen ist, wie sie aufgeklärt wurde und welche Folgen das für alle Beteiligten hatte, bzw., dass es sich gelohnt hat den Fall zu melden und ihn die Polizei nicht einfach bei Seite geschoben hat. Das könnte allgemein inspirierend wirken und auch die Sensibilität der Öffentlichkeit gegenüber Fällen von Korruption schärfen.
Der kritisierte Innenminister Radek John widerspricht dem jedoch resolut:
„Die Anti-Korruptions-Polizei hat in diesem Jahr 63 Fälle von Korruption erfolgreich abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft hat allerdings über all diese Fälle ein Informationsembargo verhängt, womit die Öffentlichkeit davon nicht erfahren konnte. Wir müssen daher am anderen Ende beginnen. Deshalb unser Handbuch mit der Anleitung, was Korruption ist und wie man sie melden soll – das ist wichtig, damit das Ganze überhaupt in Bewegung kommt.“
Der Minister widerspricht ebenso dem Vorwurf, dass im von ihm vorgestellten Anti-Korruptions-Paket die Bürger nicht ausreichend geschützt wären:
„Ein Bürger, der Korruption meldet, kann kurzfristig geschützt werden, er kann aber auch langfristigen Schutz genießen und außer Landes gebracht werden. Man kann auch seine Aussagen anonym machen, womit niemand erfährt, wer den Hinweis auf Korruption geliefert hat. Es hat keinen Sinn im Wirtshaus zu schimpfen, dass gestohlen wird, wenn wir nichts dagegen unternehmen. Nur das bringt Geld in den Haushalt zurück.“
Auch der oft vermuteten engen Verquickung von lokalen Politikern und örtlichen Polizeistellen soll das neue Anti-Korruption-Paket Vorschub leisten. Wie das gehen soll, erklärt Innenminister Radek John abschließend:„Wir haben schon eine Belohnung für diejenigen Polizisten ausgeschrieben, die endlich den Mut finden und Anzeige erstatten, wenn Jemand auf ihre Ermittlungen Druck ausüben sollte. Ich bin davon überzeugt, dass überall, auch in den unteren Etagen, den kleinen Gemeinden, etwas gegen die Korruption unternommen werden kann. Es geht darum, dass wir jeden Fall aufgreifen. Schon in diesem Jahr sind wir schon in 63 Fällen dem Verdacht auf Korruption nachgegangen. Ich lasse mir nicht einreden, dass es keinen Bürgermeister gibt, der nicht versuchen würde, Druck auf einen ihm persönlich bekannten Ermittler auszuüben. Diese Fälle müssen gemeldet werden, selbst wenn das zu einem Skandal führen sollte.“